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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Ziels unumgänglich erforderlich sind! Eilen Sie mit uns über die Mittel über¬
einzukommen, die Ihre Staaten für dieselben darbieten, und vereinigen Sie alle
Ihre Streitkräfte mit meinen und Rußlands Heeren." Es folgte dann das
Ersuchen, die sächsischen Behörden zum Verkehr mit Stein anzuweisen, der in
Sachsen mit der vorläufigen Leitung der Geschäfte betraut sei. Dann schrieb
der König: "Ew. Majestät wird es übrigens nicht befremden, daß ich die
Ländertheile (den kottbuser Kreis) wieder in Besitz nehme, die ein ungerechter,
gegen mich nicht einmal gehaltner Fricdenstractat mir abzwang und Ihnen zu¬
wendete." Nachdem der Brief dann noch um möglichst baldige Antwort gebeten,
schloß er: "Ich würde es bei der Hochachtung und den freundlichen Gesinnungen,
die ich für Ew. Majestät hege, unendlich bedauern, wenn Ihre Entschließung
mich nöthigte, Sie als einen Widersacher des edelsten Zwecks betrachten und
darnach verfahren zu müssen."

Friedrich August erwiderte dieses Schreiben am 16. April mit einem kurzen
Briefe, dessen Hauptstelle lautete: "So schmerzlich mir die neuerlich eingctretnen
Verhältnisse auch sein müssen, so schmeichle ich mir doch, daß Ew. Majestät
in meiner Handlungsweise die immer allein vorwaltende Rücksicht auf das
bleibende Wohl meiner Staaten und auf meine bestehenden Verbindlichkeiten
nicht verkennen, vielmehr derselben Gerechtigkeit widerfahren lassen werden."
In Betreff des kottbuser Kreises schwieg der König völlig. Die Verbündeten
wußten jetzt, wie sie mit ihm daran waren."

Gleichwohl fühlte man in Regensburg, aus den Berichten, die von der
Stimmung des Volkes und Heeres in Sachsen einliefen, heraus, daß sich die
bisher befolgte Politik nicht wohl mehr fortsetzen ließ, um so faßte man den
Entschluß, aufs Neue das Bündniß mit Oestreich zu suchen, um mit diesem
vereint eine neutrale Stellung einzunehmen. Man meinte es damit recht klug
einzurichten, übersah aber, daß Oestreich nicht im Ernst an Neutralität dachte,
sondern vielmehr nur die rechte Zeit abwarten wollte, um mit dem vollen Ge¬
wicht seiner Macht und im Voraus gesichertem Erfolg die Entscheidung zu geben.
Am 16. April erschien Esterhazy mit neuen Instruktionen in Regensburg, um
einen geheimen Vertrag vorzuschlagen, durch welchen sich Sachsen verpflichtete,
seine Mittel mit denen Oestreichs zu vereinigen, um dessen Bestreben nach
Wiederherstellung eines allgemeinen Friedens zu unterstützen, ferner nicht am
Kriegs als Verbündeter Frankreichs theilzunehmen, endlich über seine Festungen
nur im EinVerständniß mit Oestreich zu verfügen. Dafür gewährleistete letzteres
die Integrität Sachsens, verpflichtete sich, dem König eine angemessene Ent¬
schädigung für das Großherzogthum Warschau zu verschaffen, falls dasselbe auf¬
zugeben wäre, und versprach Sorge zu tragen, daß Erfurt. Reuß, Schwarz¬
burg, Anhalt und die sächsischen Herzogthümer der Krone Sachsen zufielen.
Außerdem verlangte der wiener Hof, daß der König sich nach Prag begäbe.


Ziels unumgänglich erforderlich sind! Eilen Sie mit uns über die Mittel über¬
einzukommen, die Ihre Staaten für dieselben darbieten, und vereinigen Sie alle
Ihre Streitkräfte mit meinen und Rußlands Heeren." Es folgte dann das
Ersuchen, die sächsischen Behörden zum Verkehr mit Stein anzuweisen, der in
Sachsen mit der vorläufigen Leitung der Geschäfte betraut sei. Dann schrieb
der König: „Ew. Majestät wird es übrigens nicht befremden, daß ich die
Ländertheile (den kottbuser Kreis) wieder in Besitz nehme, die ein ungerechter,
gegen mich nicht einmal gehaltner Fricdenstractat mir abzwang und Ihnen zu¬
wendete." Nachdem der Brief dann noch um möglichst baldige Antwort gebeten,
schloß er: „Ich würde es bei der Hochachtung und den freundlichen Gesinnungen,
die ich für Ew. Majestät hege, unendlich bedauern, wenn Ihre Entschließung
mich nöthigte, Sie als einen Widersacher des edelsten Zwecks betrachten und
darnach verfahren zu müssen."

Friedrich August erwiderte dieses Schreiben am 16. April mit einem kurzen
Briefe, dessen Hauptstelle lautete: „So schmerzlich mir die neuerlich eingctretnen
Verhältnisse auch sein müssen, so schmeichle ich mir doch, daß Ew. Majestät
in meiner Handlungsweise die immer allein vorwaltende Rücksicht auf das
bleibende Wohl meiner Staaten und auf meine bestehenden Verbindlichkeiten
nicht verkennen, vielmehr derselben Gerechtigkeit widerfahren lassen werden."
In Betreff des kottbuser Kreises schwieg der König völlig. Die Verbündeten
wußten jetzt, wie sie mit ihm daran waren."

Gleichwohl fühlte man in Regensburg, aus den Berichten, die von der
Stimmung des Volkes und Heeres in Sachsen einliefen, heraus, daß sich die
bisher befolgte Politik nicht wohl mehr fortsetzen ließ, um so faßte man den
Entschluß, aufs Neue das Bündniß mit Oestreich zu suchen, um mit diesem
vereint eine neutrale Stellung einzunehmen. Man meinte es damit recht klug
einzurichten, übersah aber, daß Oestreich nicht im Ernst an Neutralität dachte,
sondern vielmehr nur die rechte Zeit abwarten wollte, um mit dem vollen Ge¬
wicht seiner Macht und im Voraus gesichertem Erfolg die Entscheidung zu geben.
Am 16. April erschien Esterhazy mit neuen Instruktionen in Regensburg, um
einen geheimen Vertrag vorzuschlagen, durch welchen sich Sachsen verpflichtete,
seine Mittel mit denen Oestreichs zu vereinigen, um dessen Bestreben nach
Wiederherstellung eines allgemeinen Friedens zu unterstützen, ferner nicht am
Kriegs als Verbündeter Frankreichs theilzunehmen, endlich über seine Festungen
nur im EinVerständniß mit Oestreich zu verfügen. Dafür gewährleistete letzteres
die Integrität Sachsens, verpflichtete sich, dem König eine angemessene Ent¬
schädigung für das Großherzogthum Warschau zu verschaffen, falls dasselbe auf¬
zugeben wäre, und versprach Sorge zu tragen, daß Erfurt. Reuß, Schwarz¬
burg, Anhalt und die sächsischen Herzogthümer der Krone Sachsen zufielen.
Außerdem verlangte der wiener Hof, daß der König sich nach Prag begäbe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/438>, abgerufen am 29.06.2024.