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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Schulze-Delitzsch bringt einen ganz neuen Gesichtspunkt in die Frage.
Er sagt: Etatistrt müssen die Steuern werden; die Etatisirung entscheidet darüber,
ob im laufenden Etatsjahr die Steuer für die bestimmten Staatszwecke bewilligt
werden soll , oder nicht; die Verfassung sagt klar, daß alle Ausgaben im Etat
angesetzt und Don der Landesvertretung genehmigt werden müssen; auf Grund
dessen ist das Haus berechtigt, wegen Ueberlastung des Volkes, ja schon wegen
der Regierung zugestandner unrichtiger Veranlagung der Gebäudesteuer diese
im Etat zu streichen. -- Diese Satze entbehren der gesetzlichen Grundlage.
Steuern brauchen uicht etatisirt zu werden, lehrt Art. 109. (Nicht auch schon
der zweite Theil des Art. 100?) Das Steuergesetz allem, so hier dasjenige
von 1HK1. berechtigt die Regierung zur Forderung, verpflichtet die Bürger zur
Zahlung. Das Recht zur Bewilligung oder Verweigerung der Staatsausgaben
besitzt allerdings die Landesvertretung unbegrenzt. Denn Art. 99 stellt als
Rechtstitel der Ausgaben nur das von den Volksvertretern genehmigte
Budget sest. Art. 109 laßt die einmal bestehenden Ausgaben nicht sortbestehn
bis zur gesetzlichen Aufhebung. Die Verfassung kennt keinen andern Rechts"
titel dafür als das Budget; der Minister, welcher eine noch im Etat unbe-
willigte Ausgabe macht, verletzt die Verfassung, die Ausgabe hat keine gesetz¬
liche Grundlage; das Ausgabedewilligungsrecht soll dem Volke ein gleich wirt"
sames constitutionelles Zwangsmittel, wie sonst das Steuerbewilligungsrecht,
sichern. Alle diese Sätze sind in den Debatten der Revision der Verfassung 1849,
dann 18SS, 1861 Wiederholt von beiden Kammern anerkannt, selbst der da>
malige Finanzminister v. Rabe forderte, eben weil er sie ausdrücklich als
richtig bezeichnete, eine verfassungsmäßige Prolongation des alten Etats in
das neue Budgetjahr hinein bis zur verspäteten Feststellung des neuen Budgets.
Allein diese noch so weite Ausdehnung des Ausgabebewilligungsrechts hilft
nichts für die Gebäudesteuer. Schulze vergißt, daß für Erhebung der bestehen-
den Steuern ausdrückliche und vn.n den Ausgaben gesonderte Bestimmungen
der Verfassung existiren. Nach ihnen, den obigen , erhebt die Regierung diese
Steuern zweifellos berechtigt fort, und das Abgeordnetenhaus kann daran
nichts streichen, nichts hindern. An den Posten der Ausgaben mag es än¬
dern und verwerfen, so viel es will, bei den Steuern, und so bei der Gebäude¬
steuer, zieht der Art. 109 ihm eine feste Grenze. Welche Mißverhältnisse etwa
durch solche Bestimmungen zwischen Ausgaben und Einnahmen im Staats¬
budget erwachsen können, hat dieser Aufsatz nicht zu erörtern, noch zu verant¬
worten. -- Die Grundsätze, welche Schulze hierbei entwickelt, sind wirthschaft¬
lich und rechtlich durchaus zu billigen, -- sie stehen nur nicht in unserer Ver¬
fassung, vielmehr sagt diese im Art. 109 gerade das Gegentheil.

Wenn also am 13. Mai das Abgeordnetenhaus die Gebäudesteuer im
Wert stehen lieh und nicht absetzte, blieb es auf gesetzlich-verfassungsmäßigen


Schulze-Delitzsch bringt einen ganz neuen Gesichtspunkt in die Frage.
Er sagt: Etatistrt müssen die Steuern werden; die Etatisirung entscheidet darüber,
ob im laufenden Etatsjahr die Steuer für die bestimmten Staatszwecke bewilligt
werden soll , oder nicht; die Verfassung sagt klar, daß alle Ausgaben im Etat
angesetzt und Don der Landesvertretung genehmigt werden müssen; auf Grund
dessen ist das Haus berechtigt, wegen Ueberlastung des Volkes, ja schon wegen
der Regierung zugestandner unrichtiger Veranlagung der Gebäudesteuer diese
im Etat zu streichen. — Diese Satze entbehren der gesetzlichen Grundlage.
Steuern brauchen uicht etatisirt zu werden, lehrt Art. 109. (Nicht auch schon
der zweite Theil des Art. 100?) Das Steuergesetz allem, so hier dasjenige
von 1HK1. berechtigt die Regierung zur Forderung, verpflichtet die Bürger zur
Zahlung. Das Recht zur Bewilligung oder Verweigerung der Staatsausgaben
besitzt allerdings die Landesvertretung unbegrenzt. Denn Art. 99 stellt als
Rechtstitel der Ausgaben nur das von den Volksvertretern genehmigte
Budget sest. Art. 109 laßt die einmal bestehenden Ausgaben nicht sortbestehn
bis zur gesetzlichen Aufhebung. Die Verfassung kennt keinen andern Rechts«
titel dafür als das Budget; der Minister, welcher eine noch im Etat unbe-
willigte Ausgabe macht, verletzt die Verfassung, die Ausgabe hat keine gesetz¬
liche Grundlage; das Ausgabedewilligungsrecht soll dem Volke ein gleich wirt«
sames constitutionelles Zwangsmittel, wie sonst das Steuerbewilligungsrecht,
sichern. Alle diese Sätze sind in den Debatten der Revision der Verfassung 1849,
dann 18SS, 1861 Wiederholt von beiden Kammern anerkannt, selbst der da>
malige Finanzminister v. Rabe forderte, eben weil er sie ausdrücklich als
richtig bezeichnete, eine verfassungsmäßige Prolongation des alten Etats in
das neue Budgetjahr hinein bis zur verspäteten Feststellung des neuen Budgets.
Allein diese noch so weite Ausdehnung des Ausgabebewilligungsrechts hilft
nichts für die Gebäudesteuer. Schulze vergißt, daß für Erhebung der bestehen-
den Steuern ausdrückliche und vn.n den Ausgaben gesonderte Bestimmungen
der Verfassung existiren. Nach ihnen, den obigen , erhebt die Regierung diese
Steuern zweifellos berechtigt fort, und das Abgeordnetenhaus kann daran
nichts streichen, nichts hindern. An den Posten der Ausgaben mag es än¬
dern und verwerfen, so viel es will, bei den Steuern, und so bei der Gebäude¬
steuer, zieht der Art. 109 ihm eine feste Grenze. Welche Mißverhältnisse etwa
durch solche Bestimmungen zwischen Ausgaben und Einnahmen im Staats¬
budget erwachsen können, hat dieser Aufsatz nicht zu erörtern, noch zu verant¬
worten. — Die Grundsätze, welche Schulze hierbei entwickelt, sind wirthschaft¬
lich und rechtlich durchaus zu billigen, — sie stehen nur nicht in unserer Ver¬
fassung, vielmehr sagt diese im Art. 109 gerade das Gegentheil.

Wenn also am 13. Mai das Abgeordnetenhaus die Gebäudesteuer im
Wert stehen lieh und nicht absetzte, blieb es auf gesetzlich-verfassungsmäßigen


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[0404] Schulze-Delitzsch bringt einen ganz neuen Gesichtspunkt in die Frage. Er sagt: Etatistrt müssen die Steuern werden; die Etatisirung entscheidet darüber, ob im laufenden Etatsjahr die Steuer für die bestimmten Staatszwecke bewilligt werden soll , oder nicht; die Verfassung sagt klar, daß alle Ausgaben im Etat angesetzt und Don der Landesvertretung genehmigt werden müssen; auf Grund dessen ist das Haus berechtigt, wegen Ueberlastung des Volkes, ja schon wegen der Regierung zugestandner unrichtiger Veranlagung der Gebäudesteuer diese im Etat zu streichen. — Diese Satze entbehren der gesetzlichen Grundlage. Steuern brauchen uicht etatisirt zu werden, lehrt Art. 109. (Nicht auch schon der zweite Theil des Art. 100?) Das Steuergesetz allem, so hier dasjenige von 1HK1. berechtigt die Regierung zur Forderung, verpflichtet die Bürger zur Zahlung. Das Recht zur Bewilligung oder Verweigerung der Staatsausgaben besitzt allerdings die Landesvertretung unbegrenzt. Denn Art. 99 stellt als Rechtstitel der Ausgaben nur das von den Volksvertretern genehmigte Budget sest. Art. 109 laßt die einmal bestehenden Ausgaben nicht sortbestehn bis zur gesetzlichen Aufhebung. Die Verfassung kennt keinen andern Rechts« titel dafür als das Budget; der Minister, welcher eine noch im Etat unbe- willigte Ausgabe macht, verletzt die Verfassung, die Ausgabe hat keine gesetz¬ liche Grundlage; das Ausgabedewilligungsrecht soll dem Volke ein gleich wirt« sames constitutionelles Zwangsmittel, wie sonst das Steuerbewilligungsrecht, sichern. Alle diese Sätze sind in den Debatten der Revision der Verfassung 1849, dann 18SS, 1861 Wiederholt von beiden Kammern anerkannt, selbst der da> malige Finanzminister v. Rabe forderte, eben weil er sie ausdrücklich als richtig bezeichnete, eine verfassungsmäßige Prolongation des alten Etats in das neue Budgetjahr hinein bis zur verspäteten Feststellung des neuen Budgets. Allein diese noch so weite Ausdehnung des Ausgabebewilligungsrechts hilft nichts für die Gebäudesteuer. Schulze vergißt, daß für Erhebung der bestehen- den Steuern ausdrückliche und vn.n den Ausgaben gesonderte Bestimmungen der Verfassung existiren. Nach ihnen, den obigen , erhebt die Regierung diese Steuern zweifellos berechtigt fort, und das Abgeordnetenhaus kann daran nichts streichen, nichts hindern. An den Posten der Ausgaben mag es än¬ dern und verwerfen, so viel es will, bei den Steuern, und so bei der Gebäude¬ steuer, zieht der Art. 109 ihm eine feste Grenze. Welche Mißverhältnisse etwa durch solche Bestimmungen zwischen Ausgaben und Einnahmen im Staats¬ budget erwachsen können, hat dieser Aufsatz nicht zu erörtern, noch zu verant¬ worten. — Die Grundsätze, welche Schulze hierbei entwickelt, sind wirthschaft¬ lich und rechtlich durchaus zu billigen, — sie stehen nur nicht in unserer Ver¬ fassung, vielmehr sagt diese im Art. 109 gerade das Gegentheil. Wenn also am 13. Mai das Abgeordnetenhaus die Gebäudesteuer im Wert stehen lieh und nicht absetzte, blieb es auf gesetzlich-verfassungsmäßigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/404>, abgerufen am 28.09.2024.