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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Trunkenheit. Je mehr man ihnen gab. desto mehr weckte man ihre Habsucht
und Begierde, und so mußte der rothe Drache ihnen endlich kurz und energisch
erklären, daß wir ihr Wildpret nicht kaufen und überhaupt in unserm Lager
nicht weiter mit ihnen handeln würden; wenn sie aber wollten, so würden
wir in gleicher Stärke wie sie und bewaffnet mit ihnen nach ihrem Lager zu¬
rückkehren und dort so viel, als wir vertauschen wollten, mit uns nehmen. Es
wurden somit eine Kleinigkeit Salz und Zucker, zwei Flaschen Branntwein und
ein Aland Mais in einen Sack gethan, und bis an die Zähne bewaffnet be¬
gaben wir uns damit unter die Termitenhaufen der Indianer.

Ein wildes, unheimliches Geheul, das in den Weiberstimmen des Lagers
wiederum sein Echo fand, meldete unsre Ankunft an. Wieder wurden mimische
Versicherungen des Friedens und Vertrauens gegenseitig ausgetauscht, doch
schlossen wir uns vorsichtig dicht aneinander, denn die Zahl der Weiber war
zwei- bis dreifach so stark als die der Männer, und wenn auch keine besonders
jugendlichen darunter waren, so standen sie doch keineswegs im wehrlosen
Alter, und ihre straffen, muskulösen Arme und ihre finstern Blicke unter den
schwarz und wollbuschig umhaarten Stirnen flößten durchaus leine Beruhigung
ein. Anscheinend wurden wir mit großer Verachtung empfangen und kaum
eines neugierigen oder bewundernden Blickes gewürdigt; obschon wir ihnen eine
ebenso fremdartige Erscheinung sein mußten, wie sie uns. sprach aus ihrem ganzen
Wesen eine unbegreifliche, ja stupide Theilnahmlosigkeit. Sollte der sklavische
Druck, der auf dem Weibe des Indianers lastet, das Geschlecht so vollständig
geistig abgestumpft haben? Oder ist diese starre Empfindungslosigkeit allen
fremdartigen Eindrücken gegenüber eine Eigenthümlichkeit des Racencharaktcrs?

Düster kauerten ihrer mehrere vor den halb mit Gebüsch bedeckten Spitz¬
hütten nieder, unbeweglich nach einer andern Gruppe hinüberstarrend, die eben¬
so schweigsam um ein halbverloschens Kohlenfeuer hockte, auf dem einige
Fische und Wurzelstücke ausgebreitet lagen. Andere gingen schweigsam und
langsam, gravitätisch in der weiten schmutzigen Tunika aus grobem Baum¬
wollstoffe von einem Ramado zum andern und erhoben den finster vor sich hin
geworfenen Blick kaum einmal vom Boden. Wieder andere, stumm den Be¬
fehlen ihrer Gebieter gehorchend, schritten ohne eine Miene zu verziehen dicht
an uns vorüber und wehrten die frivolen Glossen und Gesten der Unsern
nur mit mürrisch und bösartig verzerrten Gesichtern ab; nur einige der jünger"
Frauen mit unbedecktem Busen und kürzerer Tunika warfen einige verstohlene
und nicht ganz so starr ehrbare Blicke zu den fremden Ankömmlingen hinüber
In jeder Spitzhütte war zwischen dem kleinen, schmalen Baugerüste eine Hänge¬
matte dicht über dem Boden ausgespannt, auf der Binsenmatten und blutige
Häute ausgebreitet lagen. In einigen Hängematten schaukelten sich rund zu¬
sammengekugelte menschliche Gestalten, die eine Art von Gesang vor sich hin-


Trunkenheit. Je mehr man ihnen gab. desto mehr weckte man ihre Habsucht
und Begierde, und so mußte der rothe Drache ihnen endlich kurz und energisch
erklären, daß wir ihr Wildpret nicht kaufen und überhaupt in unserm Lager
nicht weiter mit ihnen handeln würden; wenn sie aber wollten, so würden
wir in gleicher Stärke wie sie und bewaffnet mit ihnen nach ihrem Lager zu¬
rückkehren und dort so viel, als wir vertauschen wollten, mit uns nehmen. Es
wurden somit eine Kleinigkeit Salz und Zucker, zwei Flaschen Branntwein und
ein Aland Mais in einen Sack gethan, und bis an die Zähne bewaffnet be¬
gaben wir uns damit unter die Termitenhaufen der Indianer.

Ein wildes, unheimliches Geheul, das in den Weiberstimmen des Lagers
wiederum sein Echo fand, meldete unsre Ankunft an. Wieder wurden mimische
Versicherungen des Friedens und Vertrauens gegenseitig ausgetauscht, doch
schlossen wir uns vorsichtig dicht aneinander, denn die Zahl der Weiber war
zwei- bis dreifach so stark als die der Männer, und wenn auch keine besonders
jugendlichen darunter waren, so standen sie doch keineswegs im wehrlosen
Alter, und ihre straffen, muskulösen Arme und ihre finstern Blicke unter den
schwarz und wollbuschig umhaarten Stirnen flößten durchaus leine Beruhigung
ein. Anscheinend wurden wir mit großer Verachtung empfangen und kaum
eines neugierigen oder bewundernden Blickes gewürdigt; obschon wir ihnen eine
ebenso fremdartige Erscheinung sein mußten, wie sie uns. sprach aus ihrem ganzen
Wesen eine unbegreifliche, ja stupide Theilnahmlosigkeit. Sollte der sklavische
Druck, der auf dem Weibe des Indianers lastet, das Geschlecht so vollständig
geistig abgestumpft haben? Oder ist diese starre Empfindungslosigkeit allen
fremdartigen Eindrücken gegenüber eine Eigenthümlichkeit des Racencharaktcrs?

Düster kauerten ihrer mehrere vor den halb mit Gebüsch bedeckten Spitz¬
hütten nieder, unbeweglich nach einer andern Gruppe hinüberstarrend, die eben¬
so schweigsam um ein halbverloschens Kohlenfeuer hockte, auf dem einige
Fische und Wurzelstücke ausgebreitet lagen. Andere gingen schweigsam und
langsam, gravitätisch in der weiten schmutzigen Tunika aus grobem Baum¬
wollstoffe von einem Ramado zum andern und erhoben den finster vor sich hin
geworfenen Blick kaum einmal vom Boden. Wieder andere, stumm den Be¬
fehlen ihrer Gebieter gehorchend, schritten ohne eine Miene zu verziehen dicht
an uns vorüber und wehrten die frivolen Glossen und Gesten der Unsern
nur mit mürrisch und bösartig verzerrten Gesichtern ab; nur einige der jünger«
Frauen mit unbedecktem Busen und kürzerer Tunika warfen einige verstohlene
und nicht ganz so starr ehrbare Blicke zu den fremden Ankömmlingen hinüber
In jeder Spitzhütte war zwischen dem kleinen, schmalen Baugerüste eine Hänge¬
matte dicht über dem Boden ausgespannt, auf der Binsenmatten und blutige
Häute ausgebreitet lagen. In einigen Hängematten schaukelten sich rund zu¬
sammengekugelte menschliche Gestalten, die eine Art von Gesang vor sich hin-


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[0418] Trunkenheit. Je mehr man ihnen gab. desto mehr weckte man ihre Habsucht und Begierde, und so mußte der rothe Drache ihnen endlich kurz und energisch erklären, daß wir ihr Wildpret nicht kaufen und überhaupt in unserm Lager nicht weiter mit ihnen handeln würden; wenn sie aber wollten, so würden wir in gleicher Stärke wie sie und bewaffnet mit ihnen nach ihrem Lager zu¬ rückkehren und dort so viel, als wir vertauschen wollten, mit uns nehmen. Es wurden somit eine Kleinigkeit Salz und Zucker, zwei Flaschen Branntwein und ein Aland Mais in einen Sack gethan, und bis an die Zähne bewaffnet be¬ gaben wir uns damit unter die Termitenhaufen der Indianer. Ein wildes, unheimliches Geheul, das in den Weiberstimmen des Lagers wiederum sein Echo fand, meldete unsre Ankunft an. Wieder wurden mimische Versicherungen des Friedens und Vertrauens gegenseitig ausgetauscht, doch schlossen wir uns vorsichtig dicht aneinander, denn die Zahl der Weiber war zwei- bis dreifach so stark als die der Männer, und wenn auch keine besonders jugendlichen darunter waren, so standen sie doch keineswegs im wehrlosen Alter, und ihre straffen, muskulösen Arme und ihre finstern Blicke unter den schwarz und wollbuschig umhaarten Stirnen flößten durchaus leine Beruhigung ein. Anscheinend wurden wir mit großer Verachtung empfangen und kaum eines neugierigen oder bewundernden Blickes gewürdigt; obschon wir ihnen eine ebenso fremdartige Erscheinung sein mußten, wie sie uns. sprach aus ihrem ganzen Wesen eine unbegreifliche, ja stupide Theilnahmlosigkeit. Sollte der sklavische Druck, der auf dem Weibe des Indianers lastet, das Geschlecht so vollständig geistig abgestumpft haben? Oder ist diese starre Empfindungslosigkeit allen fremdartigen Eindrücken gegenüber eine Eigenthümlichkeit des Racencharaktcrs? Düster kauerten ihrer mehrere vor den halb mit Gebüsch bedeckten Spitz¬ hütten nieder, unbeweglich nach einer andern Gruppe hinüberstarrend, die eben¬ so schweigsam um ein halbverloschens Kohlenfeuer hockte, auf dem einige Fische und Wurzelstücke ausgebreitet lagen. Andere gingen schweigsam und langsam, gravitätisch in der weiten schmutzigen Tunika aus grobem Baum¬ wollstoffe von einem Ramado zum andern und erhoben den finster vor sich hin geworfenen Blick kaum einmal vom Boden. Wieder andere, stumm den Be¬ fehlen ihrer Gebieter gehorchend, schritten ohne eine Miene zu verziehen dicht an uns vorüber und wehrten die frivolen Glossen und Gesten der Unsern nur mit mürrisch und bösartig verzerrten Gesichtern ab; nur einige der jünger« Frauen mit unbedecktem Busen und kürzerer Tunika warfen einige verstohlene und nicht ganz so starr ehrbare Blicke zu den fremden Ankömmlingen hinüber In jeder Spitzhütte war zwischen dem kleinen, schmalen Baugerüste eine Hänge¬ matte dicht über dem Boden ausgespannt, auf der Binsenmatten und blutige Häute ausgebreitet lagen. In einigen Hängematten schaukelten sich rund zu¬ sammengekugelte menschliche Gestalten, die eine Art von Gesang vor sich hin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/418>, abgerufen am 29.06.2024.