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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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hindert, nicht zurück. Am 6. December endlich eröffnete er das Parlament,
nicht ohne Hoffnung, eine Vermehrung der Armee durchsetzen zu können. Er
drückte daher in der Thronrede seine feste Ueberzeugung aus, daß die Hauser
bereit sein würden, alles für die Sicherheit. Ehre und das Glück des Landes
Erforderliche zu thun. Weiter fordere er nichts. Wenn sie die Armee- und
Marineeimichtungen beriethen, würden sie sich erinnern, daß England die hohe
Stellung, die es unter den europäischen Mächten erlangt habe, nicht behaupten
könne, wenn es nicht gegen Angriffe gerüstet sei. Sein Handel würde sonst
abnehmen, sein Credit sinken, seine innere Ruhe gefährdet sein.

Das Ministerium sah die Dinge nicht so rosig an. Es glaubte höchstens
10.000 Mann durchbringen zu können, wenn diese als unumgänglich gefordert
würden; wogegen der König noch 20,000 Mann für unzureichend hielt, und
keine Vorlage machen wollte, die ihm unwürdig schien. Derartige Forderungen
aber glaubte das Ministerium nicht stellen zu können, da es voraussah, daß
dies zur Auflösung der ganzen Armee führen würde. Der König war über
diese Remonstrationen höchst ungehalten. Er zweifelte an der Aufrichtigkeit
seiner Minister und gab ihnen zu erkennen, daß, wenn es ihnen nur Ernst
sei, sie sicherlich auch eine achtunggebietende Truppenmacht durchsetzen würden.

So kam der Tag zur Adreßberathung. Die Debatte drehte sich um die
Hauptfrage, wie für die Vertheidigung des Reiches gesorgt werden solle. Man
erwartete einen Regierungsvorschlag. Da aber das Ministerium still blieb,
beantragte Harley, daß die Armee nicht über 7000 Mann betragen solle. Ein
Amendement auf 10,000 Mann wurde zwar gestellt, aber da es von der Re¬
gierung nicht ausging und nicht befürwortet wurde, wurde Harlevs Antrag
Zuerst im Comite und am andern Tage, nachdem Bericht erstattet worden war,
>n förmlicher Sitzung angenommen. Das Haus beschloß außerdem, daß alle
7000 Mann geborne englische Unterthanen sein müßten.

Der letztere Beschluß ging direct gegen den König, der die holländische
Gardeinfanterie, seine Lieblingstruppe, die 1688 zuerst in London eingezogen
und 1690 sich zuerst in die Fluthen des Bohne gestürzt, außerdem nie zu Ki",
gen Anlaß gegeben, noch in England behalten hatte.

König Wilhelm war aufs äußerste erregt. Er faßte den Plan abzudanken und
"ach Holland zu gehen. Seine Abdicationsproclamation hatte er schon ent¬
worfen und übersetzt; er theilt sie seinem Minister Somers mit. Dieser ent-
gegnet ihm, dies sei Uebertreibung, ja Wahnsinn. Wilhelm beharrt. Sommers
eine zweite Audienz. Wilhelm sagt: Wir werden nicht einig. Mein Ent¬
schluß ist gefaßt. Sommers bittet ihn um seine Entlassung.

Nun machen die Minister noch einen Versuch, des Königs Wünsche durch,
^'setzen. Ein Ausschuß wird eingesetzt, um ein Gesetz zur Armeereduction zu
entwerfen. Die Regierungspartei beantragt, dieser Ausschuß solle ermächtigt


hindert, nicht zurück. Am 6. December endlich eröffnete er das Parlament,
nicht ohne Hoffnung, eine Vermehrung der Armee durchsetzen zu können. Er
drückte daher in der Thronrede seine feste Ueberzeugung aus, daß die Hauser
bereit sein würden, alles für die Sicherheit. Ehre und das Glück des Landes
Erforderliche zu thun. Weiter fordere er nichts. Wenn sie die Armee- und
Marineeimichtungen beriethen, würden sie sich erinnern, daß England die hohe
Stellung, die es unter den europäischen Mächten erlangt habe, nicht behaupten
könne, wenn es nicht gegen Angriffe gerüstet sei. Sein Handel würde sonst
abnehmen, sein Credit sinken, seine innere Ruhe gefährdet sein.

Das Ministerium sah die Dinge nicht so rosig an. Es glaubte höchstens
10.000 Mann durchbringen zu können, wenn diese als unumgänglich gefordert
würden; wogegen der König noch 20,000 Mann für unzureichend hielt, und
keine Vorlage machen wollte, die ihm unwürdig schien. Derartige Forderungen
aber glaubte das Ministerium nicht stellen zu können, da es voraussah, daß
dies zur Auflösung der ganzen Armee führen würde. Der König war über
diese Remonstrationen höchst ungehalten. Er zweifelte an der Aufrichtigkeit
seiner Minister und gab ihnen zu erkennen, daß, wenn es ihnen nur Ernst
sei, sie sicherlich auch eine achtunggebietende Truppenmacht durchsetzen würden.

So kam der Tag zur Adreßberathung. Die Debatte drehte sich um die
Hauptfrage, wie für die Vertheidigung des Reiches gesorgt werden solle. Man
erwartete einen Regierungsvorschlag. Da aber das Ministerium still blieb,
beantragte Harley, daß die Armee nicht über 7000 Mann betragen solle. Ein
Amendement auf 10,000 Mann wurde zwar gestellt, aber da es von der Re¬
gierung nicht ausging und nicht befürwortet wurde, wurde Harlevs Antrag
Zuerst im Comite und am andern Tage, nachdem Bericht erstattet worden war,
>n förmlicher Sitzung angenommen. Das Haus beschloß außerdem, daß alle
7000 Mann geborne englische Unterthanen sein müßten.

Der letztere Beschluß ging direct gegen den König, der die holländische
Gardeinfanterie, seine Lieblingstruppe, die 1688 zuerst in London eingezogen
und 1690 sich zuerst in die Fluthen des Bohne gestürzt, außerdem nie zu Ki«,
gen Anlaß gegeben, noch in England behalten hatte.

König Wilhelm war aufs äußerste erregt. Er faßte den Plan abzudanken und
"ach Holland zu gehen. Seine Abdicationsproclamation hatte er schon ent¬
worfen und übersetzt; er theilt sie seinem Minister Somers mit. Dieser ent-
gegnet ihm, dies sei Uebertreibung, ja Wahnsinn. Wilhelm beharrt. Sommers
eine zweite Audienz. Wilhelm sagt: Wir werden nicht einig. Mein Ent¬
schluß ist gefaßt. Sommers bittet ihn um seine Entlassung.

Nun machen die Minister noch einen Versuch, des Königs Wünsche durch,
^'setzen. Ein Ausschuß wird eingesetzt, um ein Gesetz zur Armeereduction zu
entwerfen. Die Regierungspartei beantragt, dieser Ausschuß solle ermächtigt


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[0315] hindert, nicht zurück. Am 6. December endlich eröffnete er das Parlament, nicht ohne Hoffnung, eine Vermehrung der Armee durchsetzen zu können. Er drückte daher in der Thronrede seine feste Ueberzeugung aus, daß die Hauser bereit sein würden, alles für die Sicherheit. Ehre und das Glück des Landes Erforderliche zu thun. Weiter fordere er nichts. Wenn sie die Armee- und Marineeimichtungen beriethen, würden sie sich erinnern, daß England die hohe Stellung, die es unter den europäischen Mächten erlangt habe, nicht behaupten könne, wenn es nicht gegen Angriffe gerüstet sei. Sein Handel würde sonst abnehmen, sein Credit sinken, seine innere Ruhe gefährdet sein. Das Ministerium sah die Dinge nicht so rosig an. Es glaubte höchstens 10.000 Mann durchbringen zu können, wenn diese als unumgänglich gefordert würden; wogegen der König noch 20,000 Mann für unzureichend hielt, und keine Vorlage machen wollte, die ihm unwürdig schien. Derartige Forderungen aber glaubte das Ministerium nicht stellen zu können, da es voraussah, daß dies zur Auflösung der ganzen Armee führen würde. Der König war über diese Remonstrationen höchst ungehalten. Er zweifelte an der Aufrichtigkeit seiner Minister und gab ihnen zu erkennen, daß, wenn es ihnen nur Ernst sei, sie sicherlich auch eine achtunggebietende Truppenmacht durchsetzen würden. So kam der Tag zur Adreßberathung. Die Debatte drehte sich um die Hauptfrage, wie für die Vertheidigung des Reiches gesorgt werden solle. Man erwartete einen Regierungsvorschlag. Da aber das Ministerium still blieb, beantragte Harley, daß die Armee nicht über 7000 Mann betragen solle. Ein Amendement auf 10,000 Mann wurde zwar gestellt, aber da es von der Re¬ gierung nicht ausging und nicht befürwortet wurde, wurde Harlevs Antrag Zuerst im Comite und am andern Tage, nachdem Bericht erstattet worden war, >n förmlicher Sitzung angenommen. Das Haus beschloß außerdem, daß alle 7000 Mann geborne englische Unterthanen sein müßten. Der letztere Beschluß ging direct gegen den König, der die holländische Gardeinfanterie, seine Lieblingstruppe, die 1688 zuerst in London eingezogen und 1690 sich zuerst in die Fluthen des Bohne gestürzt, außerdem nie zu Ki«, gen Anlaß gegeben, noch in England behalten hatte. König Wilhelm war aufs äußerste erregt. Er faßte den Plan abzudanken und "ach Holland zu gehen. Seine Abdicationsproclamation hatte er schon ent¬ worfen und übersetzt; er theilt sie seinem Minister Somers mit. Dieser ent- gegnet ihm, dies sei Uebertreibung, ja Wahnsinn. Wilhelm beharrt. Sommers eine zweite Audienz. Wilhelm sagt: Wir werden nicht einig. Mein Ent¬ schluß ist gefaßt. Sommers bittet ihn um seine Entlassung. Nun machen die Minister noch einen Versuch, des Königs Wünsche durch, ^'setzen. Ein Ausschuß wird eingesetzt, um ein Gesetz zur Armeereduction zu entwerfen. Die Regierungspartei beantragt, dieser Ausschuß solle ermächtigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/315>, abgerufen am 29.06.2024.