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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Das hieß sehr selbstbewußt und sehr zuversichtlich gesprochen. Preußen
indeß ließ sich nicht einschüchtern. Es blieb in seiner Antwort auf diese Denk¬
schrift auf seinem bisherigen Standpunkt stehen. Man sei, hieß es da, noch
immer von dem Wunsche geleitet, den Zollverein fortzusetzen, aber nur unter
Aufrechthaltung des Vertrages mit Frankreich, und mit Oestreich werde erst
verhandelt werden können, sobald kein Zweifel mehr darüber bestände, daß der
Zollverein über das Jahr 1865 hinaus gesichert sei.

Nachdem sich auch die übrigen Vereiusregierungen erklärt, gab die bayerische
Regierung am 13. Juni in der Konferenz ein Resumö dieser Gegenäußerungen,
wobei sie in Betreff der preußischen hemmten, daß sie den Worten "unter Auf¬
rechthaltung des mit Frankreich geschlossenen Vertrags" nur den Sinn beilegen
könne, daß Preußen den Principien, welche es bei den Verhandlungen mit
Frankreich geleitet, auch fernerhin Geltung zu verschaffen bestrebt sein werde,
nicht aber die Annahme des Vertrags selbst wiederholt als Bedingung auszu¬
stellen gemeint sei. Wenn diese Voraussetzung begründet, so erschiene eine
Verhandlung über Erneuerung des Zollvereins jetzt als Erfolg versprechend.
Schließlich wurde der preußische Bevollmächtigte aufgefordert, sich zu bestimmteren
Erklärungen in Bezug auf die von Bayern angeregten Fragen Anweisung geben
zu lassen.

Schon am 18. Juni, also ehe eine preußische Rückäußcrung erfolgt sein
konnte, lud die bayerische Negierung die ihr in dieser Sacke nahestehenden
Regierungen zu den in der Depesche vom 25. April in Aussicht genommenen
Sonderberathungen nach München ein, und zwar schlug sie vor, sich vorläufig
über folgende Punctationen zu vereinigen: "1) die contrahirenden Regierungen
erklären hiermit ihre Bereitwilligkeit, den bestehenden deutschen Zollverein, und
zwar im Wesentlichen auf der durch die Verträge vom 4. April 1853 festgestellten
Grundlage fortzusetzen und zu diesem Ende demnächst Verhandlungen zu eröffnen
und einen Vertrag abzuschließen. 2) Im Fall nicht alle den gegenwärtigen
Zollverein bildende Staaten geneigt sein sollten, einer Fortsetzung des Vereins
auf der angegebnen Grundlage beizutreten, werden die jetzt contrahirenden
Staaten wenigstens ihrerseits die Continuität des Vereins wahren und zu diesem
Zwecke einen Erneuerungsvertrag schließen, den vorläufig nicht beitretenden
Staaten aber den späteren Beitritt ausdrücklich vorbehalten. 3) Sollte es von
Seiten der den Zollverein fortsetzenden Regierungen für angemessen erachtet
werden, den Verein selbst in zwei Gruppen zu theilen, so soll jede dieser
Gruppen als ein eintegrircndcr Theil des Zollvereins betrachtet werden und
zwischen denselben vollkommene Verkehrsfreiheit für alle inländischen Landes¬
und Industrieproducte sowie, soweit möglich, vollkommene Gleichheit aller
innern Einrichtungen bestehen. Die vollständige Vereinigung soll sofort wieder
eintreten, sobald die entgegenstehenden Hindernisse entfernt sind. 4) Die con-


Das hieß sehr selbstbewußt und sehr zuversichtlich gesprochen. Preußen
indeß ließ sich nicht einschüchtern. Es blieb in seiner Antwort auf diese Denk¬
schrift auf seinem bisherigen Standpunkt stehen. Man sei, hieß es da, noch
immer von dem Wunsche geleitet, den Zollverein fortzusetzen, aber nur unter
Aufrechthaltung des Vertrages mit Frankreich, und mit Oestreich werde erst
verhandelt werden können, sobald kein Zweifel mehr darüber bestände, daß der
Zollverein über das Jahr 1865 hinaus gesichert sei.

Nachdem sich auch die übrigen Vereiusregierungen erklärt, gab die bayerische
Regierung am 13. Juni in der Konferenz ein Resumö dieser Gegenäußerungen,
wobei sie in Betreff der preußischen hemmten, daß sie den Worten „unter Auf¬
rechthaltung des mit Frankreich geschlossenen Vertrags" nur den Sinn beilegen
könne, daß Preußen den Principien, welche es bei den Verhandlungen mit
Frankreich geleitet, auch fernerhin Geltung zu verschaffen bestrebt sein werde,
nicht aber die Annahme des Vertrags selbst wiederholt als Bedingung auszu¬
stellen gemeint sei. Wenn diese Voraussetzung begründet, so erschiene eine
Verhandlung über Erneuerung des Zollvereins jetzt als Erfolg versprechend.
Schließlich wurde der preußische Bevollmächtigte aufgefordert, sich zu bestimmteren
Erklärungen in Bezug auf die von Bayern angeregten Fragen Anweisung geben
zu lassen.

Schon am 18. Juni, also ehe eine preußische Rückäußcrung erfolgt sein
konnte, lud die bayerische Negierung die ihr in dieser Sacke nahestehenden
Regierungen zu den in der Depesche vom 25. April in Aussicht genommenen
Sonderberathungen nach München ein, und zwar schlug sie vor, sich vorläufig
über folgende Punctationen zu vereinigen: „1) die contrahirenden Regierungen
erklären hiermit ihre Bereitwilligkeit, den bestehenden deutschen Zollverein, und
zwar im Wesentlichen auf der durch die Verträge vom 4. April 1853 festgestellten
Grundlage fortzusetzen und zu diesem Ende demnächst Verhandlungen zu eröffnen
und einen Vertrag abzuschließen. 2) Im Fall nicht alle den gegenwärtigen
Zollverein bildende Staaten geneigt sein sollten, einer Fortsetzung des Vereins
auf der angegebnen Grundlage beizutreten, werden die jetzt contrahirenden
Staaten wenigstens ihrerseits die Continuität des Vereins wahren und zu diesem
Zwecke einen Erneuerungsvertrag schließen, den vorläufig nicht beitretenden
Staaten aber den späteren Beitritt ausdrücklich vorbehalten. 3) Sollte es von
Seiten der den Zollverein fortsetzenden Regierungen für angemessen erachtet
werden, den Verein selbst in zwei Gruppen zu theilen, so soll jede dieser
Gruppen als ein eintegrircndcr Theil des Zollvereins betrachtet werden und
zwischen denselben vollkommene Verkehrsfreiheit für alle inländischen Landes¬
und Industrieproducte sowie, soweit möglich, vollkommene Gleichheit aller
innern Einrichtungen bestehen. Die vollständige Vereinigung soll sofort wieder
eintreten, sobald die entgegenstehenden Hindernisse entfernt sind. 4) Die con-


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[0390] Das hieß sehr selbstbewußt und sehr zuversichtlich gesprochen. Preußen indeß ließ sich nicht einschüchtern. Es blieb in seiner Antwort auf diese Denk¬ schrift auf seinem bisherigen Standpunkt stehen. Man sei, hieß es da, noch immer von dem Wunsche geleitet, den Zollverein fortzusetzen, aber nur unter Aufrechthaltung des Vertrages mit Frankreich, und mit Oestreich werde erst verhandelt werden können, sobald kein Zweifel mehr darüber bestände, daß der Zollverein über das Jahr 1865 hinaus gesichert sei. Nachdem sich auch die übrigen Vereiusregierungen erklärt, gab die bayerische Regierung am 13. Juni in der Konferenz ein Resumö dieser Gegenäußerungen, wobei sie in Betreff der preußischen hemmten, daß sie den Worten „unter Auf¬ rechthaltung des mit Frankreich geschlossenen Vertrags" nur den Sinn beilegen könne, daß Preußen den Principien, welche es bei den Verhandlungen mit Frankreich geleitet, auch fernerhin Geltung zu verschaffen bestrebt sein werde, nicht aber die Annahme des Vertrags selbst wiederholt als Bedingung auszu¬ stellen gemeint sei. Wenn diese Voraussetzung begründet, so erschiene eine Verhandlung über Erneuerung des Zollvereins jetzt als Erfolg versprechend. Schließlich wurde der preußische Bevollmächtigte aufgefordert, sich zu bestimmteren Erklärungen in Bezug auf die von Bayern angeregten Fragen Anweisung geben zu lassen. Schon am 18. Juni, also ehe eine preußische Rückäußcrung erfolgt sein konnte, lud die bayerische Negierung die ihr in dieser Sacke nahestehenden Regierungen zu den in der Depesche vom 25. April in Aussicht genommenen Sonderberathungen nach München ein, und zwar schlug sie vor, sich vorläufig über folgende Punctationen zu vereinigen: „1) die contrahirenden Regierungen erklären hiermit ihre Bereitwilligkeit, den bestehenden deutschen Zollverein, und zwar im Wesentlichen auf der durch die Verträge vom 4. April 1853 festgestellten Grundlage fortzusetzen und zu diesem Ende demnächst Verhandlungen zu eröffnen und einen Vertrag abzuschließen. 2) Im Fall nicht alle den gegenwärtigen Zollverein bildende Staaten geneigt sein sollten, einer Fortsetzung des Vereins auf der angegebnen Grundlage beizutreten, werden die jetzt contrahirenden Staaten wenigstens ihrerseits die Continuität des Vereins wahren und zu diesem Zwecke einen Erneuerungsvertrag schließen, den vorläufig nicht beitretenden Staaten aber den späteren Beitritt ausdrücklich vorbehalten. 3) Sollte es von Seiten der den Zollverein fortsetzenden Regierungen für angemessen erachtet werden, den Verein selbst in zwei Gruppen zu theilen, so soll jede dieser Gruppen als ein eintegrircndcr Theil des Zollvereins betrachtet werden und zwischen denselben vollkommene Verkehrsfreiheit für alle inländischen Landes¬ und Industrieproducte sowie, soweit möglich, vollkommene Gleichheit aller innern Einrichtungen bestehen. Die vollständige Vereinigung soll sofort wieder eintreten, sobald die entgegenstehenden Hindernisse entfernt sind. 4) Die con-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/390>, abgerufen am 29.06.2024.