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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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falle für ein anderes ausgeschiedenes einzutreten; die Hälfte der Frachten ent¬
hielt Mundvorräthe und Geräthschaften. die^ andere Hälfte bestand aus
Waaren, namentlich Zucker, dem Hauptproducte des Gebietes von Ocana,
um mit diesem die ersten Handelsverbindungen mit Maracaibo anzuknüpfen.
Nur den beiden Frauen und Kindern, die dem Zuge angehörten, waren
Reitthiere zugetheilt. K. und ich nahmen nur einen Sattel in Beschlag, dessen Nie߬
brauch von einer Station zur andern unter uns abwechseln sollte; da aber meine
Beine noch bedeutend jünger und überdies durch die voraufgegangenen Jahre
unausgesetzter Wanderung in den Ebenen wie im Gebirge das Laufen,
sehr gewohnt worden waren, trat ich meine Rechte an den Sattel gänzlich ab.

Beide Züge wurden durch die Entfernung einer Tagereise von einander
Actrennt: jeder hatte seinen embÄiMitmo und eaxoral bei sich. Commando
und Verwaltung der Lebensmittel und des Gepäcks übernahmen K. und ich.
jeder bei seinem Zuge. Dieses Commando über so bunt zusammengesetzte Ele¬
mente ist leichter übernommen, als glücklich durchgeführt. Während eine dis-
ciplinirte Schaar maschinenmäßig durch einen kurzen Befehl selbst von bart-
losen Lippen regiert wird, bedarf es hier der Verschwendung vieler Worte.
Viele Ueberredungs- und Borstcllungskünste. viel Tact und Kenntniß der Racen-
charaktere zum rechten und rechtzeitigen Gebrauch von Nachsicht und Strenge.
Wz eines bedeutenden moralischen Uebergewichtes. da d'le Stütze der
physischen Gewalt gänzlich fehlt.

So leicht der einzelne Wanderer zu Fuß oder zu Pferde weite Strecken
unwegsamen und obdachlosen Landes durchstreifen mag. so langwierig und be
schwerlich gestalten sich solche Reisen mit einem großen Train von Menschen,
Thieren und Gepäck. Langsam schleppen die Thiere ihre Lasten auf den
schlüpfrigen Pfaden fort; wiederholtes Fallen, Verschieben der Lasten, gefahrvolle
Passe haben ein beständiges Aufhalten und Antreiben. Ab- und Aufladen zur
Folge. Steht ein Thier, so stockt der ganze Zug. Und solche schleichende und
°se gehemmte Bewegung wirkt bedeutend ermüdender und aufreibender auf Geist
und Körper, als ein rasches gleichmäßiges Ausschreiten, wo die Bilder schnell
wechselnd an den Augen vorüberziehen. Die unaufhörlichen Zurufe und Flüche
der Arrieros. die nervenerschüttcrnden Mißtöne der Muschelhörner, der schwere,
sesthaftende Lehm unter den zerfetzten Sandalen, das Durchwaten der Flüsse.
Mer auf dem Steingerölle. Zerritzen in den Dornen, denen sich zu entziehen
Man durch die Schneckenbewegung des Zuges verhindert ist. die mangelhafte
Befriedigung aller Bedürfnisse. Hunger. Durst. Abmattung und Unpäßlichkeit,
alles das wirkt zusammen, um nach und nach einen Zustand gänzlicher Apathie
herbeizuführen. Endlich langt die Karavane bei einer ihrer nächtlichen Posadas
die winzigen Schuppen, aus einigen Palmenblättern zusammengestellt,
dom natürlich nur der Minderzahl ein Obdach, da sie fast gänzlich durch das


falle für ein anderes ausgeschiedenes einzutreten; die Hälfte der Frachten ent¬
hielt Mundvorräthe und Geräthschaften. die^ andere Hälfte bestand aus
Waaren, namentlich Zucker, dem Hauptproducte des Gebietes von Ocana,
um mit diesem die ersten Handelsverbindungen mit Maracaibo anzuknüpfen.
Nur den beiden Frauen und Kindern, die dem Zuge angehörten, waren
Reitthiere zugetheilt. K. und ich nahmen nur einen Sattel in Beschlag, dessen Nie߬
brauch von einer Station zur andern unter uns abwechseln sollte; da aber meine
Beine noch bedeutend jünger und überdies durch die voraufgegangenen Jahre
unausgesetzter Wanderung in den Ebenen wie im Gebirge das Laufen,
sehr gewohnt worden waren, trat ich meine Rechte an den Sattel gänzlich ab.

Beide Züge wurden durch die Entfernung einer Tagereise von einander
Actrennt: jeder hatte seinen embÄiMitmo und eaxoral bei sich. Commando
und Verwaltung der Lebensmittel und des Gepäcks übernahmen K. und ich.
jeder bei seinem Zuge. Dieses Commando über so bunt zusammengesetzte Ele¬
mente ist leichter übernommen, als glücklich durchgeführt. Während eine dis-
ciplinirte Schaar maschinenmäßig durch einen kurzen Befehl selbst von bart-
losen Lippen regiert wird, bedarf es hier der Verschwendung vieler Worte.
Viele Ueberredungs- und Borstcllungskünste. viel Tact und Kenntniß der Racen-
charaktere zum rechten und rechtzeitigen Gebrauch von Nachsicht und Strenge.
Wz eines bedeutenden moralischen Uebergewichtes. da d'le Stütze der
physischen Gewalt gänzlich fehlt.

So leicht der einzelne Wanderer zu Fuß oder zu Pferde weite Strecken
unwegsamen und obdachlosen Landes durchstreifen mag. so langwierig und be
schwerlich gestalten sich solche Reisen mit einem großen Train von Menschen,
Thieren und Gepäck. Langsam schleppen die Thiere ihre Lasten auf den
schlüpfrigen Pfaden fort; wiederholtes Fallen, Verschieben der Lasten, gefahrvolle
Passe haben ein beständiges Aufhalten und Antreiben. Ab- und Aufladen zur
Folge. Steht ein Thier, so stockt der ganze Zug. Und solche schleichende und
°se gehemmte Bewegung wirkt bedeutend ermüdender und aufreibender auf Geist
und Körper, als ein rasches gleichmäßiges Ausschreiten, wo die Bilder schnell
wechselnd an den Augen vorüberziehen. Die unaufhörlichen Zurufe und Flüche
der Arrieros. die nervenerschüttcrnden Mißtöne der Muschelhörner, der schwere,
sesthaftende Lehm unter den zerfetzten Sandalen, das Durchwaten der Flüsse.
Mer auf dem Steingerölle. Zerritzen in den Dornen, denen sich zu entziehen
Man durch die Schneckenbewegung des Zuges verhindert ist. die mangelhafte
Befriedigung aller Bedürfnisse. Hunger. Durst. Abmattung und Unpäßlichkeit,
alles das wirkt zusammen, um nach und nach einen Zustand gänzlicher Apathie
herbeizuführen. Endlich langt die Karavane bei einer ihrer nächtlichen Posadas
die winzigen Schuppen, aus einigen Palmenblättern zusammengestellt,
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[0331] falle für ein anderes ausgeschiedenes einzutreten; die Hälfte der Frachten ent¬ hielt Mundvorräthe und Geräthschaften. die^ andere Hälfte bestand aus Waaren, namentlich Zucker, dem Hauptproducte des Gebietes von Ocana, um mit diesem die ersten Handelsverbindungen mit Maracaibo anzuknüpfen. Nur den beiden Frauen und Kindern, die dem Zuge angehörten, waren Reitthiere zugetheilt. K. und ich nahmen nur einen Sattel in Beschlag, dessen Nie߬ brauch von einer Station zur andern unter uns abwechseln sollte; da aber meine Beine noch bedeutend jünger und überdies durch die voraufgegangenen Jahre unausgesetzter Wanderung in den Ebenen wie im Gebirge das Laufen, sehr gewohnt worden waren, trat ich meine Rechte an den Sattel gänzlich ab. Beide Züge wurden durch die Entfernung einer Tagereise von einander Actrennt: jeder hatte seinen embÄiMitmo und eaxoral bei sich. Commando und Verwaltung der Lebensmittel und des Gepäcks übernahmen K. und ich. jeder bei seinem Zuge. Dieses Commando über so bunt zusammengesetzte Ele¬ mente ist leichter übernommen, als glücklich durchgeführt. Während eine dis- ciplinirte Schaar maschinenmäßig durch einen kurzen Befehl selbst von bart- losen Lippen regiert wird, bedarf es hier der Verschwendung vieler Worte. Viele Ueberredungs- und Borstcllungskünste. viel Tact und Kenntniß der Racen- charaktere zum rechten und rechtzeitigen Gebrauch von Nachsicht und Strenge. Wz eines bedeutenden moralischen Uebergewichtes. da d'le Stütze der physischen Gewalt gänzlich fehlt. So leicht der einzelne Wanderer zu Fuß oder zu Pferde weite Strecken unwegsamen und obdachlosen Landes durchstreifen mag. so langwierig und be schwerlich gestalten sich solche Reisen mit einem großen Train von Menschen, Thieren und Gepäck. Langsam schleppen die Thiere ihre Lasten auf den schlüpfrigen Pfaden fort; wiederholtes Fallen, Verschieben der Lasten, gefahrvolle Passe haben ein beständiges Aufhalten und Antreiben. Ab- und Aufladen zur Folge. Steht ein Thier, so stockt der ganze Zug. Und solche schleichende und °se gehemmte Bewegung wirkt bedeutend ermüdender und aufreibender auf Geist und Körper, als ein rasches gleichmäßiges Ausschreiten, wo die Bilder schnell wechselnd an den Augen vorüberziehen. Die unaufhörlichen Zurufe und Flüche der Arrieros. die nervenerschüttcrnden Mißtöne der Muschelhörner, der schwere, sesthaftende Lehm unter den zerfetzten Sandalen, das Durchwaten der Flüsse. Mer auf dem Steingerölle. Zerritzen in den Dornen, denen sich zu entziehen Man durch die Schneckenbewegung des Zuges verhindert ist. die mangelhafte Befriedigung aller Bedürfnisse. Hunger. Durst. Abmattung und Unpäßlichkeit, alles das wirkt zusammen, um nach und nach einen Zustand gänzlicher Apathie herbeizuführen. Endlich langt die Karavane bei einer ihrer nächtlichen Posadas die winzigen Schuppen, aus einigen Palmenblättern zusammengestellt, dom natürlich nur der Minderzahl ein Obdach, da sie fast gänzlich durch das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/331>, abgerufen am 29.06.2024.