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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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überwacht. Ihr geliebtes "Kaimanzito" (Krokodilchen), das sie nicht aus Augen
und Sinn gelassen, spaltet ihr das feuchte Holz und weht es mit dem breit-
krämpigen Strohhut in Brand; andre Hände tragen das Wasser herbei, und
wieder andre reinigen die Wunden der Mäuler, welche die Lasten in die Haut
gescheuert, treiben sie in das Gebüsch und verrammeln die Ausgänge, damit
die Heerde nicht über Nacht den Rückweg nach der heimathlichen Koppel an-
trete. Das Maulthier entweicht äußerst hartnäckig von fremden Reisestationen,
und legt mehr denn 40--50 Meilen nach der gewohnten Krippe zurück, wenn
es ihm gelingt zu entschlüpfen.

Wenn der Aras mit untergehender Sonne kreischend über die Wipfel der
Bäume seinem nächtlichen Schlupfwinkel zufliegt, suchen die schwatzenden Gruppen
ebenfalls ihre Ruhelager auf. Besorgte Blicke schweifen durch die Lichtung hin,
die das Flußbett gebrochen, den unten am Horizonte zeigt sich ein bedenklicher
Dunstkreis. Er verdichtet sich und überzieht bald den ganzen Himmel. Ein
schwerer Tropfen fällt in die glühenden Kohlen, der Donner grollt und nieder
duscht die Negcnfluth. Alles, was lebendig ist. strömt und drängt sich nach
dem winzig kleinen Schutzdache, der "Catschikamo" und die "Schlange", die sich
darunter zusammengerollt, wie Murmelthiere, vertheidigen heroisch ihr ver-
letztes Eigenthumsrecht. Vergeblich ist Bitte. Befehl und Drohung des Patrons,
seine zerbrechlichen Zuckerballen und das ebenso leicht vergängliche Schutzdach
in schonen. Eine Menschenschicht nach der andern wirft sich über das sorgsam
trocken gestellte Frachtgut, gleichviel, ob dieses unter ihnen zusammenbreche,
oder dem triefenden Regen bloß gelegt werde; es bleibt auch kein Quadratfuß
freier Luftraum in dem vollgedrängten Güterschuppen. Aber nicht lange dauern
die Freuden der Trockenheit; das schwache Machwerk klafft bei dem Gedränge aus¬
einander, der Regen sickert und fließt in die entstandenen Fugen und gräbt
unten durch die aufgeweichte Erde einen wahren Wasserstrom, mitten durch den
Schuppen hindurch. Die Hoffnung auf Rettung des Zuckers vor dem Zerfließen
stützt sich nur noch auf die gute Verpackung in trockner Cepa. durch deren
glatte, wasserdichte Epidermis das Wasser nicht einzudringen vermag. Zwischen
Patron und Arrieros entbrennt ein heftiger Zwiespalt; jener macht diese ver-
antwortlich für ihre Ladungen, diese glauben damit, daß sie dieselben unverletzt
hierher gebracht, ihrer Verantwortlichkeit genügt zu haben, und. wollen ihr"
Haut keinem Gewitter noch Regen verkauft haben. Endlich kommt durch gegen-
Zeitige Berücksichtigung der Umstände ein Compromiß zu Stande, zumal die
Traufe eher weniger als mehr Annehmlichkeiten darbietet, als der Regen unter
freiem Himmel. Der "rothe Drache" und Andre, weniger empfindlich gegen die
Schrecknisse der Wildniß. boten von Anfang an unter ihrer Covija neben dem aus-
gegossenen Aschenhaufen' der Sündfluth Trotz. Sie klammern sich mit Händen
und Zähnen an ihren Bananen und Schweinsrippen fest, während der Donner


Grenzboten II. 1865. 40

überwacht. Ihr geliebtes „Kaimanzito" (Krokodilchen), das sie nicht aus Augen
und Sinn gelassen, spaltet ihr das feuchte Holz und weht es mit dem breit-
krämpigen Strohhut in Brand; andre Hände tragen das Wasser herbei, und
wieder andre reinigen die Wunden der Mäuler, welche die Lasten in die Haut
gescheuert, treiben sie in das Gebüsch und verrammeln die Ausgänge, damit
die Heerde nicht über Nacht den Rückweg nach der heimathlichen Koppel an-
trete. Das Maulthier entweicht äußerst hartnäckig von fremden Reisestationen,
und legt mehr denn 40—50 Meilen nach der gewohnten Krippe zurück, wenn
es ihm gelingt zu entschlüpfen.

Wenn der Aras mit untergehender Sonne kreischend über die Wipfel der
Bäume seinem nächtlichen Schlupfwinkel zufliegt, suchen die schwatzenden Gruppen
ebenfalls ihre Ruhelager auf. Besorgte Blicke schweifen durch die Lichtung hin,
die das Flußbett gebrochen, den unten am Horizonte zeigt sich ein bedenklicher
Dunstkreis. Er verdichtet sich und überzieht bald den ganzen Himmel. Ein
schwerer Tropfen fällt in die glühenden Kohlen, der Donner grollt und nieder
duscht die Negcnfluth. Alles, was lebendig ist. strömt und drängt sich nach
dem winzig kleinen Schutzdache, der „Catschikamo" und die „Schlange", die sich
darunter zusammengerollt, wie Murmelthiere, vertheidigen heroisch ihr ver-
letztes Eigenthumsrecht. Vergeblich ist Bitte. Befehl und Drohung des Patrons,
seine zerbrechlichen Zuckerballen und das ebenso leicht vergängliche Schutzdach
in schonen. Eine Menschenschicht nach der andern wirft sich über das sorgsam
trocken gestellte Frachtgut, gleichviel, ob dieses unter ihnen zusammenbreche,
oder dem triefenden Regen bloß gelegt werde; es bleibt auch kein Quadratfuß
freier Luftraum in dem vollgedrängten Güterschuppen. Aber nicht lange dauern
die Freuden der Trockenheit; das schwache Machwerk klafft bei dem Gedränge aus¬
einander, der Regen sickert und fließt in die entstandenen Fugen und gräbt
unten durch die aufgeweichte Erde einen wahren Wasserstrom, mitten durch den
Schuppen hindurch. Die Hoffnung auf Rettung des Zuckers vor dem Zerfließen
stützt sich nur noch auf die gute Verpackung in trockner Cepa. durch deren
glatte, wasserdichte Epidermis das Wasser nicht einzudringen vermag. Zwischen
Patron und Arrieros entbrennt ein heftiger Zwiespalt; jener macht diese ver-
antwortlich für ihre Ladungen, diese glauben damit, daß sie dieselben unverletzt
hierher gebracht, ihrer Verantwortlichkeit genügt zu haben, und. wollen ihr«
Haut keinem Gewitter noch Regen verkauft haben. Endlich kommt durch gegen-
Zeitige Berücksichtigung der Umstände ein Compromiß zu Stande, zumal die
Traufe eher weniger als mehr Annehmlichkeiten darbietet, als der Regen unter
freiem Himmel. Der „rothe Drache" und Andre, weniger empfindlich gegen die
Schrecknisse der Wildniß. boten von Anfang an unter ihrer Covija neben dem aus-
gegossenen Aschenhaufen' der Sündfluth Trotz. Sie klammern sich mit Händen
und Zähnen an ihren Bananen und Schweinsrippen fest, während der Donner


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[0333] überwacht. Ihr geliebtes „Kaimanzito" (Krokodilchen), das sie nicht aus Augen und Sinn gelassen, spaltet ihr das feuchte Holz und weht es mit dem breit- krämpigen Strohhut in Brand; andre Hände tragen das Wasser herbei, und wieder andre reinigen die Wunden der Mäuler, welche die Lasten in die Haut gescheuert, treiben sie in das Gebüsch und verrammeln die Ausgänge, damit die Heerde nicht über Nacht den Rückweg nach der heimathlichen Koppel an- trete. Das Maulthier entweicht äußerst hartnäckig von fremden Reisestationen, und legt mehr denn 40—50 Meilen nach der gewohnten Krippe zurück, wenn es ihm gelingt zu entschlüpfen. Wenn der Aras mit untergehender Sonne kreischend über die Wipfel der Bäume seinem nächtlichen Schlupfwinkel zufliegt, suchen die schwatzenden Gruppen ebenfalls ihre Ruhelager auf. Besorgte Blicke schweifen durch die Lichtung hin, die das Flußbett gebrochen, den unten am Horizonte zeigt sich ein bedenklicher Dunstkreis. Er verdichtet sich und überzieht bald den ganzen Himmel. Ein schwerer Tropfen fällt in die glühenden Kohlen, der Donner grollt und nieder duscht die Negcnfluth. Alles, was lebendig ist. strömt und drängt sich nach dem winzig kleinen Schutzdache, der „Catschikamo" und die „Schlange", die sich darunter zusammengerollt, wie Murmelthiere, vertheidigen heroisch ihr ver- letztes Eigenthumsrecht. Vergeblich ist Bitte. Befehl und Drohung des Patrons, seine zerbrechlichen Zuckerballen und das ebenso leicht vergängliche Schutzdach in schonen. Eine Menschenschicht nach der andern wirft sich über das sorgsam trocken gestellte Frachtgut, gleichviel, ob dieses unter ihnen zusammenbreche, oder dem triefenden Regen bloß gelegt werde; es bleibt auch kein Quadratfuß freier Luftraum in dem vollgedrängten Güterschuppen. Aber nicht lange dauern die Freuden der Trockenheit; das schwache Machwerk klafft bei dem Gedränge aus¬ einander, der Regen sickert und fließt in die entstandenen Fugen und gräbt unten durch die aufgeweichte Erde einen wahren Wasserstrom, mitten durch den Schuppen hindurch. Die Hoffnung auf Rettung des Zuckers vor dem Zerfließen stützt sich nur noch auf die gute Verpackung in trockner Cepa. durch deren glatte, wasserdichte Epidermis das Wasser nicht einzudringen vermag. Zwischen Patron und Arrieros entbrennt ein heftiger Zwiespalt; jener macht diese ver- antwortlich für ihre Ladungen, diese glauben damit, daß sie dieselben unverletzt hierher gebracht, ihrer Verantwortlichkeit genügt zu haben, und. wollen ihr« Haut keinem Gewitter noch Regen verkauft haben. Endlich kommt durch gegen- Zeitige Berücksichtigung der Umstände ein Compromiß zu Stande, zumal die Traufe eher weniger als mehr Annehmlichkeiten darbietet, als der Regen unter freiem Himmel. Der „rothe Drache" und Andre, weniger empfindlich gegen die Schrecknisse der Wildniß. boten von Anfang an unter ihrer Covija neben dem aus- gegossenen Aschenhaufen' der Sündfluth Trotz. Sie klammern sich mit Händen und Zähnen an ihren Bananen und Schweinsrippen fest, während der Donner Grenzboten II. 1865. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/333>, abgerufen am 29.06.2024.