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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Senfft wünschte, daß der Punkt, welcher den Beitritt Sachsens zu der
östreichischen Friedensvermittelung aussprach, die Form eines öffentlichen Ver¬
trags erhielte. Aber in Wien war man dazu nicht geneigt, da sich so die
Verhältnisse zu schnell klären mußten, und auch dem König war diese Vorsicht
angenehm. Indeß hielt er es, als Napoleon sich wieder den Grenzen Sachsens
näherte, für gerathen, denselben über die Haltung, die er zu beobachten ge¬
dachte, einigermaßen in Kenntniß zu setzen. "Der Kaiser von Oestreich," schrieb
er ihm in einem vom 19. April datirten Briefe, "hat mir soeben die Schritte
mitgetheilt, welche er bei Ew. k. k. Majestät für die Rückkehr des Friedens
und die Gründung eines Zustandes dauernder Ruhe in Europa gethan hat.
Im Hinblick auf die Stellung Oestreichs, dessen Einfluß in diesem Augenblicke
Rußland und Preußen gegenüber entscheidend sein muß, während die große
Seele Ew. k. k. Majestät sich nicht den Ruhm versagen wird, durch großmüthige
Mäßigung Europa beruhigt zu haben, bin ich durch diese Eröffnungen mit den
süßesten Hoffnungen erfüllt worden. Gestützt auf die Güte, von welcher Sie
Mir so viele Proben gegeben haben, wage ich meine Wünsche mit denen der
leidenden Menschheit zu vereinigen. Ich wage vertrauensvoll zu hoffen, daß
sie Ew. k. k. Majestät zu Herzen gehen und daß Sie darin nur den Ausdruck
eines Verbündeten erblicken werden, der Ihnen aufrichtig zugethan ist, sowie
den Ausdruck der gerechten Sorge, die mir das Heil meiner Völker einflößt.
Die Uebereinstimmung in den Wünschen und der Sehnsucht, welche ich soeben
Ew. k. k. Majestät ausgedrückt habe, mußte mich dem wiener Hofe nähern,
welcher durch das ihn mit Frankreich vereinende Bündniß in gleicher Weise an
das Interesse der gemeinsamen Sache geknüpft ist, und ich glaube nicht länger
Zögern zu dürfen, mich der Einladung des Kaisers von Oestreich zufolge nach
Prag zu begeben, wo ich im Stande sein werde, in größerer Nähe über das
Wohl meiner augenblicklich vom Feinde überschwemmten Staaten zu wachen."
"Mein Entschluß ist in diesem Augenblicke besonders durch die dringende Noth¬
wendigkeit bestimmt, mich den Grenzen Sachsens zu nähern, um zu verhindern,
daß der öffentliche Geist nicht irre geführt werde, und ich glaube mir schmeicheln
ZU können, dieser Schritt werde unter den geschilderten Umständen die Billigung
Ew. k. k. Majestät finden, und Sie werden mir die Gesinnungen der Freund¬
schaft und des Vertrauens zu bewahren geruhen, welche ich als mein kostbarstes
Gut betrachte und stets durch unveränderliche Hingebung erwidern werde."

Tags- darauf reiste Friedrich August nach Linz ab, wohin Senfft ihm
folgte, und wo am 24. April die geheime Convention mit Oestreich ratisicirt
wurde. Zum Behuf weiterer Verständigung mit Metternich ging Senfft dann
nach Wien, wo er indeß nicht ganz fand, was er wünschte; denn bald wurde
ihm hier klar, daß Oestreich nicht auf Frieden hoffte, ja schon so gut wie ent¬
schieden war, am Kriege gegen Frankreich theilzunehmen, und nur zu weiteren


Senfft wünschte, daß der Punkt, welcher den Beitritt Sachsens zu der
östreichischen Friedensvermittelung aussprach, die Form eines öffentlichen Ver¬
trags erhielte. Aber in Wien war man dazu nicht geneigt, da sich so die
Verhältnisse zu schnell klären mußten, und auch dem König war diese Vorsicht
angenehm. Indeß hielt er es, als Napoleon sich wieder den Grenzen Sachsens
näherte, für gerathen, denselben über die Haltung, die er zu beobachten ge¬
dachte, einigermaßen in Kenntniß zu setzen. „Der Kaiser von Oestreich," schrieb
er ihm in einem vom 19. April datirten Briefe, „hat mir soeben die Schritte
mitgetheilt, welche er bei Ew. k. k. Majestät für die Rückkehr des Friedens
und die Gründung eines Zustandes dauernder Ruhe in Europa gethan hat.
Im Hinblick auf die Stellung Oestreichs, dessen Einfluß in diesem Augenblicke
Rußland und Preußen gegenüber entscheidend sein muß, während die große
Seele Ew. k. k. Majestät sich nicht den Ruhm versagen wird, durch großmüthige
Mäßigung Europa beruhigt zu haben, bin ich durch diese Eröffnungen mit den
süßesten Hoffnungen erfüllt worden. Gestützt auf die Güte, von welcher Sie
Mir so viele Proben gegeben haben, wage ich meine Wünsche mit denen der
leidenden Menschheit zu vereinigen. Ich wage vertrauensvoll zu hoffen, daß
sie Ew. k. k. Majestät zu Herzen gehen und daß Sie darin nur den Ausdruck
eines Verbündeten erblicken werden, der Ihnen aufrichtig zugethan ist, sowie
den Ausdruck der gerechten Sorge, die mir das Heil meiner Völker einflößt.
Die Uebereinstimmung in den Wünschen und der Sehnsucht, welche ich soeben
Ew. k. k. Majestät ausgedrückt habe, mußte mich dem wiener Hofe nähern,
welcher durch das ihn mit Frankreich vereinende Bündniß in gleicher Weise an
das Interesse der gemeinsamen Sache geknüpft ist, und ich glaube nicht länger
Zögern zu dürfen, mich der Einladung des Kaisers von Oestreich zufolge nach
Prag zu begeben, wo ich im Stande sein werde, in größerer Nähe über das
Wohl meiner augenblicklich vom Feinde überschwemmten Staaten zu wachen."
„Mein Entschluß ist in diesem Augenblicke besonders durch die dringende Noth¬
wendigkeit bestimmt, mich den Grenzen Sachsens zu nähern, um zu verhindern,
daß der öffentliche Geist nicht irre geführt werde, und ich glaube mir schmeicheln
ZU können, dieser Schritt werde unter den geschilderten Umständen die Billigung
Ew. k. k. Majestät finden, und Sie werden mir die Gesinnungen der Freund¬
schaft und des Vertrauens zu bewahren geruhen, welche ich als mein kostbarstes
Gut betrachte und stets durch unveränderliche Hingebung erwidern werde."

Tags- darauf reiste Friedrich August nach Linz ab, wohin Senfft ihm
folgte, und wo am 24. April die geheime Convention mit Oestreich ratisicirt
wurde. Zum Behuf weiterer Verständigung mit Metternich ging Senfft dann
nach Wien, wo er indeß nicht ganz fand, was er wünschte; denn bald wurde
ihm hier klar, daß Oestreich nicht auf Frieden hoffte, ja schon so gut wie ent¬
schieden war, am Kriege gegen Frankreich theilzunehmen, und nur zu weiteren


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[0439] Senfft wünschte, daß der Punkt, welcher den Beitritt Sachsens zu der östreichischen Friedensvermittelung aussprach, die Form eines öffentlichen Ver¬ trags erhielte. Aber in Wien war man dazu nicht geneigt, da sich so die Verhältnisse zu schnell klären mußten, und auch dem König war diese Vorsicht angenehm. Indeß hielt er es, als Napoleon sich wieder den Grenzen Sachsens näherte, für gerathen, denselben über die Haltung, die er zu beobachten ge¬ dachte, einigermaßen in Kenntniß zu setzen. „Der Kaiser von Oestreich," schrieb er ihm in einem vom 19. April datirten Briefe, „hat mir soeben die Schritte mitgetheilt, welche er bei Ew. k. k. Majestät für die Rückkehr des Friedens und die Gründung eines Zustandes dauernder Ruhe in Europa gethan hat. Im Hinblick auf die Stellung Oestreichs, dessen Einfluß in diesem Augenblicke Rußland und Preußen gegenüber entscheidend sein muß, während die große Seele Ew. k. k. Majestät sich nicht den Ruhm versagen wird, durch großmüthige Mäßigung Europa beruhigt zu haben, bin ich durch diese Eröffnungen mit den süßesten Hoffnungen erfüllt worden. Gestützt auf die Güte, von welcher Sie Mir so viele Proben gegeben haben, wage ich meine Wünsche mit denen der leidenden Menschheit zu vereinigen. Ich wage vertrauensvoll zu hoffen, daß sie Ew. k. k. Majestät zu Herzen gehen und daß Sie darin nur den Ausdruck eines Verbündeten erblicken werden, der Ihnen aufrichtig zugethan ist, sowie den Ausdruck der gerechten Sorge, die mir das Heil meiner Völker einflößt. Die Uebereinstimmung in den Wünschen und der Sehnsucht, welche ich soeben Ew. k. k. Majestät ausgedrückt habe, mußte mich dem wiener Hofe nähern, welcher durch das ihn mit Frankreich vereinende Bündniß in gleicher Weise an das Interesse der gemeinsamen Sache geknüpft ist, und ich glaube nicht länger Zögern zu dürfen, mich der Einladung des Kaisers von Oestreich zufolge nach Prag zu begeben, wo ich im Stande sein werde, in größerer Nähe über das Wohl meiner augenblicklich vom Feinde überschwemmten Staaten zu wachen." „Mein Entschluß ist in diesem Augenblicke besonders durch die dringende Noth¬ wendigkeit bestimmt, mich den Grenzen Sachsens zu nähern, um zu verhindern, daß der öffentliche Geist nicht irre geführt werde, und ich glaube mir schmeicheln ZU können, dieser Schritt werde unter den geschilderten Umständen die Billigung Ew. k. k. Majestät finden, und Sie werden mir die Gesinnungen der Freund¬ schaft und des Vertrauens zu bewahren geruhen, welche ich als mein kostbarstes Gut betrachte und stets durch unveränderliche Hingebung erwidern werde." Tags- darauf reiste Friedrich August nach Linz ab, wohin Senfft ihm folgte, und wo am 24. April die geheime Convention mit Oestreich ratisicirt wurde. Zum Behuf weiterer Verständigung mit Metternich ging Senfft dann nach Wien, wo er indeß nicht ganz fand, was er wünschte; denn bald wurde ihm hier klar, daß Oestreich nicht auf Frieden hoffte, ja schon so gut wie ent¬ schieden war, am Kriege gegen Frankreich theilzunehmen, und nur zu weiteren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/439>, abgerufen am 29.06.2024.