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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Schuh und Trockenheit beanspruchende Gepäck in Anspruch genommen werden.
Jeder sehe, wo erdleibe, jeder sehe, wie ers treibe! Der "Katschikamo"*) (Gürtelthier
entdeckt nach schlau umhergeworfenen Blicken einen höhlenartigen Winkel in
dem Packlager, darinnen er sich mit seinem Kameraden, der "Schlange" wie
ein Murmelthier zusammenrollt. Der "Padre", der "Kleine Schwarze" und
der "Affe" wählen einen hohen Kautschuckbaum, darinnen sie. wie in einem
geräumigen Ramado um ein kleines Feuer zusammenhocken und ihre nassen
Hemden und Hosen trocknen; der immer aufgeräumte "Pacharito" (Vögelchen)
und sein Vetter "Lorito" gesellen sich mit Cinco und Chucha zu ihnen, und bald
steigen aus dem alten hohlen Baume lustige Rauchwolken und Canzonen auf
als ob die Sagen von belebten Bäumen und Waldgeistern wieder lebendig
geworden wären. Der "Tigre" und "General Pisko" (Truthahn) werfen auf
einer Ochsenhaut die Würfel um gebackne Bananen und Panela; der "Guo-
scharako" (Schreipapagei) zankt mit drr pechschwarzen "Angelika" (Engelchen),
der Köchin, um die ihm zu gering zugemessene Portion Maissuppe, während
ihm der "Kaiman", der geliebte Freund "Angelitas", und dessen einarmiger
Vetter, der "Manko" unverkennbar zu verstehen geben, daß er sich schnell aus dem
Staube zu machen. Der "rothe Drache", der große stämmige Embarquiano,
der mehr in den Schlupfwinkeln der Wildniß als unter Menschen gelebt, und
seines wilden Aussehens, wie seiner umherschweifenden Lebensweise und thierischen
Stärke halber jene Bezeichnung) erhalten, streckt seine gewaltigen Glieder neben
dem rauchenden Lagerfeuer aus. die vom nassen Lehm erkalteten Füße gegen die
heiße Asche gerichtet und den Oberkörper mit der braunfascrigen Covija bedeckt
Neben ihm trocknen und wärmen sich andre Gruppen, die Einen müde und
schläfrig, die Andern ungeschwächten Humors, und der "guapo alsmav" (tapfre
Deutsche), wie man mich benannt! hatte, weiß seine kleine Hängematte von
Baumwollgcflecht zwischen zwei eingerammten Pfählen zu befestigen; schwebend
und schaukelnd dicht über zwei zottixen Zamboköpfen sucht und findet er hier
wie die Andern den wohlverdienten Schlaf nach mühseligen Tagewerk.

An der eisenharten Mataua°). von zweien Gabeln getragen, hängt über
dem Feuer der Kessel mit dem Maisbrei und Wildschweinsknochen, von
"Angelika", der schwarzen Schuhpatronin des wandernden Heerdes, geschäftig




Vatodieamo (Katschikamo. Gürtelthin) Schlange, r>a<Zr-z, tiZrs u. s. w. Die ZU
sammcngchörigen einer Ortschaft oder eines Umkreises der unteren ländlichen Bevölkerung be¬
legen sich meistentheils mit derartigen Beinamen, welche ihre äußeren Eigenthümlichkeiten-
Neigungen und Manier gewissermaßen charakterisiren, und sich so allgemein angeeignet im Volks'
munde fortpflanze" und fortleben, daß der wirkliche Name oft ganz darüber verloren geht-
°) N-u-ÄllÄ -- der Stamm der Guilelma Mänura, dessen äußere Holzschicht im reiferen
Alter so undurchdringlich fest und hart wird, daß die stärksten Aerte daran abprallen; n"r
das innere dünne, weiche Gewebe vergeht, der äußere schwarze Holzring spottet jeder Ver¬
witterung.

Schuh und Trockenheit beanspruchende Gepäck in Anspruch genommen werden.
Jeder sehe, wo erdleibe, jeder sehe, wie ers treibe! Der „Katschikamo"*) (Gürtelthier
entdeckt nach schlau umhergeworfenen Blicken einen höhlenartigen Winkel in
dem Packlager, darinnen er sich mit seinem Kameraden, der „Schlange" wie
ein Murmelthier zusammenrollt. Der „Padre", der „Kleine Schwarze" und
der „Affe" wählen einen hohen Kautschuckbaum, darinnen sie. wie in einem
geräumigen Ramado um ein kleines Feuer zusammenhocken und ihre nassen
Hemden und Hosen trocknen; der immer aufgeräumte „Pacharito" (Vögelchen)
und sein Vetter „Lorito" gesellen sich mit Cinco und Chucha zu ihnen, und bald
steigen aus dem alten hohlen Baume lustige Rauchwolken und Canzonen auf
als ob die Sagen von belebten Bäumen und Waldgeistern wieder lebendig
geworden wären. Der „Tigre" und „General Pisko" (Truthahn) werfen auf
einer Ochsenhaut die Würfel um gebackne Bananen und Panela; der „Guo-
scharako" (Schreipapagei) zankt mit drr pechschwarzen „Angelika" (Engelchen),
der Köchin, um die ihm zu gering zugemessene Portion Maissuppe, während
ihm der „Kaiman", der geliebte Freund „Angelitas", und dessen einarmiger
Vetter, der „Manko" unverkennbar zu verstehen geben, daß er sich schnell aus dem
Staube zu machen. Der „rothe Drache", der große stämmige Embarquiano,
der mehr in den Schlupfwinkeln der Wildniß als unter Menschen gelebt, und
seines wilden Aussehens, wie seiner umherschweifenden Lebensweise und thierischen
Stärke halber jene Bezeichnung) erhalten, streckt seine gewaltigen Glieder neben
dem rauchenden Lagerfeuer aus. die vom nassen Lehm erkalteten Füße gegen die
heiße Asche gerichtet und den Oberkörper mit der braunfascrigen Covija bedeckt
Neben ihm trocknen und wärmen sich andre Gruppen, die Einen müde und
schläfrig, die Andern ungeschwächten Humors, und der „guapo alsmav" (tapfre
Deutsche), wie man mich benannt! hatte, weiß seine kleine Hängematte von
Baumwollgcflecht zwischen zwei eingerammten Pfählen zu befestigen; schwebend
und schaukelnd dicht über zwei zottixen Zamboköpfen sucht und findet er hier
wie die Andern den wohlverdienten Schlaf nach mühseligen Tagewerk.

An der eisenharten Mataua°). von zweien Gabeln getragen, hängt über
dem Feuer der Kessel mit dem Maisbrei und Wildschweinsknochen, von
„Angelika", der schwarzen Schuhpatronin des wandernden Heerdes, geschäftig




Vatodieamo (Katschikamo. Gürtelthin) Schlange, r>a<Zr-z, tiZrs u. s. w. Die ZU
sammcngchörigen einer Ortschaft oder eines Umkreises der unteren ländlichen Bevölkerung be¬
legen sich meistentheils mit derartigen Beinamen, welche ihre äußeren Eigenthümlichkeiten-
Neigungen und Manier gewissermaßen charakterisiren, und sich so allgemein angeeignet im Volks'
munde fortpflanze» und fortleben, daß der wirkliche Name oft ganz darüber verloren geht-
°) N-u-ÄllÄ — der Stamm der Guilelma Mänura, dessen äußere Holzschicht im reiferen
Alter so undurchdringlich fest und hart wird, daß die stärksten Aerte daran abprallen; n»r
das innere dünne, weiche Gewebe vergeht, der äußere schwarze Holzring spottet jeder Ver¬
witterung.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/332>, abgerufen am 29.06.2024.