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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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bundsfürsten von Frankreich zu sich herüberzuziehen. Doch auch hier vermochte
der König lange nicht zum Entschluß zu kommen. Bald nach der Ankunft des
sächsischen Hoses in Planen traf hier der östreichische Minister Fürst Esterhazy
ein und Halle eine Unterredung mit Senff!, in welcher er vorschlug, Sachsen
solle gemeinschaftlich mit Bayern und, Würtemberg bei Napoleon vorstellen,
wie wünschenswerth bei der Erschöpfung ihrer Länder und der Stimmung ihrer
Unterthanen ein Eingehen auf den vom wiener Hofe inzwischen vorgeschlagenen
Frieden sei. Friedrich August ließ hierauf die officielle Antwort ertheilen, daß
er für sich nicht unterlassen werde, dem Kaiser Napoleon seinen wiederholt
schon geäußerten Wunsch nach Frieden nochmals mitzutheilen, daß er aber be¬
sorgen müsse, die von Oestreich beantragten gemeinsamen Vorstellungen könnten
in Paris einen nachtheiligen Eindruck machen. Vertraulich aber gab sausst
dem östreichischen Minister zu verstehen, daß der sächsische Hos sich die Freund-
schaft Napoleons bewahren müsse, da auf ihr die einzige Hoffliung beruhe,
das von Rußland besetzte Großherzogthum Warschau wieder zu erlangen. Nur
wenn man in Wien dafür oder für eine Entschädigung sich verbürge, werde
ein engerer Anschluß Sachsens an Oestreich zu Stande kommen können. Fürst
Esterhazy versprach dies dem Grafen Metternich vorzutragen, und in Planen
wartete man nun weiter ab, was die Ereignisse bringen würden.

Bald traf die Nachricht von der Sprengung der dresdner Brücke ein. und
dieser Act nutzloser Barbarei wirkte so stark auf den König, daß er sofort
Thielmann in Torgau den Befehl zufertigen ließ, die Festung keinen fremden
Truppen zu öffnen und so das dort versammelte sächsische Fußvolk von den
Franzosen zu trennen.. Seine Streitkräfte mit denen der Verbündeten zu ver¬
einigen , sich mit Friedrich Wilhelm und Alexander gegen Napoleon zu verbünden,
erlaubte einerseits sein Selbstgefühl gegenüber dem Gedanken einer über ganz
Norddeutschland ausgedehnten Suprematie Preußens, andrerseits sein Respect
vor Napoleon noch immer nicht. Im Gegentheil, das Lorrücken der Spitzen
des russisch-preußischen Heeres über die Elbe bestimmte den König, seine Flucht
Weiter südlich fortzusetzen.

Er ging nach Regensburg. wo ihm bald nach seinem Eintreffen der General
Heister einen aus Breslau vom 9. April datirten Brief des Königs von
Preußen überbrachte, in welchem ihm derselbe nochmals die Pflicht ans Herz
legte, sich dem Kampfe gegen Napoleon anzuschließen. "Von jedem deutschen
Fürsten/' hieß es in diesem Schreiben, läßt sich erwarten, daß er begierig die
gewiß nie wiederkehrende Gelegenheit ergreifen werde, die ihm aufgcdrungnen
französischen Fesseln zu zerbrechen und einfach abzuschütteln, welche unser sonst
so blühendes, so geachtetes Vaterland in Elend und Verachtung gestürzt hat."
^ "Entsprechen Ew. Majestät mit mir den Wünschen unsrer Völker, befördern
Sie jede der vorübergehenden Maßregeln, die zur Erreichung des großen


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bundsfürsten von Frankreich zu sich herüberzuziehen. Doch auch hier vermochte
der König lange nicht zum Entschluß zu kommen. Bald nach der Ankunft des
sächsischen Hoses in Planen traf hier der östreichische Minister Fürst Esterhazy
ein und Halle eine Unterredung mit Senff!, in welcher er vorschlug, Sachsen
solle gemeinschaftlich mit Bayern und, Würtemberg bei Napoleon vorstellen,
wie wünschenswerth bei der Erschöpfung ihrer Länder und der Stimmung ihrer
Unterthanen ein Eingehen auf den vom wiener Hofe inzwischen vorgeschlagenen
Frieden sei. Friedrich August ließ hierauf die officielle Antwort ertheilen, daß
er für sich nicht unterlassen werde, dem Kaiser Napoleon seinen wiederholt
schon geäußerten Wunsch nach Frieden nochmals mitzutheilen, daß er aber be¬
sorgen müsse, die von Oestreich beantragten gemeinsamen Vorstellungen könnten
in Paris einen nachtheiligen Eindruck machen. Vertraulich aber gab sausst
dem östreichischen Minister zu verstehen, daß der sächsische Hos sich die Freund-
schaft Napoleons bewahren müsse, da auf ihr die einzige Hoffliung beruhe,
das von Rußland besetzte Großherzogthum Warschau wieder zu erlangen. Nur
wenn man in Wien dafür oder für eine Entschädigung sich verbürge, werde
ein engerer Anschluß Sachsens an Oestreich zu Stande kommen können. Fürst
Esterhazy versprach dies dem Grafen Metternich vorzutragen, und in Planen
wartete man nun weiter ab, was die Ereignisse bringen würden.

Bald traf die Nachricht von der Sprengung der dresdner Brücke ein. und
dieser Act nutzloser Barbarei wirkte so stark auf den König, daß er sofort
Thielmann in Torgau den Befehl zufertigen ließ, die Festung keinen fremden
Truppen zu öffnen und so das dort versammelte sächsische Fußvolk von den
Franzosen zu trennen.. Seine Streitkräfte mit denen der Verbündeten zu ver¬
einigen , sich mit Friedrich Wilhelm und Alexander gegen Napoleon zu verbünden,
erlaubte einerseits sein Selbstgefühl gegenüber dem Gedanken einer über ganz
Norddeutschland ausgedehnten Suprematie Preußens, andrerseits sein Respect
vor Napoleon noch immer nicht. Im Gegentheil, das Lorrücken der Spitzen
des russisch-preußischen Heeres über die Elbe bestimmte den König, seine Flucht
Weiter südlich fortzusetzen.

Er ging nach Regensburg. wo ihm bald nach seinem Eintreffen der General
Heister einen aus Breslau vom 9. April datirten Brief des Königs von
Preußen überbrachte, in welchem ihm derselbe nochmals die Pflicht ans Herz
legte, sich dem Kampfe gegen Napoleon anzuschließen. „Von jedem deutschen
Fürsten/' hieß es in diesem Schreiben, läßt sich erwarten, daß er begierig die
gewiß nie wiederkehrende Gelegenheit ergreifen werde, die ihm aufgcdrungnen
französischen Fesseln zu zerbrechen und einfach abzuschütteln, welche unser sonst
so blühendes, so geachtetes Vaterland in Elend und Verachtung gestürzt hat."
^ „Entsprechen Ew. Majestät mit mir den Wünschen unsrer Völker, befördern
Sie jede der vorübergehenden Maßregeln, die zur Erreichung des großen


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[0437] bundsfürsten von Frankreich zu sich herüberzuziehen. Doch auch hier vermochte der König lange nicht zum Entschluß zu kommen. Bald nach der Ankunft des sächsischen Hoses in Planen traf hier der östreichische Minister Fürst Esterhazy ein und Halle eine Unterredung mit Senff!, in welcher er vorschlug, Sachsen solle gemeinschaftlich mit Bayern und, Würtemberg bei Napoleon vorstellen, wie wünschenswerth bei der Erschöpfung ihrer Länder und der Stimmung ihrer Unterthanen ein Eingehen auf den vom wiener Hofe inzwischen vorgeschlagenen Frieden sei. Friedrich August ließ hierauf die officielle Antwort ertheilen, daß er für sich nicht unterlassen werde, dem Kaiser Napoleon seinen wiederholt schon geäußerten Wunsch nach Frieden nochmals mitzutheilen, daß er aber be¬ sorgen müsse, die von Oestreich beantragten gemeinsamen Vorstellungen könnten in Paris einen nachtheiligen Eindruck machen. Vertraulich aber gab sausst dem östreichischen Minister zu verstehen, daß der sächsische Hos sich die Freund- schaft Napoleons bewahren müsse, da auf ihr die einzige Hoffliung beruhe, das von Rußland besetzte Großherzogthum Warschau wieder zu erlangen. Nur wenn man in Wien dafür oder für eine Entschädigung sich verbürge, werde ein engerer Anschluß Sachsens an Oestreich zu Stande kommen können. Fürst Esterhazy versprach dies dem Grafen Metternich vorzutragen, und in Planen wartete man nun weiter ab, was die Ereignisse bringen würden. Bald traf die Nachricht von der Sprengung der dresdner Brücke ein. und dieser Act nutzloser Barbarei wirkte so stark auf den König, daß er sofort Thielmann in Torgau den Befehl zufertigen ließ, die Festung keinen fremden Truppen zu öffnen und so das dort versammelte sächsische Fußvolk von den Franzosen zu trennen.. Seine Streitkräfte mit denen der Verbündeten zu ver¬ einigen , sich mit Friedrich Wilhelm und Alexander gegen Napoleon zu verbünden, erlaubte einerseits sein Selbstgefühl gegenüber dem Gedanken einer über ganz Norddeutschland ausgedehnten Suprematie Preußens, andrerseits sein Respect vor Napoleon noch immer nicht. Im Gegentheil, das Lorrücken der Spitzen des russisch-preußischen Heeres über die Elbe bestimmte den König, seine Flucht Weiter südlich fortzusetzen. Er ging nach Regensburg. wo ihm bald nach seinem Eintreffen der General Heister einen aus Breslau vom 9. April datirten Brief des Königs von Preußen überbrachte, in welchem ihm derselbe nochmals die Pflicht ans Herz legte, sich dem Kampfe gegen Napoleon anzuschließen. „Von jedem deutschen Fürsten/' hieß es in diesem Schreiben, läßt sich erwarten, daß er begierig die gewiß nie wiederkehrende Gelegenheit ergreifen werde, die ihm aufgcdrungnen französischen Fesseln zu zerbrechen und einfach abzuschütteln, welche unser sonst so blühendes, so geachtetes Vaterland in Elend und Verachtung gestürzt hat." ^ „Entsprechen Ew. Majestät mit mir den Wünschen unsrer Völker, befördern Sie jede der vorübergehenden Maßregeln, die zur Erreichung des großen S2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/437>, abgerufen am 28.09.2024.