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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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genommen worden sein soll, und von der mehre Eopien vorhanden sind, die
aber alle nach der einen ursprünglichen Form abgegossen worden sind. Streitig¬
keiten sind entstanden über die Echtheit dieser Masken und über den Anspruch
auf Ursprünglichkeit, welchen diese erste Form erhebt. Indessen scheint kein
Grund vorhanden, die Tradition anzuzweifeln, nach welcher die Form echt und
die Masken authentisch sind. Die kleinen Abweichungen in den Kopiendie
Seymour Kirkup in Florenz besitzt, sind der Art, daß sie durch Netouchiren
des Abgusses, gleich nachdem er aus der Form genommen, entstanden sein
können. Es eMiren sehr alte Büsten, die von diesen Masken genommen sind;
eine von colorirten Gezzo, in der Torrigiani-Sammlung in Florenz, eine andere
von Bronze im Museum von Neapel, eine dritte auf Dantes Grab in Ravenna
von Lombardos Hand.

Allerdings war sehr wohl möglich, für die erwähnte Medaille ein neues
Portrait des Dichters nach den Todtenmasken herzustellen. Aeltere Künstler
hatten Portraits unter ähnlichen Verhältnissen gemalt, und die Geschichte nennt
die vielen Künstler (einschließlich Titian), die von Aretino angestellt wurden,
den Kopf von Giovanni de' Medici delle Bande nere von der Maste zu
copircn, die Aretino selbst nach dem Tode jenes Häuptlings angefertigt hatte.
Aber die Regierung hielt es bei dieser Gelegenheit für geboten, festzustellen, ob
nicht vielleicht noch ein Portrait aus Dantes eigener Zeit vorhanden, und ob
einem solchen, wenn seine Echtheit erwiesen, nicht der Vorzug vor den Masken
zu geben sei.

Wer sich um Kunst und ihre Literatur kümmerte, durfte annehmen, daß
diese Anfrage bereits beantwortet sei. Seit den letzten zwanzig Jahren hat
man fest geglaubt, daß ein echtes Portrait Dantes von seinem Zeitgenossen
Giotto in der Kapelle des Palazzo del Podesta in Florenz existirt. Niemand
hatte einen Zweifel an der Echtheit des Portraits oder an der Autorschaft
Giottos ausgesprochen. Die Entdeckung dieses Bildes im Jahr 1841 war so
merkwürdig, daß Tausende nicht nur die Thatsache der Aufsindung, sondern auch
die Schritte kannten, die zu diesem Funde führten. Wir sind nur mit Recht
erstaunt, daß nie jemand, der mit den Quellen bekannt ist, vor 1841 versucht
hat, das Dunkel, welches einen so interessanten Gegenstand umgab, aufzu¬
klären. Diese Quellen sind freilich nicht frei von Lücken und Widersprüchen,
aber sie scheinen einige Thatsachen fast vollkommen festzustellen.

In Florenz existirt ein "ve origino civitatis?Iorontiao et ejusäew
kamosik cividus" betiteltes Manuscript. Es ist von Filippo Villani, dem
Zeitgenossen Dantes, und enthält folgende Stelle: ?mxit (Giotto) msuxor
spvoulorum suMagio Lomotipl-um Lidign" eoirtvillporauvum vlmtciw ur
tirdula irltaris eapcZI^c; Mlatii pole^dis."

In der zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts erschienenen italienischen


genommen worden sein soll, und von der mehre Eopien vorhanden sind, die
aber alle nach der einen ursprünglichen Form abgegossen worden sind. Streitig¬
keiten sind entstanden über die Echtheit dieser Masken und über den Anspruch
auf Ursprünglichkeit, welchen diese erste Form erhebt. Indessen scheint kein
Grund vorhanden, die Tradition anzuzweifeln, nach welcher die Form echt und
die Masken authentisch sind. Die kleinen Abweichungen in den Kopiendie
Seymour Kirkup in Florenz besitzt, sind der Art, daß sie durch Netouchiren
des Abgusses, gleich nachdem er aus der Form genommen, entstanden sein
können. Es eMiren sehr alte Büsten, die von diesen Masken genommen sind;
eine von colorirten Gezzo, in der Torrigiani-Sammlung in Florenz, eine andere
von Bronze im Museum von Neapel, eine dritte auf Dantes Grab in Ravenna
von Lombardos Hand.

Allerdings war sehr wohl möglich, für die erwähnte Medaille ein neues
Portrait des Dichters nach den Todtenmasken herzustellen. Aeltere Künstler
hatten Portraits unter ähnlichen Verhältnissen gemalt, und die Geschichte nennt
die vielen Künstler (einschließlich Titian), die von Aretino angestellt wurden,
den Kopf von Giovanni de' Medici delle Bande nere von der Maste zu
copircn, die Aretino selbst nach dem Tode jenes Häuptlings angefertigt hatte.
Aber die Regierung hielt es bei dieser Gelegenheit für geboten, festzustellen, ob
nicht vielleicht noch ein Portrait aus Dantes eigener Zeit vorhanden, und ob
einem solchen, wenn seine Echtheit erwiesen, nicht der Vorzug vor den Masken
zu geben sei.

Wer sich um Kunst und ihre Literatur kümmerte, durfte annehmen, daß
diese Anfrage bereits beantwortet sei. Seit den letzten zwanzig Jahren hat
man fest geglaubt, daß ein echtes Portrait Dantes von seinem Zeitgenossen
Giotto in der Kapelle des Palazzo del Podesta in Florenz existirt. Niemand
hatte einen Zweifel an der Echtheit des Portraits oder an der Autorschaft
Giottos ausgesprochen. Die Entdeckung dieses Bildes im Jahr 1841 war so
merkwürdig, daß Tausende nicht nur die Thatsache der Aufsindung, sondern auch
die Schritte kannten, die zu diesem Funde führten. Wir sind nur mit Recht
erstaunt, daß nie jemand, der mit den Quellen bekannt ist, vor 1841 versucht
hat, das Dunkel, welches einen so interessanten Gegenstand umgab, aufzu¬
klären. Diese Quellen sind freilich nicht frei von Lücken und Widersprüchen,
aber sie scheinen einige Thatsachen fast vollkommen festzustellen.

In Florenz existirt ein „ve origino civitatis?Iorontiao et ejusäew
kamosik cividus" betiteltes Manuscript. Es ist von Filippo Villani, dem
Zeitgenossen Dantes, und enthält folgende Stelle: ?mxit (Giotto) msuxor
spvoulorum suMagio Lomotipl-um Lidign» eoirtvillporauvum vlmtciw ur
tirdula irltaris eapcZI^c; Mlatii pole^dis."

In der zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts erschienenen italienischen


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[0282] genommen worden sein soll, und von der mehre Eopien vorhanden sind, die aber alle nach der einen ursprünglichen Form abgegossen worden sind. Streitig¬ keiten sind entstanden über die Echtheit dieser Masken und über den Anspruch auf Ursprünglichkeit, welchen diese erste Form erhebt. Indessen scheint kein Grund vorhanden, die Tradition anzuzweifeln, nach welcher die Form echt und die Masken authentisch sind. Die kleinen Abweichungen in den Kopiendie Seymour Kirkup in Florenz besitzt, sind der Art, daß sie durch Netouchiren des Abgusses, gleich nachdem er aus der Form genommen, entstanden sein können. Es eMiren sehr alte Büsten, die von diesen Masken genommen sind; eine von colorirten Gezzo, in der Torrigiani-Sammlung in Florenz, eine andere von Bronze im Museum von Neapel, eine dritte auf Dantes Grab in Ravenna von Lombardos Hand. Allerdings war sehr wohl möglich, für die erwähnte Medaille ein neues Portrait des Dichters nach den Todtenmasken herzustellen. Aeltere Künstler hatten Portraits unter ähnlichen Verhältnissen gemalt, und die Geschichte nennt die vielen Künstler (einschließlich Titian), die von Aretino angestellt wurden, den Kopf von Giovanni de' Medici delle Bande nere von der Maste zu copircn, die Aretino selbst nach dem Tode jenes Häuptlings angefertigt hatte. Aber die Regierung hielt es bei dieser Gelegenheit für geboten, festzustellen, ob nicht vielleicht noch ein Portrait aus Dantes eigener Zeit vorhanden, und ob einem solchen, wenn seine Echtheit erwiesen, nicht der Vorzug vor den Masken zu geben sei. Wer sich um Kunst und ihre Literatur kümmerte, durfte annehmen, daß diese Anfrage bereits beantwortet sei. Seit den letzten zwanzig Jahren hat man fest geglaubt, daß ein echtes Portrait Dantes von seinem Zeitgenossen Giotto in der Kapelle des Palazzo del Podesta in Florenz existirt. Niemand hatte einen Zweifel an der Echtheit des Portraits oder an der Autorschaft Giottos ausgesprochen. Die Entdeckung dieses Bildes im Jahr 1841 war so merkwürdig, daß Tausende nicht nur die Thatsache der Aufsindung, sondern auch die Schritte kannten, die zu diesem Funde führten. Wir sind nur mit Recht erstaunt, daß nie jemand, der mit den Quellen bekannt ist, vor 1841 versucht hat, das Dunkel, welches einen so interessanten Gegenstand umgab, aufzu¬ klären. Diese Quellen sind freilich nicht frei von Lücken und Widersprüchen, aber sie scheinen einige Thatsachen fast vollkommen festzustellen. In Florenz existirt ein „ve origino civitatis?Iorontiao et ejusäew kamosik cividus" betiteltes Manuscript. Es ist von Filippo Villani, dem Zeitgenossen Dantes, und enthält folgende Stelle: ?mxit (Giotto) msuxor spvoulorum suMagio Lomotipl-um Lidign» eoirtvillporauvum vlmtciw ur tirdula irltaris eapcZI^c; Mlatii pole^dis." In der zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts erschienenen italienischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/282>, abgerufen am 28.09.2024.