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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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schlössen haben (dem Rheinbunde unter Napoelons Protection) verdankt der
Staat allein in diesem Zeitraum seine Erhaltung bei den drohenden Gefahren.
Treu unsern Bundesverpflichtungen, vertrauen wir auch dermalen mit Zuver¬
sicht auf den glücklichen Erfolg, welchen uns, wenn auch unsre auf Herstellung
des Friedens gerichteten Wünsche noch zur Zeit unerfüllt bleiben sollten, die
Unterstützung unseres großen Alliirten. der thätige Beistand der Verbündeten
Mächte (des Rheinbundes) und die erprobte Tapferkeit unsrer mit Ruhm be¬
deckten Krieger im Kampfe für das Vaterland verspricht."

Seiner Infanterie gebot der König sich in die Festung Torgau zurückzu¬
ziehen, deren Oberbefehl der General Thielmann mit der Weisung erhielt, sich
dem französischen General Reynier zur Verfügung zu stellen. Seine Kunst¬
schätze schickte er auf die Bergfeste Königstein. Dann salvirte er sich mit seiner
Familie am 25. Februar nach Plauen im Voigtlande. Die Minister, der Staats¬
schatz und die Juwelen des grünen Gewölbes begleiteten ihn. Auch zwei Reiter¬
regimenter und einige Artillerie zogen mit ihm.

"Es war ein beredter Gegensatz der alten und der neuen Zeit," sagt
Hauffer. "Dort in Preußen begab sich der König mit seinem ganzen Hause
ins Lager, das die gesammte Jugend- und Manneskraft, den Fürsten neben
dem Bauernsöhne vereinigte, bereit einen Krieg zu beginnen, dem alle ihre
letzten Kräfte und Mittel zutrugen, einen Krieg so ungeheurer Art. daß, wenn
der Sieg nicht erfochten ward, nichts als der Untergang übrigblieb. Und hier
Ward das Land dem Spiel des Zufalls überlassen; wer der Stärkere war,
dem gehörte es, indeß der König, mit Gold und Juwelen schwer bepackt, das
Weite suchte, bis die Fluth verlaufen war."

Jetzt begann der Krieg. Als die Verbündeten sich in der zweiten Woche
des März Dresden zu nähern begannen, schickte Reynier sich an, einen Pfeiler
der dortigen Elbbrücke in die Luft zu sprengen. Das Volk rottete sich zu¬
sammen, unterbrach die Arbeiten und schrie vor der Wohnung des Generals
"die Franzosen fort!" Reynier war zu schwach, diesen Widerstand zu brechen.
Als aber einige Tage darauf Davoust mit Verstärkungen eintraf, kehrte den
Dresdnern die langgewohnte Unterwürfigkeit zurück, und als am 18. März die
ersten Kosaken am rechten Ufer der Eibe sich zeigten, ließ der Marschall am nächsten
Tage die unter der Brücke angelegten Minen springen. Am 26. räumten die
letzten Truppen Napoleons -- es waren rheinbündlerische -- die Stadt, und
Tags darauf rückte Wintzingerode mit seinen Kosaken, am 30. Blücher in die
sächsische Residenz ein.

Noch immer hoffte man im Lager der Verbündeten, daß es gelingen werde,
Sachsen friedlich zu sich herüberzuziehen, und noch immer handelte man dar¬
nach. In einer Ansprache, die Blücher an das sächsische Volk richtete, um
dasselbe zum Anschluß an die Sache der Alliirten aufzurufen, hieß es sogar,


Grenzboten II. 186S. 62

schlössen haben (dem Rheinbunde unter Napoelons Protection) verdankt der
Staat allein in diesem Zeitraum seine Erhaltung bei den drohenden Gefahren.
Treu unsern Bundesverpflichtungen, vertrauen wir auch dermalen mit Zuver¬
sicht auf den glücklichen Erfolg, welchen uns, wenn auch unsre auf Herstellung
des Friedens gerichteten Wünsche noch zur Zeit unerfüllt bleiben sollten, die
Unterstützung unseres großen Alliirten. der thätige Beistand der Verbündeten
Mächte (des Rheinbundes) und die erprobte Tapferkeit unsrer mit Ruhm be¬
deckten Krieger im Kampfe für das Vaterland verspricht."

Seiner Infanterie gebot der König sich in die Festung Torgau zurückzu¬
ziehen, deren Oberbefehl der General Thielmann mit der Weisung erhielt, sich
dem französischen General Reynier zur Verfügung zu stellen. Seine Kunst¬
schätze schickte er auf die Bergfeste Königstein. Dann salvirte er sich mit seiner
Familie am 25. Februar nach Plauen im Voigtlande. Die Minister, der Staats¬
schatz und die Juwelen des grünen Gewölbes begleiteten ihn. Auch zwei Reiter¬
regimenter und einige Artillerie zogen mit ihm.

„Es war ein beredter Gegensatz der alten und der neuen Zeit," sagt
Hauffer. „Dort in Preußen begab sich der König mit seinem ganzen Hause
ins Lager, das die gesammte Jugend- und Manneskraft, den Fürsten neben
dem Bauernsöhne vereinigte, bereit einen Krieg zu beginnen, dem alle ihre
letzten Kräfte und Mittel zutrugen, einen Krieg so ungeheurer Art. daß, wenn
der Sieg nicht erfochten ward, nichts als der Untergang übrigblieb. Und hier
Ward das Land dem Spiel des Zufalls überlassen; wer der Stärkere war,
dem gehörte es, indeß der König, mit Gold und Juwelen schwer bepackt, das
Weite suchte, bis die Fluth verlaufen war."

Jetzt begann der Krieg. Als die Verbündeten sich in der zweiten Woche
des März Dresden zu nähern begannen, schickte Reynier sich an, einen Pfeiler
der dortigen Elbbrücke in die Luft zu sprengen. Das Volk rottete sich zu¬
sammen, unterbrach die Arbeiten und schrie vor der Wohnung des Generals
»die Franzosen fort!" Reynier war zu schwach, diesen Widerstand zu brechen.
Als aber einige Tage darauf Davoust mit Verstärkungen eintraf, kehrte den
Dresdnern die langgewohnte Unterwürfigkeit zurück, und als am 18. März die
ersten Kosaken am rechten Ufer der Eibe sich zeigten, ließ der Marschall am nächsten
Tage die unter der Brücke angelegten Minen springen. Am 26. räumten die
letzten Truppen Napoleons — es waren rheinbündlerische — die Stadt, und
Tags darauf rückte Wintzingerode mit seinen Kosaken, am 30. Blücher in die
sächsische Residenz ein.

Noch immer hoffte man im Lager der Verbündeten, daß es gelingen werde,
Sachsen friedlich zu sich herüberzuziehen, und noch immer handelte man dar¬
nach. In einer Ansprache, die Blücher an das sächsische Volk richtete, um
dasselbe zum Anschluß an die Sache der Alliirten aufzurufen, hieß es sogar,


Grenzboten II. 186S. 62
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[0435] schlössen haben (dem Rheinbunde unter Napoelons Protection) verdankt der Staat allein in diesem Zeitraum seine Erhaltung bei den drohenden Gefahren. Treu unsern Bundesverpflichtungen, vertrauen wir auch dermalen mit Zuver¬ sicht auf den glücklichen Erfolg, welchen uns, wenn auch unsre auf Herstellung des Friedens gerichteten Wünsche noch zur Zeit unerfüllt bleiben sollten, die Unterstützung unseres großen Alliirten. der thätige Beistand der Verbündeten Mächte (des Rheinbundes) und die erprobte Tapferkeit unsrer mit Ruhm be¬ deckten Krieger im Kampfe für das Vaterland verspricht." Seiner Infanterie gebot der König sich in die Festung Torgau zurückzu¬ ziehen, deren Oberbefehl der General Thielmann mit der Weisung erhielt, sich dem französischen General Reynier zur Verfügung zu stellen. Seine Kunst¬ schätze schickte er auf die Bergfeste Königstein. Dann salvirte er sich mit seiner Familie am 25. Februar nach Plauen im Voigtlande. Die Minister, der Staats¬ schatz und die Juwelen des grünen Gewölbes begleiteten ihn. Auch zwei Reiter¬ regimenter und einige Artillerie zogen mit ihm. „Es war ein beredter Gegensatz der alten und der neuen Zeit," sagt Hauffer. „Dort in Preußen begab sich der König mit seinem ganzen Hause ins Lager, das die gesammte Jugend- und Manneskraft, den Fürsten neben dem Bauernsöhne vereinigte, bereit einen Krieg zu beginnen, dem alle ihre letzten Kräfte und Mittel zutrugen, einen Krieg so ungeheurer Art. daß, wenn der Sieg nicht erfochten ward, nichts als der Untergang übrigblieb. Und hier Ward das Land dem Spiel des Zufalls überlassen; wer der Stärkere war, dem gehörte es, indeß der König, mit Gold und Juwelen schwer bepackt, das Weite suchte, bis die Fluth verlaufen war." Jetzt begann der Krieg. Als die Verbündeten sich in der zweiten Woche des März Dresden zu nähern begannen, schickte Reynier sich an, einen Pfeiler der dortigen Elbbrücke in die Luft zu sprengen. Das Volk rottete sich zu¬ sammen, unterbrach die Arbeiten und schrie vor der Wohnung des Generals »die Franzosen fort!" Reynier war zu schwach, diesen Widerstand zu brechen. Als aber einige Tage darauf Davoust mit Verstärkungen eintraf, kehrte den Dresdnern die langgewohnte Unterwürfigkeit zurück, und als am 18. März die ersten Kosaken am rechten Ufer der Eibe sich zeigten, ließ der Marschall am nächsten Tage die unter der Brücke angelegten Minen springen. Am 26. räumten die letzten Truppen Napoleons — es waren rheinbündlerische — die Stadt, und Tags darauf rückte Wintzingerode mit seinen Kosaken, am 30. Blücher in die sächsische Residenz ein. Noch immer hoffte man im Lager der Verbündeten, daß es gelingen werde, Sachsen friedlich zu sich herüberzuziehen, und noch immer handelte man dar¬ nach. In einer Ansprache, die Blücher an das sächsische Volk richtete, um dasselbe zum Anschluß an die Sache der Alliirten aufzurufen, hieß es sogar, Grenzboten II. 186S. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/435>, abgerufen am 29.06.2024.