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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Es würde Zeitverschwendung sein, auf die späteren, nach dem Tode Dantes
gemachten Bilder: das von Andrea del Castagno (jetzt den Uffizi) -- das von
Signorelli in der Capella Se. Brizio in Orvieto -- das von Benozzo Gozzoli
in Montefalco -- und auf die von Rafael in seinen beiden großen Fresken
der Disput" und des Parnaß angebrachten Portraits näher einzugehen. Diese
konnten für die Commission nicht ins Gewicht fallen, ebenso wenig, wie sie
denen von Bedeutung waren, die vor fünfundzwanzig Jahren im Vertrauen
auf die oben angeführten Quellen nach Portraits von Dante zu suchen begannen.
Als diese Nachforschungen ansingen, entdeckte man, daß wenig Hoffnung vor¬
handen sei, das von Giotto gemalte Portrait in Se. Croce aufzufinden. Auf
der andern Seite aber hatte man Grund zu glauben, daß der Palast des
Podesta mit Erfolg untersucht werden könnte. Unglücklicherweise wurde dieser
geweihte Ort schon längst zu anderen als heiligen Zwecken verwandt. Der
weite Raum war horizontal durch eine falsche Decke in zwei Theile gespalten,
von denen der untere in eine Scheune, der obere in ein Gefängniß umgewan¬
delt worden war. Und die Mehrzahl der Wände war übertüncht worden. Als
die ursprüngliche Form der Kapelle restaurirt und die Wände von der Tünche
gereinigt worden, entdeckte man, erstens daß die Seiten mit Fresken bedeckt
gewesen, welche Begebenheiten aus der Legende der heiligen Maria Magdalena
darstellten und so die Benennung rechtfertigten, die Ghiberti der Kapelle ge¬
geben; dann zweitens, daß über der Eingangsthür die Hölle und an einer
andern Stelle das Paradies geschildert war. Außerdem fand man auf der
rechten Wand zwischen den beiden Fenstern, die dem Innern Licht verliehen,
eine vereinzelt stehende Figur mit einem Heiligenschein, die ein Buch und eine
Palme in den Händen hielt. Unter dieser Figur zeigte eine Tafel noch Spuren
einer langen Inschrift, und unter dieser waren auf einer Borde noch die Worte:
"Hoc opus" . . . , zu lesen.

Im Paradies fand sich das unverkennbare Portrait Dantes, unglücklicherweise
von einem Nagel stark beschädigt, bei dessen Herausziehen ein großer Theil der
Backe und des Auges abgefallen war. Im Vordergrund des Bildes kniete
°we Magistratsperson von Florenz, zu deren Füßen noch ein Schild mit bei¬
nah gänzlich verlöschten Wappen bemerkbar war, was zu weitern Nachforschungen
aufforderte. Man hielt es damals nicht für möglich, die Inschrift unter der
schon beschriebenen Figur vollständig zu entziffern, oder genau festzustellen, was
für ein Wappen ursprünglich auf dem Schild gewesen. Das Wichtigste blieb
^dessen, daß niemand an der Entdeckung einer großen und bedeutenden Freske
v°n Giotto und an der Echtheit des jugendlichen Danteportraits zweifelte.
Verschiedene Conjecturen wurden laut über die von Giotto im Paradies sym-
bolisirten Einzelheiten und über die Identität der darin vorgeführten Person-
^ableiten, aber diese Conjecturen liegen außerhalb der Aufgabe dieses Aufsatzes.


Es würde Zeitverschwendung sein, auf die späteren, nach dem Tode Dantes
gemachten Bilder: das von Andrea del Castagno (jetzt den Uffizi) — das von
Signorelli in der Capella Se. Brizio in Orvieto — das von Benozzo Gozzoli
in Montefalco — und auf die von Rafael in seinen beiden großen Fresken
der Disput« und des Parnaß angebrachten Portraits näher einzugehen. Diese
konnten für die Commission nicht ins Gewicht fallen, ebenso wenig, wie sie
denen von Bedeutung waren, die vor fünfundzwanzig Jahren im Vertrauen
auf die oben angeführten Quellen nach Portraits von Dante zu suchen begannen.
Als diese Nachforschungen ansingen, entdeckte man, daß wenig Hoffnung vor¬
handen sei, das von Giotto gemalte Portrait in Se. Croce aufzufinden. Auf
der andern Seite aber hatte man Grund zu glauben, daß der Palast des
Podesta mit Erfolg untersucht werden könnte. Unglücklicherweise wurde dieser
geweihte Ort schon längst zu anderen als heiligen Zwecken verwandt. Der
weite Raum war horizontal durch eine falsche Decke in zwei Theile gespalten,
von denen der untere in eine Scheune, der obere in ein Gefängniß umgewan¬
delt worden war. Und die Mehrzahl der Wände war übertüncht worden. Als
die ursprüngliche Form der Kapelle restaurirt und die Wände von der Tünche
gereinigt worden, entdeckte man, erstens daß die Seiten mit Fresken bedeckt
gewesen, welche Begebenheiten aus der Legende der heiligen Maria Magdalena
darstellten und so die Benennung rechtfertigten, die Ghiberti der Kapelle ge¬
geben; dann zweitens, daß über der Eingangsthür die Hölle und an einer
andern Stelle das Paradies geschildert war. Außerdem fand man auf der
rechten Wand zwischen den beiden Fenstern, die dem Innern Licht verliehen,
eine vereinzelt stehende Figur mit einem Heiligenschein, die ein Buch und eine
Palme in den Händen hielt. Unter dieser Figur zeigte eine Tafel noch Spuren
einer langen Inschrift, und unter dieser waren auf einer Borde noch die Worte:
»Hoc opus" . . . , zu lesen.

Im Paradies fand sich das unverkennbare Portrait Dantes, unglücklicherweise
von einem Nagel stark beschädigt, bei dessen Herausziehen ein großer Theil der
Backe und des Auges abgefallen war. Im Vordergrund des Bildes kniete
°we Magistratsperson von Florenz, zu deren Füßen noch ein Schild mit bei¬
nah gänzlich verlöschten Wappen bemerkbar war, was zu weitern Nachforschungen
aufforderte. Man hielt es damals nicht für möglich, die Inschrift unter der
schon beschriebenen Figur vollständig zu entziffern, oder genau festzustellen, was
für ein Wappen ursprünglich auf dem Schild gewesen. Das Wichtigste blieb
^dessen, daß niemand an der Entdeckung einer großen und bedeutenden Freske
v°n Giotto und an der Echtheit des jugendlichen Danteportraits zweifelte.
Verschiedene Conjecturen wurden laut über die von Giotto im Paradies sym-
bolisirten Einzelheiten und über die Identität der darin vorgeführten Person-
^ableiten, aber diese Conjecturen liegen außerhalb der Aufgabe dieses Aufsatzes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/285>, abgerufen am 29.06.2024.