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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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gurgelten, nicht unähnlich dem anhaltenden Meckern der Ziegen. Bogen und
Pfeile, auch Lanzen, Messer, Schleudern und verschiedene Eisenstücke hingen und
logen zerstreut zwischen den Pfählen umher, die Kochgeschirre bestanden aus
gebrannten Thvntöpfen. ganz in der Art der allgemein landesgebräuchlichen
Olla. Das schwarze straffe Haar war bei Männern und Frauen in gleicher
Weise rund um den Kops weggeschnitten und verdeckte die niedere Stirn und
die Schläfe bis an die Augenbrauen; die Backenknochen standen breit aus
dem Gesicht hervor und Verschatteten das tiefliegende dunkle, melancholisch
blickende Auge. Der breite Mund schien jener vielseitigen Beweglichkeit und
Ausdrucksweise, welche die Lippen des weißen und civilisirten Menschen so
sinnreich bedeutungsvoll umspielt, unfähig' und verzog sich, wenn er nicht
schweigsam geschlossen war, einzig und allein zu wildem Gelächter. Ein Lächeln
besaß er nicht; die großen weißen, vollständigen Zähne hinter den farblosen
Lippen schienen jedes Eisen ersetzen zu können. Die Haut war rostbraun, im
Gesichte selbst der Alten nur wenig gefaltet. Das Gesicht des Weibes war
>n Ausdruck und Form vollständig männlich, desgleichen sein Wuchs, seine
straffen Glieder und seine Haltung; aber sein Gang war gravitätischer und lang¬
samer, als der des leichten, schleichenden, vogelbehenden Mannes.

Nur auf unsre Tauschwaarcn. als sie aus dem Sacke hervorgeholt wurden,
warfen die Frauen einen verschlingenden Blick, in dem sich das hungrige, nackte
Elend ihres jammervollen Lebens deutlich widerspiegelte. Den Fischen, einer
Lieblingsspeise der Indianer, wurde auch von unserer Seite der Vorzug gegeben
und mehre Bündel derselben gegen einige Pfunde Salz eingetauscht. Nach schließ-
licher Zurückweisung der übrigen Fische und des Fleisches brachten sie ihre kleinen
Hängemaltten, ja selbst die für sie unentbehrlichen, für uns aber werthlosen Bogen,
Pfeile, Hiebwaffen, Schleudern. Bastgcflechte und tgi. mehr herbei, um nur in den
Besitz des Zuckers, namentlich aber des Branntweins zu gelangen. K. nahm einige
Hängematten und Netze, die andern Dinge aber wurden zurückgewiesen. Ich bemerkte,
daß der blaue Gummigurt mit blankem Messingschloß, an dem ich mein Hüftmesser
trug, außerordentliches Wohlgefallen bei einem der stämmigsten und. wie es schien,
unter seinen Genossen besonders viel geltenden Indianers erregte. Deshalb zog
us schnell das Seitenmesser von dem Gurte ab und übertrug diesen von meiner
Hüfte auf den baumwollner Schurz des lüsternen Wilden, ihm zugleich be¬
deutend, mir dagegen den Bogen und den Pfeil, den er in der Hand hielt,
abzutreten. Mit kindischer Freude sprang er tanzend und jauchzend umher,
beschaute sich entzückt von allen Seiten und ging wie ein gekrönter Trium.
Pbator in dem Kreise der Seinigen auf und ab. während ich in dem Besitze seiner
Waffen blieb, nicht weniger wie er über meinen kostbaren Schatz erfreut, der
mir dereinst eine heilige Reliquie der Lehr- und Wanderjahre meines vielbe¬
wegten amerikanischen Lebens sein mußte.


Lo*

gurgelten, nicht unähnlich dem anhaltenden Meckern der Ziegen. Bogen und
Pfeile, auch Lanzen, Messer, Schleudern und verschiedene Eisenstücke hingen und
logen zerstreut zwischen den Pfählen umher, die Kochgeschirre bestanden aus
gebrannten Thvntöpfen. ganz in der Art der allgemein landesgebräuchlichen
Olla. Das schwarze straffe Haar war bei Männern und Frauen in gleicher
Weise rund um den Kops weggeschnitten und verdeckte die niedere Stirn und
die Schläfe bis an die Augenbrauen; die Backenknochen standen breit aus
dem Gesicht hervor und Verschatteten das tiefliegende dunkle, melancholisch
blickende Auge. Der breite Mund schien jener vielseitigen Beweglichkeit und
Ausdrucksweise, welche die Lippen des weißen und civilisirten Menschen so
sinnreich bedeutungsvoll umspielt, unfähig' und verzog sich, wenn er nicht
schweigsam geschlossen war, einzig und allein zu wildem Gelächter. Ein Lächeln
besaß er nicht; die großen weißen, vollständigen Zähne hinter den farblosen
Lippen schienen jedes Eisen ersetzen zu können. Die Haut war rostbraun, im
Gesichte selbst der Alten nur wenig gefaltet. Das Gesicht des Weibes war
>n Ausdruck und Form vollständig männlich, desgleichen sein Wuchs, seine
straffen Glieder und seine Haltung; aber sein Gang war gravitätischer und lang¬
samer, als der des leichten, schleichenden, vogelbehenden Mannes.

Nur auf unsre Tauschwaarcn. als sie aus dem Sacke hervorgeholt wurden,
warfen die Frauen einen verschlingenden Blick, in dem sich das hungrige, nackte
Elend ihres jammervollen Lebens deutlich widerspiegelte. Den Fischen, einer
Lieblingsspeise der Indianer, wurde auch von unserer Seite der Vorzug gegeben
und mehre Bündel derselben gegen einige Pfunde Salz eingetauscht. Nach schließ-
licher Zurückweisung der übrigen Fische und des Fleisches brachten sie ihre kleinen
Hängemaltten, ja selbst die für sie unentbehrlichen, für uns aber werthlosen Bogen,
Pfeile, Hiebwaffen, Schleudern. Bastgcflechte und tgi. mehr herbei, um nur in den
Besitz des Zuckers, namentlich aber des Branntweins zu gelangen. K. nahm einige
Hängematten und Netze, die andern Dinge aber wurden zurückgewiesen. Ich bemerkte,
daß der blaue Gummigurt mit blankem Messingschloß, an dem ich mein Hüftmesser
trug, außerordentliches Wohlgefallen bei einem der stämmigsten und. wie es schien,
unter seinen Genossen besonders viel geltenden Indianers erregte. Deshalb zog
us schnell das Seitenmesser von dem Gurte ab und übertrug diesen von meiner
Hüfte auf den baumwollner Schurz des lüsternen Wilden, ihm zugleich be¬
deutend, mir dagegen den Bogen und den Pfeil, den er in der Hand hielt,
abzutreten. Mit kindischer Freude sprang er tanzend und jauchzend umher,
beschaute sich entzückt von allen Seiten und ging wie ein gekrönter Trium.
Pbator in dem Kreise der Seinigen auf und ab. während ich in dem Besitze seiner
Waffen blieb, nicht weniger wie er über meinen kostbaren Schatz erfreut, der
mir dereinst eine heilige Reliquie der Lehr- und Wanderjahre meines vielbe¬
wegten amerikanischen Lebens sein mußte.


Lo*
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[0419] gurgelten, nicht unähnlich dem anhaltenden Meckern der Ziegen. Bogen und Pfeile, auch Lanzen, Messer, Schleudern und verschiedene Eisenstücke hingen und logen zerstreut zwischen den Pfählen umher, die Kochgeschirre bestanden aus gebrannten Thvntöpfen. ganz in der Art der allgemein landesgebräuchlichen Olla. Das schwarze straffe Haar war bei Männern und Frauen in gleicher Weise rund um den Kops weggeschnitten und verdeckte die niedere Stirn und die Schläfe bis an die Augenbrauen; die Backenknochen standen breit aus dem Gesicht hervor und Verschatteten das tiefliegende dunkle, melancholisch blickende Auge. Der breite Mund schien jener vielseitigen Beweglichkeit und Ausdrucksweise, welche die Lippen des weißen und civilisirten Menschen so sinnreich bedeutungsvoll umspielt, unfähig' und verzog sich, wenn er nicht schweigsam geschlossen war, einzig und allein zu wildem Gelächter. Ein Lächeln besaß er nicht; die großen weißen, vollständigen Zähne hinter den farblosen Lippen schienen jedes Eisen ersetzen zu können. Die Haut war rostbraun, im Gesichte selbst der Alten nur wenig gefaltet. Das Gesicht des Weibes war >n Ausdruck und Form vollständig männlich, desgleichen sein Wuchs, seine straffen Glieder und seine Haltung; aber sein Gang war gravitätischer und lang¬ samer, als der des leichten, schleichenden, vogelbehenden Mannes. Nur auf unsre Tauschwaarcn. als sie aus dem Sacke hervorgeholt wurden, warfen die Frauen einen verschlingenden Blick, in dem sich das hungrige, nackte Elend ihres jammervollen Lebens deutlich widerspiegelte. Den Fischen, einer Lieblingsspeise der Indianer, wurde auch von unserer Seite der Vorzug gegeben und mehre Bündel derselben gegen einige Pfunde Salz eingetauscht. Nach schließ- licher Zurückweisung der übrigen Fische und des Fleisches brachten sie ihre kleinen Hängemaltten, ja selbst die für sie unentbehrlichen, für uns aber werthlosen Bogen, Pfeile, Hiebwaffen, Schleudern. Bastgcflechte und tgi. mehr herbei, um nur in den Besitz des Zuckers, namentlich aber des Branntweins zu gelangen. K. nahm einige Hängematten und Netze, die andern Dinge aber wurden zurückgewiesen. Ich bemerkte, daß der blaue Gummigurt mit blankem Messingschloß, an dem ich mein Hüftmesser trug, außerordentliches Wohlgefallen bei einem der stämmigsten und. wie es schien, unter seinen Genossen besonders viel geltenden Indianers erregte. Deshalb zog us schnell das Seitenmesser von dem Gurte ab und übertrug diesen von meiner Hüfte auf den baumwollner Schurz des lüsternen Wilden, ihm zugleich be¬ deutend, mir dagegen den Bogen und den Pfeil, den er in der Hand hielt, abzutreten. Mit kindischer Freude sprang er tanzend und jauchzend umher, beschaute sich entzückt von allen Seiten und ging wie ein gekrönter Trium. Pbator in dem Kreise der Seinigen auf und ab. während ich in dem Besitze seiner Waffen blieb, nicht weniger wie er über meinen kostbaren Schatz erfreut, der mir dereinst eine heilige Reliquie der Lehr- und Wanderjahre meines vielbe¬ wegten amerikanischen Lebens sein mußte. Lo*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/419>, abgerufen am 29.06.2024.