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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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wüsten anmuthige oder romantische Oasen bilden; oder auch im schattenreichen
Walde an einem der klaren Gebirgsbäche. welche die bewaldeten Cordilleren
sehr reichlich, die Ebenen nur spärlich mit nimmer sich abspinnenden Silber¬
fäden durchziehen. Die Sattelgurte der keuchenden Lastthiere werden gelöst, die
Lasten gelockert und einem jedem Langohr einige Augenblicke Freiheit gegeben
sich niederzuwerfen oder das Gebüsch abzuraufen. Ein grünes Tischtuch von
Bijaoblättern wird über die Erde ausgebreitet, die Mochila mit dem gemein¬
schaftlichen avio°) darüber ausgeschüttet, die Machette an dem nächsten besten
Steine geschärft und in dem Quellwasser abgespült, mit ihr die earns Sees,^).
der trockne Käse, die al-LM^) mundrecht zerstückt, und schließlich die panela
ausgetheilt, als fußender Imbiß zum frischen Quellwasser. Während der Creole
sich auf den Bauch legt und den Kopf niederbeugt zum Wasser, oder es aus
zierlich geschnitzter Totumaschaale, oder aus der Mulde eines zusammengefal¬
teten Arumblattes schlürft, hält er in der anderen Hand seine unentbehrliche
panela, beißt davon zu jedem Schlucke Wassers ein Stück ab und spült so
eins mit dem andern eine geraume Zeit lang hinunter, bis sein Durst ge¬
löscht worden. Kein Arriero begiebt sich ohne xanela je auf Reisen, denn er
muß doch auf dem Wege trinken, und er kann doch unmöglich das Wasser
wie das liebe Vieh, ohne paucis., zu sich nehmen.

Behaglich streckt er sich auf der warmen Erde aus. und so steif und starr
auch die kalte arexg,. und so zäh die es-rris Lvea. ist er doch immer guten
Muths und ein wahrer König seiner Welt. Sein Himmel ist ja beständig blau
und sonnig, die Luft, die er athmet, immer mild und leicht. Und überdies,
so gering ihn, den Farbigen, der Weiße auch schätzen mag, theilt er doch mit
ihm die volle Gleichheit der öffentlichen Lebensstellung. Sorglos, selbstbewußt
und souverain fühlt er sich auf seiner heimathlichen Erde. Sonnig wie der
Himmel über ihm ist seine Laune, warm wie die Luft, die er athmet, ist seine
Lust am Leben. Bei seiner Arbeit, die für ihn kein Frohndienst. scherzt, lacht
und singt er, wie auf seinen Wanderungen und Jagdzügen, so beschwerlich sie
auch sein mögen. Wo ihm dann ein einladender Platz winkt, wirst er sich an
die Erde, verzehrt sein kärgliches Avio, schlürft das Wasser zu seiner Panel",
und wenn dann noch etwas Zeit zum Rasten, so streicht er mit dem Daumen
über die schnarrenden Saiten seines Cinco, den er beständig über der Schulter
mit sich trägt, und kalte dazu seine wenig geistreichen, melodieloscn Canzonen.





") ^vio -- der Lebensunterhalt aus der Reise.
^> Vs-roh Sees, -- das an der Lust und Sonne getrocknete und mit Salz durchsättigli
Fleisch; die einzige Art und Weife seiner Erhaltung.
") ^i'exa, -- ein tellerförmiger, aus enthülstem mit gequetschten Mais zubereiteter und
am Feuer gerösteter Kuchen; das allgemein landesübliche Brod.

wüsten anmuthige oder romantische Oasen bilden; oder auch im schattenreichen
Walde an einem der klaren Gebirgsbäche. welche die bewaldeten Cordilleren
sehr reichlich, die Ebenen nur spärlich mit nimmer sich abspinnenden Silber¬
fäden durchziehen. Die Sattelgurte der keuchenden Lastthiere werden gelöst, die
Lasten gelockert und einem jedem Langohr einige Augenblicke Freiheit gegeben
sich niederzuwerfen oder das Gebüsch abzuraufen. Ein grünes Tischtuch von
Bijaoblättern wird über die Erde ausgebreitet, die Mochila mit dem gemein¬
schaftlichen avio°) darüber ausgeschüttet, die Machette an dem nächsten besten
Steine geschärft und in dem Quellwasser abgespült, mit ihr die earns Sees,^).
der trockne Käse, die al-LM^) mundrecht zerstückt, und schließlich die panela
ausgetheilt, als fußender Imbiß zum frischen Quellwasser. Während der Creole
sich auf den Bauch legt und den Kopf niederbeugt zum Wasser, oder es aus
zierlich geschnitzter Totumaschaale, oder aus der Mulde eines zusammengefal¬
teten Arumblattes schlürft, hält er in der anderen Hand seine unentbehrliche
panela, beißt davon zu jedem Schlucke Wassers ein Stück ab und spült so
eins mit dem andern eine geraume Zeit lang hinunter, bis sein Durst ge¬
löscht worden. Kein Arriero begiebt sich ohne xanela je auf Reisen, denn er
muß doch auf dem Wege trinken, und er kann doch unmöglich das Wasser
wie das liebe Vieh, ohne paucis., zu sich nehmen.

Behaglich streckt er sich auf der warmen Erde aus. und so steif und starr
auch die kalte arexg,. und so zäh die es-rris Lvea. ist er doch immer guten
Muths und ein wahrer König seiner Welt. Sein Himmel ist ja beständig blau
und sonnig, die Luft, die er athmet, immer mild und leicht. Und überdies,
so gering ihn, den Farbigen, der Weiße auch schätzen mag, theilt er doch mit
ihm die volle Gleichheit der öffentlichen Lebensstellung. Sorglos, selbstbewußt
und souverain fühlt er sich auf seiner heimathlichen Erde. Sonnig wie der
Himmel über ihm ist seine Laune, warm wie die Luft, die er athmet, ist seine
Lust am Leben. Bei seiner Arbeit, die für ihn kein Frohndienst. scherzt, lacht
und singt er, wie auf seinen Wanderungen und Jagdzügen, so beschwerlich sie
auch sein mögen. Wo ihm dann ein einladender Platz winkt, wirst er sich an
die Erde, verzehrt sein kärgliches Avio, schlürft das Wasser zu seiner Panel«,
und wenn dann noch etwas Zeit zum Rasten, so streicht er mit dem Daumen
über die schnarrenden Saiten seines Cinco, den er beständig über der Schulter
mit sich trägt, und kalte dazu seine wenig geistreichen, melodieloscn Canzonen.





") ^vio — der Lebensunterhalt aus der Reise.
^> Vs-roh Sees, — das an der Lust und Sonne getrocknete und mit Salz durchsättigli
Fleisch; die einzige Art und Weife seiner Erhaltung.
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[0336] wüsten anmuthige oder romantische Oasen bilden; oder auch im schattenreichen Walde an einem der klaren Gebirgsbäche. welche die bewaldeten Cordilleren sehr reichlich, die Ebenen nur spärlich mit nimmer sich abspinnenden Silber¬ fäden durchziehen. Die Sattelgurte der keuchenden Lastthiere werden gelöst, die Lasten gelockert und einem jedem Langohr einige Augenblicke Freiheit gegeben sich niederzuwerfen oder das Gebüsch abzuraufen. Ein grünes Tischtuch von Bijaoblättern wird über die Erde ausgebreitet, die Mochila mit dem gemein¬ schaftlichen avio°) darüber ausgeschüttet, die Machette an dem nächsten besten Steine geschärft und in dem Quellwasser abgespült, mit ihr die earns Sees,^). der trockne Käse, die al-LM^) mundrecht zerstückt, und schließlich die panela ausgetheilt, als fußender Imbiß zum frischen Quellwasser. Während der Creole sich auf den Bauch legt und den Kopf niederbeugt zum Wasser, oder es aus zierlich geschnitzter Totumaschaale, oder aus der Mulde eines zusammengefal¬ teten Arumblattes schlürft, hält er in der anderen Hand seine unentbehrliche panela, beißt davon zu jedem Schlucke Wassers ein Stück ab und spült so eins mit dem andern eine geraume Zeit lang hinunter, bis sein Durst ge¬ löscht worden. Kein Arriero begiebt sich ohne xanela je auf Reisen, denn er muß doch auf dem Wege trinken, und er kann doch unmöglich das Wasser wie das liebe Vieh, ohne paucis., zu sich nehmen. Behaglich streckt er sich auf der warmen Erde aus. und so steif und starr auch die kalte arexg,. und so zäh die es-rris Lvea. ist er doch immer guten Muths und ein wahrer König seiner Welt. Sein Himmel ist ja beständig blau und sonnig, die Luft, die er athmet, immer mild und leicht. Und überdies, so gering ihn, den Farbigen, der Weiße auch schätzen mag, theilt er doch mit ihm die volle Gleichheit der öffentlichen Lebensstellung. Sorglos, selbstbewußt und souverain fühlt er sich auf seiner heimathlichen Erde. Sonnig wie der Himmel über ihm ist seine Laune, warm wie die Luft, die er athmet, ist seine Lust am Leben. Bei seiner Arbeit, die für ihn kein Frohndienst. scherzt, lacht und singt er, wie auf seinen Wanderungen und Jagdzügen, so beschwerlich sie auch sein mögen. Wo ihm dann ein einladender Platz winkt, wirst er sich an die Erde, verzehrt sein kärgliches Avio, schlürft das Wasser zu seiner Panel«, und wenn dann noch etwas Zeit zum Rasten, so streicht er mit dem Daumen über die schnarrenden Saiten seines Cinco, den er beständig über der Schulter mit sich trägt, und kalte dazu seine wenig geistreichen, melodieloscn Canzonen. ") ^vio — der Lebensunterhalt aus der Reise. ^> Vs-roh Sees, — das an der Lust und Sonne getrocknete und mit Salz durchsättigli Fleisch; die einzige Art und Weife seiner Erhaltung. ") ^i'exa, — ein tellerförmiger, aus enthülstem mit gequetschten Mais zubereiteter und am Feuer gerösteter Kuchen; das allgemein landesübliche Brod.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/336>, abgerufen am 29.06.2024.