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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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in die dunklen Gänge des Geschicks, in den innersten Kern der Zustände und
Ereignisse ein. Für jede Wallung seiner warmen und tiefen Empfindung weiß
er den vollsten Ton anzuschlagen. Altes und Neues, Geschichtschreiber. Red¬
ner und Dichter macht er seinen Zwecken dienstbar, niemals aber als ein Ent¬
lehner fremder Blumen, sondern bei reizvollster und fesselndster Abwechslung,
mannigfachster Abstufung seiner Farben überall originell, überall einzig.

Ein Geist wie der des Tacitus war durch die Noth der schweren Zeit ge¬
stählt worden. "Ihn lehrte der Schmerz der Zeit". Minder energischen Geistern
hatte der Druck derselben ihre Spannkraft genommen. Einmal, wie Plinius
sagt, "abgestumpft, gebrochen, aufgerieben", vermochten sie in der jetzt be.
girrenden bessern Zeit die Frische zu künstlichen Productionen nicht wiederzu-
gewinnen, zumal auch das Publicum ihnen nicht durch Theilnahme hebend
und fördernd zur Seite stand, und so ist denn Juvenal der einzige namhafte
Dichter, welchen die Regierungszeit Trojans aufzuweisen hat.

Mehr unmittelbaren Antheil an der Literatur nahm sein Nachfolger.
Hadrian hatte von Haus aus eine so einseitig gräcisnende Bildung erhalten
und schien sich so ausschließlich dahin zu neigen, daß man ihn von gewissen
Seiten geradezu als Griechiing bezeichnete. Nachdem er aber als junger Be¬
amter wegen der ungeschickten Art. mit der er ein kaiserliches Handschreiben im
Senat vortrug, ausgelacht worden war, studirte er auch die Lateiner und er¬
warb sich auch hier ausgebreitete Kenntntsse und Gewandtheit der Rede. Er
selbst schrieb allerlei, griechisch und lateinisch, in Prosa und in Versen, aber
das Meiste war leichte Waare.

Zur Förderung der Studien und der Literatur stiftete Hadrian das Athenäum,
das zwischen den Einrichtungen unserer heutigen Universitäten und Akademien
etwa die Mitte einhielt. Dichter. Rhetoren und Philosophen vornehmlich waren
hier vereint und hielten ihre Borlesungen. Nicht ernste. eigentlich wissenschaft¬
liche Interessen waren es. die den Kaiser zu dieser Stiftung veranlaßten.

Er selbst dilcttirte fast auf allen Gebieten, nicht nur auf dem literarischen
und dem wissenschaftlichen, -- auch den schönen Künsten blieb er nicht fremd;
er trieb Spiel und Gesang, wie Skulptur und Malerei, und bildete sich etwas
darauf ein. Am stärksten trat dieser Hochmuth seiner gelehrten Umgebung gegen¬
über hervor: er zog Grammatiker. Rhetoren. Mathematiker und Astrologen in
seine Nähe, er lohnte ihnen reichlich mit Geld und mit äußeren Ehren, aber
während er eigentlich jede hervorragende Größe unter ihnen beneidete, die ihn
w den Schalten stellte, machte er ihnen selbst gegenüber den Anspruch, alles
besser zu wissen, verhöhnte und verlachte sie deshalb, ließ sich mit ihnen in
Wettkämpfe in ungebundener wie in gebundener Rede ein. und quälte sie mit
Fragen. die meist leichter zu stellen als zu beantworten gewesen sein mögen.

Erscheint so jene Stiftung theils aus der Befriedigung persönlicher Eitel-


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in die dunklen Gänge des Geschicks, in den innersten Kern der Zustände und
Ereignisse ein. Für jede Wallung seiner warmen und tiefen Empfindung weiß
er den vollsten Ton anzuschlagen. Altes und Neues, Geschichtschreiber. Red¬
ner und Dichter macht er seinen Zwecken dienstbar, niemals aber als ein Ent¬
lehner fremder Blumen, sondern bei reizvollster und fesselndster Abwechslung,
mannigfachster Abstufung seiner Farben überall originell, überall einzig.

Ein Geist wie der des Tacitus war durch die Noth der schweren Zeit ge¬
stählt worden. „Ihn lehrte der Schmerz der Zeit". Minder energischen Geistern
hatte der Druck derselben ihre Spannkraft genommen. Einmal, wie Plinius
sagt, „abgestumpft, gebrochen, aufgerieben", vermochten sie in der jetzt be.
girrenden bessern Zeit die Frische zu künstlichen Productionen nicht wiederzu-
gewinnen, zumal auch das Publicum ihnen nicht durch Theilnahme hebend
und fördernd zur Seite stand, und so ist denn Juvenal der einzige namhafte
Dichter, welchen die Regierungszeit Trojans aufzuweisen hat.

Mehr unmittelbaren Antheil an der Literatur nahm sein Nachfolger.
Hadrian hatte von Haus aus eine so einseitig gräcisnende Bildung erhalten
und schien sich so ausschließlich dahin zu neigen, daß man ihn von gewissen
Seiten geradezu als Griechiing bezeichnete. Nachdem er aber als junger Be¬
amter wegen der ungeschickten Art. mit der er ein kaiserliches Handschreiben im
Senat vortrug, ausgelacht worden war, studirte er auch die Lateiner und er¬
warb sich auch hier ausgebreitete Kenntntsse und Gewandtheit der Rede. Er
selbst schrieb allerlei, griechisch und lateinisch, in Prosa und in Versen, aber
das Meiste war leichte Waare.

Zur Förderung der Studien und der Literatur stiftete Hadrian das Athenäum,
das zwischen den Einrichtungen unserer heutigen Universitäten und Akademien
etwa die Mitte einhielt. Dichter. Rhetoren und Philosophen vornehmlich waren
hier vereint und hielten ihre Borlesungen. Nicht ernste. eigentlich wissenschaft¬
liche Interessen waren es. die den Kaiser zu dieser Stiftung veranlaßten.

Er selbst dilcttirte fast auf allen Gebieten, nicht nur auf dem literarischen
und dem wissenschaftlichen, — auch den schönen Künsten blieb er nicht fremd;
er trieb Spiel und Gesang, wie Skulptur und Malerei, und bildete sich etwas
darauf ein. Am stärksten trat dieser Hochmuth seiner gelehrten Umgebung gegen¬
über hervor: er zog Grammatiker. Rhetoren. Mathematiker und Astrologen in
seine Nähe, er lohnte ihnen reichlich mit Geld und mit äußeren Ehren, aber
während er eigentlich jede hervorragende Größe unter ihnen beneidete, die ihn
w den Schalten stellte, machte er ihnen selbst gegenüber den Anspruch, alles
besser zu wissen, verhöhnte und verlachte sie deshalb, ließ sich mit ihnen in
Wettkämpfe in ungebundener wie in gebundener Rede ein. und quälte sie mit
Fragen. die meist leichter zu stellen als zu beantworten gewesen sein mögen.

Erscheint so jene Stiftung theils aus der Befriedigung persönlicher Eitel-


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[0319] in die dunklen Gänge des Geschicks, in den innersten Kern der Zustände und Ereignisse ein. Für jede Wallung seiner warmen und tiefen Empfindung weiß er den vollsten Ton anzuschlagen. Altes und Neues, Geschichtschreiber. Red¬ ner und Dichter macht er seinen Zwecken dienstbar, niemals aber als ein Ent¬ lehner fremder Blumen, sondern bei reizvollster und fesselndster Abwechslung, mannigfachster Abstufung seiner Farben überall originell, überall einzig. Ein Geist wie der des Tacitus war durch die Noth der schweren Zeit ge¬ stählt worden. „Ihn lehrte der Schmerz der Zeit". Minder energischen Geistern hatte der Druck derselben ihre Spannkraft genommen. Einmal, wie Plinius sagt, „abgestumpft, gebrochen, aufgerieben", vermochten sie in der jetzt be. girrenden bessern Zeit die Frische zu künstlichen Productionen nicht wiederzu- gewinnen, zumal auch das Publicum ihnen nicht durch Theilnahme hebend und fördernd zur Seite stand, und so ist denn Juvenal der einzige namhafte Dichter, welchen die Regierungszeit Trojans aufzuweisen hat. Mehr unmittelbaren Antheil an der Literatur nahm sein Nachfolger. Hadrian hatte von Haus aus eine so einseitig gräcisnende Bildung erhalten und schien sich so ausschließlich dahin zu neigen, daß man ihn von gewissen Seiten geradezu als Griechiing bezeichnete. Nachdem er aber als junger Be¬ amter wegen der ungeschickten Art. mit der er ein kaiserliches Handschreiben im Senat vortrug, ausgelacht worden war, studirte er auch die Lateiner und er¬ warb sich auch hier ausgebreitete Kenntntsse und Gewandtheit der Rede. Er selbst schrieb allerlei, griechisch und lateinisch, in Prosa und in Versen, aber das Meiste war leichte Waare. Zur Förderung der Studien und der Literatur stiftete Hadrian das Athenäum, das zwischen den Einrichtungen unserer heutigen Universitäten und Akademien etwa die Mitte einhielt. Dichter. Rhetoren und Philosophen vornehmlich waren hier vereint und hielten ihre Borlesungen. Nicht ernste. eigentlich wissenschaft¬ liche Interessen waren es. die den Kaiser zu dieser Stiftung veranlaßten. Er selbst dilcttirte fast auf allen Gebieten, nicht nur auf dem literarischen und dem wissenschaftlichen, — auch den schönen Künsten blieb er nicht fremd; er trieb Spiel und Gesang, wie Skulptur und Malerei, und bildete sich etwas darauf ein. Am stärksten trat dieser Hochmuth seiner gelehrten Umgebung gegen¬ über hervor: er zog Grammatiker. Rhetoren. Mathematiker und Astrologen in seine Nähe, er lohnte ihnen reichlich mit Geld und mit äußeren Ehren, aber während er eigentlich jede hervorragende Größe unter ihnen beneidete, die ihn w den Schalten stellte, machte er ihnen selbst gegenüber den Anspruch, alles besser zu wissen, verhöhnte und verlachte sie deshalb, ließ sich mit ihnen in Wettkämpfe in ungebundener wie in gebundener Rede ein. und quälte sie mit Fragen. die meist leichter zu stellen als zu beantworten gewesen sein mögen. Erscheint so jene Stiftung theils aus der Befriedigung persönlicher Eitel- 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/319>, abgerufen am 28.09.2024.