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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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bald kehrte selbst den Furchtsamen ein guter Humor zurück. Um ferneren
unnützen Alarmirungen vorzubeugen, erbot sich der Embarquiano. die Wache
zu übernehmen, damit jeder schlafen könne, bis er Ablösung fordern werde.
Bald darauf schnarchte es allenthalben um mich, und auch ich schloß die Augen.
Um Mitternacht etwa rüttelte mich der Wachthabende, als ich gerade von wild¬
tanzenden Rothhäuten träumte. Erschrocken schnellte ich empor, aber die Stille
ringsum und das Gesicht des bekannten Weckers klärten mein Bewußtsein ans.
Er zeigte mit der Hand nach Norden, und mit den Augen dahin folgend, sah
ich an dem fernen Horizont einen rothen Feuerschein aufsteigen. "Da sehen
Sie. wie sie lustig schmausen, die Picaris;" sagte er lächelnd, "wären wir zwei
oder drei Tage früher hierher gekommen, so- Härten wir an ihrem Spieß
gesteckt!-

Für dieses Mal glaubte er uns der Gefahr des Zusammentreffens mit
den Indios Bravos überhoben, und bezweifelte auch deren Wiederkehr, sofern
sie erst ausgekundschaftet, daß Cultur und Menschen inzwischen von diesem
wüsten Gebiete Besitz ergriffen, dann fügte er hinzu "die Pulverpfanne und der
Rosario der Christen macht auf die Heiden einen großen Eindruck". -- Sie
mußten ein lustiges Feuer angefacht und viel daran zu braten haben, denn die
rothe Gluth stieg bis über ein Viertel des Himmelsbogens hinauf; plötzlich aber
erlosch dieselbe, sie hatten jedenfalls das Feuer ausgegossen, um aus irgend¬
einem Grunde den Rest der Nacht über keine Zeichen mehr von sich zu geben.

Am andern Morgen, mit Tageshelle. wagten auch wir ein kleines Feuer
anzufachen, aber groß genug, um den nüchternen fröstelnden Körper durch einen
Trunk warmen Kaffees aufzufrischen. Während dessen wurden die Thiere gesat-
telt und der Rückzug in fliegender Hast angetreten. Erst in dem Hafen der
Salvacion kehrte allen Muth und Ruhe zurück. Nach Abhaltung eines Rast¬
tages wurde der Rückmarsch ungesäumt fortgesetzt, bis wir endlich wieder auf
°le rothen Ziegeldächer und lichtgrünen Zuckerrohr-, und Bananenfelder von
l" Conveiicion hinabschauten, fröhlich jodelnd, mit Hornrufen und Flintenschüssen
unsere Rückkehr anzeigten und von den Bewohnern des Pueblos und unsern
Freunden jubelnd empfangen wurden.

Währenddessen waren die Arbeiten K's. soweit gediehen, daß die Karavane
sich in Bewegung setzen konnte. Uns Heimgekehrten aber bedang ich zuvor
"och eine achttägige Frist zur Kräftigung unsrer mürben Glieder und zur Hei¬
lung der Unpäßlichkeiten, die wir uns zugezogen. Ein solenner Ball belohnte
die Ausdauer und Hingebung meiner wenigen getreuen Pfadbrecher. An einem
jener anmuthigen Frühlingsmorgen endlich, wie sie das untere Gebirge um
Ocakia fast täglich wiederkehren sieht, brach unter der lebhaftesten Theilnahme
des kleinen Pueblo und seiner nächsten Umgebung die Reisekolonne von
55 Maulthieren. 2 Pferden und 26 Menschen nach dem Catatumbo auf, um


bald kehrte selbst den Furchtsamen ein guter Humor zurück. Um ferneren
unnützen Alarmirungen vorzubeugen, erbot sich der Embarquiano. die Wache
zu übernehmen, damit jeder schlafen könne, bis er Ablösung fordern werde.
Bald darauf schnarchte es allenthalben um mich, und auch ich schloß die Augen.
Um Mitternacht etwa rüttelte mich der Wachthabende, als ich gerade von wild¬
tanzenden Rothhäuten träumte. Erschrocken schnellte ich empor, aber die Stille
ringsum und das Gesicht des bekannten Weckers klärten mein Bewußtsein ans.
Er zeigte mit der Hand nach Norden, und mit den Augen dahin folgend, sah
ich an dem fernen Horizont einen rothen Feuerschein aufsteigen. „Da sehen
Sie. wie sie lustig schmausen, die Picaris;" sagte er lächelnd, „wären wir zwei
oder drei Tage früher hierher gekommen, so- Härten wir an ihrem Spieß
gesteckt!-

Für dieses Mal glaubte er uns der Gefahr des Zusammentreffens mit
den Indios Bravos überhoben, und bezweifelte auch deren Wiederkehr, sofern
sie erst ausgekundschaftet, daß Cultur und Menschen inzwischen von diesem
wüsten Gebiete Besitz ergriffen, dann fügte er hinzu „die Pulverpfanne und der
Rosario der Christen macht auf die Heiden einen großen Eindruck". — Sie
mußten ein lustiges Feuer angefacht und viel daran zu braten haben, denn die
rothe Gluth stieg bis über ein Viertel des Himmelsbogens hinauf; plötzlich aber
erlosch dieselbe, sie hatten jedenfalls das Feuer ausgegossen, um aus irgend¬
einem Grunde den Rest der Nacht über keine Zeichen mehr von sich zu geben.

Am andern Morgen, mit Tageshelle. wagten auch wir ein kleines Feuer
anzufachen, aber groß genug, um den nüchternen fröstelnden Körper durch einen
Trunk warmen Kaffees aufzufrischen. Während dessen wurden die Thiere gesat-
telt und der Rückzug in fliegender Hast angetreten. Erst in dem Hafen der
Salvacion kehrte allen Muth und Ruhe zurück. Nach Abhaltung eines Rast¬
tages wurde der Rückmarsch ungesäumt fortgesetzt, bis wir endlich wieder auf
°le rothen Ziegeldächer und lichtgrünen Zuckerrohr-, und Bananenfelder von
l» Conveiicion hinabschauten, fröhlich jodelnd, mit Hornrufen und Flintenschüssen
unsere Rückkehr anzeigten und von den Bewohnern des Pueblos und unsern
Freunden jubelnd empfangen wurden.

Währenddessen waren die Arbeiten K's. soweit gediehen, daß die Karavane
sich in Bewegung setzen konnte. Uns Heimgekehrten aber bedang ich zuvor
"och eine achttägige Frist zur Kräftigung unsrer mürben Glieder und zur Hei¬
lung der Unpäßlichkeiten, die wir uns zugezogen. Ein solenner Ball belohnte
die Ausdauer und Hingebung meiner wenigen getreuen Pfadbrecher. An einem
jener anmuthigen Frühlingsmorgen endlich, wie sie das untere Gebirge um
Ocakia fast täglich wiederkehren sieht, brach unter der lebhaftesten Theilnahme
des kleinen Pueblo und seiner nächsten Umgebung die Reisekolonne von
55 Maulthieren. 2 Pferden und 26 Menschen nach dem Catatumbo auf, um


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[0329] bald kehrte selbst den Furchtsamen ein guter Humor zurück. Um ferneren unnützen Alarmirungen vorzubeugen, erbot sich der Embarquiano. die Wache zu übernehmen, damit jeder schlafen könne, bis er Ablösung fordern werde. Bald darauf schnarchte es allenthalben um mich, und auch ich schloß die Augen. Um Mitternacht etwa rüttelte mich der Wachthabende, als ich gerade von wild¬ tanzenden Rothhäuten träumte. Erschrocken schnellte ich empor, aber die Stille ringsum und das Gesicht des bekannten Weckers klärten mein Bewußtsein ans. Er zeigte mit der Hand nach Norden, und mit den Augen dahin folgend, sah ich an dem fernen Horizont einen rothen Feuerschein aufsteigen. „Da sehen Sie. wie sie lustig schmausen, die Picaris;" sagte er lächelnd, „wären wir zwei oder drei Tage früher hierher gekommen, so- Härten wir an ihrem Spieß gesteckt!- Für dieses Mal glaubte er uns der Gefahr des Zusammentreffens mit den Indios Bravos überhoben, und bezweifelte auch deren Wiederkehr, sofern sie erst ausgekundschaftet, daß Cultur und Menschen inzwischen von diesem wüsten Gebiete Besitz ergriffen, dann fügte er hinzu „die Pulverpfanne und der Rosario der Christen macht auf die Heiden einen großen Eindruck". — Sie mußten ein lustiges Feuer angefacht und viel daran zu braten haben, denn die rothe Gluth stieg bis über ein Viertel des Himmelsbogens hinauf; plötzlich aber erlosch dieselbe, sie hatten jedenfalls das Feuer ausgegossen, um aus irgend¬ einem Grunde den Rest der Nacht über keine Zeichen mehr von sich zu geben. Am andern Morgen, mit Tageshelle. wagten auch wir ein kleines Feuer anzufachen, aber groß genug, um den nüchternen fröstelnden Körper durch einen Trunk warmen Kaffees aufzufrischen. Während dessen wurden die Thiere gesat- telt und der Rückzug in fliegender Hast angetreten. Erst in dem Hafen der Salvacion kehrte allen Muth und Ruhe zurück. Nach Abhaltung eines Rast¬ tages wurde der Rückmarsch ungesäumt fortgesetzt, bis wir endlich wieder auf °le rothen Ziegeldächer und lichtgrünen Zuckerrohr-, und Bananenfelder von l» Conveiicion hinabschauten, fröhlich jodelnd, mit Hornrufen und Flintenschüssen unsere Rückkehr anzeigten und von den Bewohnern des Pueblos und unsern Freunden jubelnd empfangen wurden. Währenddessen waren die Arbeiten K's. soweit gediehen, daß die Karavane sich in Bewegung setzen konnte. Uns Heimgekehrten aber bedang ich zuvor "och eine achttägige Frist zur Kräftigung unsrer mürben Glieder und zur Hei¬ lung der Unpäßlichkeiten, die wir uns zugezogen. Ein solenner Ball belohnte die Ausdauer und Hingebung meiner wenigen getreuen Pfadbrecher. An einem jener anmuthigen Frühlingsmorgen endlich, wie sie das untere Gebirge um Ocakia fast täglich wiederkehren sieht, brach unter der lebhaftesten Theilnahme des kleinen Pueblo und seiner nächsten Umgebung die Reisekolonne von 55 Maulthieren. 2 Pferden und 26 Menschen nach dem Catatumbo auf, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/329>, abgerufen am 29.06.2024.