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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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dieser Stätte, welche die Tropennatur mit ihren schönsten Farben gezeichnet,
in seiner vollen Kraft. Den Entmuthigten kehrte Zuversicht und der alte leichte
Gedankenflug zurück, die verdrossene Stimmung wurde wie durch Zauber be¬
sänftigt und geklärt. Jeder glaubte an das Ende aller bis hierher ausgestandenen
Leiden; der Ausdruck des Friedens und des Frohsinnes, der aus dem herrlichen
Schöpfungsbilde sprach, spiegelte sich alsbald in den Menschenaugen, die es
angesehen, wieder. Im eigentlichsten Sinne des Wortes war La Salvacion dies¬
mal ein Hort der Erlösung geworden. Schnell bildeten sich wieder die alten
fröhlichen Gruppen und romantischen Waldsamen um das Lagerfeuer, und wenn
Angelika nicht mehr mit dem summenden Kessel die Herzen ihrer Umgebung
erfreute, so wurde sie auf das Beste durch den "rMro" ersetzt, der sich die
Fertigkeiten eines Kochkünstlers auf einer xirg-gra^) des Magdalenenstromes
angeeignet hatte und besser den Leib zu erquicken und zu stärken verstand, wie
es manchem seiner geistlichen Ordenscollegen wohl mit der Stärkung der Seele
gelingen mochte. K. entsagte nunmehr auch seinen Ansprüchen auf den Keiler,
den hier ein glücklicher Schuß der Gesellschaft zum Schmause lieferte.

Der größte Leckerbissen dieses Wildpretes ist den dunkelhäutigen Schützen
das Eingeweide: Herz, Lunge, Leber, Nieren u. s. w. Kaum aus dem geöff¬
neten Körper herausgenommen und abgespült, werden dieselben in kleinen
Stücken, wie eine Schnur Perlen, auf eine harte Holzruthe aufgezogen, mit
etwas Salz, und, wenn Citronen vorhanden, mit deren Saft angcwürzt und
ungefähr eine Viertelstunde lang über Kohlenfeuer geröstet. Lüstern, wie
eine Schaar von Geiern, läßt sich die bunte Sippe in einem weiten Kreise
um diese leckern Bissen nieder. Der duftige Holzspieß macht sodann die Runde;
jeder zieht etliche der saftigen Perlen ab, und emsig füllen sich die Leiber bis
zum Uebermaße an.

Der "Mrs" hat während dessen in einiger Entfernung von hier unab¬
lässig seinen Kessel gehütet, seine conzentrirte Geschäftigkeit läßt auf die Her¬
stellung eines ganz besonderen Gerichtes schließen. Mit scharfem Auge entdeckte
er in den Laubkronen der Bäume unweit des Lagers das Blatt der vegeta¬
bilischen Milchkuh, des Kuhmiichbaumes (Kalaetoäknäroll utilo). und sofort
gab er seinen beiden eompaäi'of. dem eatelrie^mo und der "Schlange" den Auf¬
trag zum Melken der Kuh. Die fette Milch, mit der sie zurückkehren, wird
dem Reißbrei zugesetzt, so daß es sich also in der Küche des xaäre um nichts
weniger handelt als um Neis in Milch mit gebratenen Schweinerippen. Der
Anblick der Milchgefäße sprengt die schmausende Gruppe daneben auseinander;



') ?ii-sgua -- Die kleinen Küsten- und Flußfahrzeuge mit Kiel- und Deckbauart; beson¬
ders zahlreich auf der Lagune von Maracaibo.

dieser Stätte, welche die Tropennatur mit ihren schönsten Farben gezeichnet,
in seiner vollen Kraft. Den Entmuthigten kehrte Zuversicht und der alte leichte
Gedankenflug zurück, die verdrossene Stimmung wurde wie durch Zauber be¬
sänftigt und geklärt. Jeder glaubte an das Ende aller bis hierher ausgestandenen
Leiden; der Ausdruck des Friedens und des Frohsinnes, der aus dem herrlichen
Schöpfungsbilde sprach, spiegelte sich alsbald in den Menschenaugen, die es
angesehen, wieder. Im eigentlichsten Sinne des Wortes war La Salvacion dies¬
mal ein Hort der Erlösung geworden. Schnell bildeten sich wieder die alten
fröhlichen Gruppen und romantischen Waldsamen um das Lagerfeuer, und wenn
Angelika nicht mehr mit dem summenden Kessel die Herzen ihrer Umgebung
erfreute, so wurde sie auf das Beste durch den „rMro" ersetzt, der sich die
Fertigkeiten eines Kochkünstlers auf einer xirg-gra^) des Magdalenenstromes
angeeignet hatte und besser den Leib zu erquicken und zu stärken verstand, wie
es manchem seiner geistlichen Ordenscollegen wohl mit der Stärkung der Seele
gelingen mochte. K. entsagte nunmehr auch seinen Ansprüchen auf den Keiler,
den hier ein glücklicher Schuß der Gesellschaft zum Schmause lieferte.

Der größte Leckerbissen dieses Wildpretes ist den dunkelhäutigen Schützen
das Eingeweide: Herz, Lunge, Leber, Nieren u. s. w. Kaum aus dem geöff¬
neten Körper herausgenommen und abgespült, werden dieselben in kleinen
Stücken, wie eine Schnur Perlen, auf eine harte Holzruthe aufgezogen, mit
etwas Salz, und, wenn Citronen vorhanden, mit deren Saft angcwürzt und
ungefähr eine Viertelstunde lang über Kohlenfeuer geröstet. Lüstern, wie
eine Schaar von Geiern, läßt sich die bunte Sippe in einem weiten Kreise
um diese leckern Bissen nieder. Der duftige Holzspieß macht sodann die Runde;
jeder zieht etliche der saftigen Perlen ab, und emsig füllen sich die Leiber bis
zum Uebermaße an.

Der „Mrs" hat während dessen in einiger Entfernung von hier unab¬
lässig seinen Kessel gehütet, seine conzentrirte Geschäftigkeit läßt auf die Her¬
stellung eines ganz besonderen Gerichtes schließen. Mit scharfem Auge entdeckte
er in den Laubkronen der Bäume unweit des Lagers das Blatt der vegeta¬
bilischen Milchkuh, des Kuhmiichbaumes (Kalaetoäknäroll utilo). und sofort
gab er seinen beiden eompaäi'of. dem eatelrie^mo und der „Schlange" den Auf¬
trag zum Melken der Kuh. Die fette Milch, mit der sie zurückkehren, wird
dem Reißbrei zugesetzt, so daß es sich also in der Küche des xaäre um nichts
weniger handelt als um Neis in Milch mit gebratenen Schweinerippen. Der
Anblick der Milchgefäße sprengt die schmausende Gruppe daneben auseinander;



') ?ii-sgua — Die kleinen Küsten- und Flußfahrzeuge mit Kiel- und Deckbauart; beson¬
ders zahlreich auf der Lagune von Maracaibo.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/370>, abgerufen am 29.06.2024.