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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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veranlaßt werden brodlos herumzulaufen und in ihrer Noth neue Verbrechen
zu begehen. Wird der Staupbesen erkannt.'so soll der Delinquent ebenfalls nicht
des Landes verwiesen, sondern eine Zeit lang in ein Zuchthaus gebracht und
da zur Arbeit angehalten werden. Gleiches Verfahren soll bei den Infam-
gemachten beobachtet werden. Aber diesen vernünftigen Ansichten folgt eine
entgegengesetzte auf dem Fuße. Die Cabinetsordre vom 16. Juni 1749 be¬
stimmt folgende Ausnahmen: "Wenn Einer sich anwerben lassen und seine In¬
famie, daß er ein Schinderknecht, gestäupet, gebrandmarkt, verschwiegen, solches
aber hernach offenbar wird, soll er durch den Henker gestäupt, 1 bis 2 Jahre
auf die Festung gebracht und hiernach ewig des Landes verwiesen werden. --
Wenn ein Soldat sich zum Kriegsdienst untüchtig zu machen, sich muthwillig
einen Finger abhackt oder schneidet, sich bei einem Abdecker angiebt, da Knecht
ZU werden. Kloaken reinigen hilft und dergleichen infame Sachen vornimmt, so
soll er mit Staupenschlag, Festungsarbeit in der Karre von 1 bis 3 Jahren und
hernach ewiger Landesverweisung bestraft werden."

Vor der Zeit Friedrichs des Großen zerfiel das peinliche Kriegsgericht
in ein ordentliches oder Malefizgeri ehe und in ein außerordentliches, oder
summarisches, wohin das Spießrecht gehörte. Dieses bestand in dem
scheußlichen Brauche, den Verurteilten durch Spieße zusagen, und ihn sonach
und nach todt zu stechen. Das summarische Gericht ging in das Stand¬
gericht über, das namentlich im Kriege oder auf Märschen angewendet wurde,
wo man zu weitläufigeren Untersuchungen keine Zeit hatte. Der Delinquent
wurde, wenn er auf frischer That ertappt war, meist sofort abgeurtheilt und
der Spruch sogleich vollzogen; in der Regel knüpfte man den Verurtheilten am
ersten besten Baume auf. Weiter heißt es: "Es wird auch im Kriege nicht allemal
Urtheil und Stecht erfordert, als z. B. wenn ein Soldat im Bataillon zu weichen
anfangen wollte, sind Offiziers und Unteroffiziers befugt, demselben den Degen,
Sponton oder Kurzgewehr in die Nippen zu stoßen."

Aber auch in Friedenszeiten wurde bei bedeutenderen Strafen nicht immer
ein Verhör oder Rechtsspruch erfordert, da den Oberen eine verhältnißmäßig hohe
Strafgewalt eingeräumt war. Im Gesetz waren folgende Fälle angeführt:
1) Wurde ein Soldat mit einem Unteroffizier beim Spiel betroffen, so mußte
er durch 200 Mann achtmal Spießruthen laufen; 2) wenn ein Soldat betrunken
zur Parade kam; oder sich sonst im Dienst betrank, ohne Urlaub von der
Wache ging, auf Posten Mief oder vor der Ablösung sich entfernte, mühte
er durch 200 Mann zehnmal Spießruthen laufen; 3) raisonnirte ein Soldat
unterm Gewehr gegen einen Offizier oder Unteroffizier, so wurde ihm zwanzig-
maliges Spießruthenlaufen durch 200 Mann zudictirt.

Außer diesem summarischen Verfahren gab es noch ein Summarissimum.
einen allerkürzesten Proceß, dergestalt, daß der Obere den Uebertreter sofort


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veranlaßt werden brodlos herumzulaufen und in ihrer Noth neue Verbrechen
zu begehen. Wird der Staupbesen erkannt.'so soll der Delinquent ebenfalls nicht
des Landes verwiesen, sondern eine Zeit lang in ein Zuchthaus gebracht und
da zur Arbeit angehalten werden. Gleiches Verfahren soll bei den Infam-
gemachten beobachtet werden. Aber diesen vernünftigen Ansichten folgt eine
entgegengesetzte auf dem Fuße. Die Cabinetsordre vom 16. Juni 1749 be¬
stimmt folgende Ausnahmen: „Wenn Einer sich anwerben lassen und seine In¬
famie, daß er ein Schinderknecht, gestäupet, gebrandmarkt, verschwiegen, solches
aber hernach offenbar wird, soll er durch den Henker gestäupt, 1 bis 2 Jahre
auf die Festung gebracht und hiernach ewig des Landes verwiesen werden. —
Wenn ein Soldat sich zum Kriegsdienst untüchtig zu machen, sich muthwillig
einen Finger abhackt oder schneidet, sich bei einem Abdecker angiebt, da Knecht
ZU werden. Kloaken reinigen hilft und dergleichen infame Sachen vornimmt, so
soll er mit Staupenschlag, Festungsarbeit in der Karre von 1 bis 3 Jahren und
hernach ewiger Landesverweisung bestraft werden."

Vor der Zeit Friedrichs des Großen zerfiel das peinliche Kriegsgericht
in ein ordentliches oder Malefizgeri ehe und in ein außerordentliches, oder
summarisches, wohin das Spießrecht gehörte. Dieses bestand in dem
scheußlichen Brauche, den Verurteilten durch Spieße zusagen, und ihn sonach
und nach todt zu stechen. Das summarische Gericht ging in das Stand¬
gericht über, das namentlich im Kriege oder auf Märschen angewendet wurde,
wo man zu weitläufigeren Untersuchungen keine Zeit hatte. Der Delinquent
wurde, wenn er auf frischer That ertappt war, meist sofort abgeurtheilt und
der Spruch sogleich vollzogen; in der Regel knüpfte man den Verurtheilten am
ersten besten Baume auf. Weiter heißt es: „Es wird auch im Kriege nicht allemal
Urtheil und Stecht erfordert, als z. B. wenn ein Soldat im Bataillon zu weichen
anfangen wollte, sind Offiziers und Unteroffiziers befugt, demselben den Degen,
Sponton oder Kurzgewehr in die Nippen zu stoßen."

Aber auch in Friedenszeiten wurde bei bedeutenderen Strafen nicht immer
ein Verhör oder Rechtsspruch erfordert, da den Oberen eine verhältnißmäßig hohe
Strafgewalt eingeräumt war. Im Gesetz waren folgende Fälle angeführt:
1) Wurde ein Soldat mit einem Unteroffizier beim Spiel betroffen, so mußte
er durch 200 Mann achtmal Spießruthen laufen; 2) wenn ein Soldat betrunken
zur Parade kam; oder sich sonst im Dienst betrank, ohne Urlaub von der
Wache ging, auf Posten Mief oder vor der Ablösung sich entfernte, mühte
er durch 200 Mann zehnmal Spießruthen laufen; 3) raisonnirte ein Soldat
unterm Gewehr gegen einen Offizier oder Unteroffizier, so wurde ihm zwanzig-
maliges Spießruthenlaufen durch 200 Mann zudictirt.

Außer diesem summarischen Verfahren gab es noch ein Summarissimum.
einen allerkürzesten Proceß, dergestalt, daß der Obere den Uebertreter sofort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/361>, abgerufen am 29.06.2024.