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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ruf des grauenden Morgens durch den Wald geht, wird es alsbald auch im
Lager lebendig. Der Creole springt zu jeder Stunde mit einer Leichtigkeit
und Munterkeit von seinem Ruhelager auf, die nichts von jener Schwerfällig¬
keit ahnt, mit der das phlegmatische Temperament des Nordens die erste Lüftung
der Bettdecke überwindet, nur sein Auge empfindet den Unterschied zwischen
Tag und Nacht, die übrigen Sinne ruhen oder wachen mit gleicher Leichtig.
keit zu der einen, wie zu der andern Zeit. Das Feuer ist sein erster Gedanke;
von seiner Hängematte oder seinem Palmblätterlager eilt er sogleich an den
Heerd. zieht die am Abend sorgsam verscharrten Kohlen aus der Asche hervor
und weht sie mit dem Hute, den er nur während des Schlafes ablegt und als
erstes Bekleidungsstück wieder anlegt, in Brand; denn ohne glimmenden Heerd
und siedendes Wasser ist ihm sein Dasein in seiner armseligen Behausung ein
Unding. Der Caporal schickt einen Theil der Arneros zum Zusammentreiben
der Maulthiere ab. während er mit den übrigen den Lasso um das Gepäck
legt und alle Schlingen und Knoten schlägt, die das Aufladen beschleunigen.
Die Saumsättel werden gereinigt und aufgeklappt, die Schweißkissen gelockert
und von allen Druck verursachenden Unebenheiten gesäubert. Der Aufbruch
nnerReise gewährt stets ein munteres, unterhaltendes Bild, in den mancherlei Fertig¬
keiten, die sich der Creole in seinem Lebensgange aneignet, in der Leichtigkeit und
Schnelle, mit der er Gepäck und Thiere während des Aufladens handhabt,
thut es ihm keiner der naturalisirten Ausländer gleich. Unter den launigsten
Selbstgesprächen und Unterhaltungen mit den Thieren, die sich in eine lange
Kette von zweideutigen Zärtlichkeitsausdrücken. Flüchen u. s. w. ausdehnen,
nehmen je zwei Mann ein Thier in ihre Mitte, werfen hurtig auf jede
Seite des Saumsattels ein Stückgut, ziehen ein paar Male den Lasso hin-
über und herüber, schlagen etliche Knoten und Schlingen, und mit schalkhaftem
Spotte entlassen sie das übelgelaunte Langohr aus ihrer Hand, um mit dem
folgenden dieselbe Procedur vorzunehmen. Die eine Gruppe wetteifert mit der
andern. Scherz. Spott und Zank fliegen ohne Unterbrechung hin und her.
und wenn es den tückischen Versuchen eines der verschmitzten Maulthiere gelingt,
alle Bemühungen des Aufladens zu vereiteln oder sich einer schon festgeschnürten
Last zu entledigen. so erhebt sich auf der andern Seite ein lautes Hohngelächter.
Nicht ohne Wirrwarr und Zusammenstöße in dem engen Packraume werden die
Thiere in Bewegung gesetzt, bei jedem Aufbruch und jeder Annäherung an einen
Drt giebt das Muschelhorn seine schrillen Signale, und macht auf jeden
steilen oder gefahrvollen Paß. auf jedes Rencontre mit einem entgegenkommenden
Maullhierzuge aufmerksam, wo es gilt, die Thiere scharf ins Auge zu fassen.
Wenn die Sonne hoch am Mittag steht, läßt der Caporal die Thiere zusam-
wentrciben. gewöhnlich vor einer der kleinen Hütten an der Straße oder in
einer jener engen Thalschluchten, welche inmitten der Bergsavannen oder Cactus-


ruf des grauenden Morgens durch den Wald geht, wird es alsbald auch im
Lager lebendig. Der Creole springt zu jeder Stunde mit einer Leichtigkeit
und Munterkeit von seinem Ruhelager auf, die nichts von jener Schwerfällig¬
keit ahnt, mit der das phlegmatische Temperament des Nordens die erste Lüftung
der Bettdecke überwindet, nur sein Auge empfindet den Unterschied zwischen
Tag und Nacht, die übrigen Sinne ruhen oder wachen mit gleicher Leichtig.
keit zu der einen, wie zu der andern Zeit. Das Feuer ist sein erster Gedanke;
von seiner Hängematte oder seinem Palmblätterlager eilt er sogleich an den
Heerd. zieht die am Abend sorgsam verscharrten Kohlen aus der Asche hervor
und weht sie mit dem Hute, den er nur während des Schlafes ablegt und als
erstes Bekleidungsstück wieder anlegt, in Brand; denn ohne glimmenden Heerd
und siedendes Wasser ist ihm sein Dasein in seiner armseligen Behausung ein
Unding. Der Caporal schickt einen Theil der Arneros zum Zusammentreiben
der Maulthiere ab. während er mit den übrigen den Lasso um das Gepäck
legt und alle Schlingen und Knoten schlägt, die das Aufladen beschleunigen.
Die Saumsättel werden gereinigt und aufgeklappt, die Schweißkissen gelockert
und von allen Druck verursachenden Unebenheiten gesäubert. Der Aufbruch
nnerReise gewährt stets ein munteres, unterhaltendes Bild, in den mancherlei Fertig¬
keiten, die sich der Creole in seinem Lebensgange aneignet, in der Leichtigkeit und
Schnelle, mit der er Gepäck und Thiere während des Aufladens handhabt,
thut es ihm keiner der naturalisirten Ausländer gleich. Unter den launigsten
Selbstgesprächen und Unterhaltungen mit den Thieren, die sich in eine lange
Kette von zweideutigen Zärtlichkeitsausdrücken. Flüchen u. s. w. ausdehnen,
nehmen je zwei Mann ein Thier in ihre Mitte, werfen hurtig auf jede
Seite des Saumsattels ein Stückgut, ziehen ein paar Male den Lasso hin-
über und herüber, schlagen etliche Knoten und Schlingen, und mit schalkhaftem
Spotte entlassen sie das übelgelaunte Langohr aus ihrer Hand, um mit dem
folgenden dieselbe Procedur vorzunehmen. Die eine Gruppe wetteifert mit der
andern. Scherz. Spott und Zank fliegen ohne Unterbrechung hin und her.
und wenn es den tückischen Versuchen eines der verschmitzten Maulthiere gelingt,
alle Bemühungen des Aufladens zu vereiteln oder sich einer schon festgeschnürten
Last zu entledigen. so erhebt sich auf der andern Seite ein lautes Hohngelächter.
Nicht ohne Wirrwarr und Zusammenstöße in dem engen Packraume werden die
Thiere in Bewegung gesetzt, bei jedem Aufbruch und jeder Annäherung an einen
Drt giebt das Muschelhorn seine schrillen Signale, und macht auf jeden
steilen oder gefahrvollen Paß. auf jedes Rencontre mit einem entgegenkommenden
Maullhierzuge aufmerksam, wo es gilt, die Thiere scharf ins Auge zu fassen.
Wenn die Sonne hoch am Mittag steht, läßt der Caporal die Thiere zusam-
wentrciben. gewöhnlich vor einer der kleinen Hütten an der Straße oder in
einer jener engen Thalschluchten, welche inmitten der Bergsavannen oder Cactus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/335>, abgerufen am 28.09.2024.