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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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weniger fragen, das Aufgetragene ohne Redensarten erledigen, aufrecht stehen
können ohne sich gegen Pult oder Thürpfosten zu lehnen, sich schnell bewegen,
aufmerksam hören, sich reinlich anziehen, kurz sich wie Soldaten betragen." --
Das sind Aufstellungen, die sehr im Gegensatz stehen zu frühern amerikanischen
Urtheilen über den Soldaten.

Grant shal dem Norden ein Heer geschaffen und dadurch den Sieg an
seine Fahnen gefesselt. Er hat ein dem Staatsleben des Nordens bis dahin
fremdes Element zur Geltung gebracht und zur Stütze des Staates gemacht;
das stehende Heer hat nicht nur seine Berechtigung als dauernde Institution
erwiesen, es ist auch eine Nothwendigkeit für die nordamerikanischen Freistaaten
geworden. Eine solche in das Staatsleben eingeführte Macht verschwindet nicht
ohne Weiteres wieder aus demselben, sie bürgert sich ein, und wie sie selbst
durch Anlage und Bedürfniß einer Nation beeinflußt wird, so trägt sie auch
ihrerseits dazu bei, die Zukunft der Nation zu formen. -- Ob es richtig war,
eine Macht wie die 150.000 Manu farbige Truppen aus einer dem politischen
Leben fremden Race, den Negern, zu schaffen, muß die Zukunft lehren. Bon
hier aus läßt sich die Sache nicht beurtheilen, da über die inneie Bedeutung
dieser Race die entgegengesetztesten Urtheile hierher gelangen.

Grant hat allerdings das große Verdienst, die Armee des Nordens organisirt
zu haben. Sein Verdienst, als Feldherr war geringer, denn er ist trotz der
doppelten Ueberzahl nicht im Stande gewesen seinen Gegner zu überwinden.
Er hing sich aber an ihn und zupfte und zerrte an ihm, bis dieser in einem
letzten, verzweifelten Ringen matt zusammenbrach. Doch selbst zu diesem letzten
Kampfe gab Grant nicht den Anstoß. Dieser erfolgte indirect durch Sherman,
welcher nach und nach der gefährlichste Gegner des Südens geworden war.
Wenn Lee die Conföderation noch retten wollte, so mußte er diesen Feind
besiegen, das konnte er aber nicht, wenn er sich nicht vorher seines zähen,
nächsten Gegners Grant entledigt hatte. So kam es zu der Schlacht bei
Petersburgh, welche Richmonbs Fall und Lech Kapitulation zur Folge hatte.

Sherman gehört unstreitig der Lorbeer des letzten Feldzugs. Nicht baß wir
ihn für einen großen Feldherrn halten möchten, denn dazu fehlt ihm das
staatsmännische und in dem Kriege schaffende Element. Er hat, wie hier schon
früher ausgeführt wurde und wie die Berichte über seinen Zug durch Georgia
und die beiden Carolinas erzählen, nur durch Zerstörung seine Pfade bezeichnet.
Aber er bat sich als genialer General gezeigt, der seine und des Feindes
Mittel richtig abwägt und immer zur Handlung bereit ist. Sherman erkannte
nach dem Fall von Atlanta, daß der Gegner sehr schwach sei, und daß es nur
des dreisten Hineingreifens in das Staatsgebäude des Südens bedürfe, um dies zum
Zusammensturz zu bringen. Er stellte dem feindlichen Heere nur den geringern
Theil seiner Kräfte entgegen und rückte unbekümmert um Verpflegung, Ruck


weniger fragen, das Aufgetragene ohne Redensarten erledigen, aufrecht stehen
können ohne sich gegen Pult oder Thürpfosten zu lehnen, sich schnell bewegen,
aufmerksam hören, sich reinlich anziehen, kurz sich wie Soldaten betragen." —
Das sind Aufstellungen, die sehr im Gegensatz stehen zu frühern amerikanischen
Urtheilen über den Soldaten.

Grant shal dem Norden ein Heer geschaffen und dadurch den Sieg an
seine Fahnen gefesselt. Er hat ein dem Staatsleben des Nordens bis dahin
fremdes Element zur Geltung gebracht und zur Stütze des Staates gemacht;
das stehende Heer hat nicht nur seine Berechtigung als dauernde Institution
erwiesen, es ist auch eine Nothwendigkeit für die nordamerikanischen Freistaaten
geworden. Eine solche in das Staatsleben eingeführte Macht verschwindet nicht
ohne Weiteres wieder aus demselben, sie bürgert sich ein, und wie sie selbst
durch Anlage und Bedürfniß einer Nation beeinflußt wird, so trägt sie auch
ihrerseits dazu bei, die Zukunft der Nation zu formen. — Ob es richtig war,
eine Macht wie die 150.000 Manu farbige Truppen aus einer dem politischen
Leben fremden Race, den Negern, zu schaffen, muß die Zukunft lehren. Bon
hier aus läßt sich die Sache nicht beurtheilen, da über die inneie Bedeutung
dieser Race die entgegengesetztesten Urtheile hierher gelangen.

Grant hat allerdings das große Verdienst, die Armee des Nordens organisirt
zu haben. Sein Verdienst, als Feldherr war geringer, denn er ist trotz der
doppelten Ueberzahl nicht im Stande gewesen seinen Gegner zu überwinden.
Er hing sich aber an ihn und zupfte und zerrte an ihm, bis dieser in einem
letzten, verzweifelten Ringen matt zusammenbrach. Doch selbst zu diesem letzten
Kampfe gab Grant nicht den Anstoß. Dieser erfolgte indirect durch Sherman,
welcher nach und nach der gefährlichste Gegner des Südens geworden war.
Wenn Lee die Conföderation noch retten wollte, so mußte er diesen Feind
besiegen, das konnte er aber nicht, wenn er sich nicht vorher seines zähen,
nächsten Gegners Grant entledigt hatte. So kam es zu der Schlacht bei
Petersburgh, welche Richmonbs Fall und Lech Kapitulation zur Folge hatte.

Sherman gehört unstreitig der Lorbeer des letzten Feldzugs. Nicht baß wir
ihn für einen großen Feldherrn halten möchten, denn dazu fehlt ihm das
staatsmännische und in dem Kriege schaffende Element. Er hat, wie hier schon
früher ausgeführt wurde und wie die Berichte über seinen Zug durch Georgia
und die beiden Carolinas erzählen, nur durch Zerstörung seine Pfade bezeichnet.
Aber er bat sich als genialer General gezeigt, der seine und des Feindes
Mittel richtig abwägt und immer zur Handlung bereit ist. Sherman erkannte
nach dem Fall von Atlanta, daß der Gegner sehr schwach sei, und daß es nur
des dreisten Hineingreifens in das Staatsgebäude des Südens bedürfe, um dies zum
Zusammensturz zu bringen. Er stellte dem feindlichen Heere nur den geringern
Theil seiner Kräfte entgegen und rückte unbekümmert um Verpflegung, Ruck


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/378>, abgerufen am 29.06.2024.