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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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zum Mincio einem Scepter unterworfen und Florenz die Hauptstadt dieses
Königreichs. Jene Patrioten,die an der hundertjährigen Feier einen so ernsten
Antheil nahmen, erreichen zu dieser Stunde mehr als sie je zu träumen gewagt,
und >die ganze Festlichkeit verkörpert nicht nur die Wünsche, Hoffnungen und
Erwartungen Weniger, sondern sie ist der Ausdruck der Freude, die ein Volk
empfindet, wenn es von dem Gefühl gehoben wird, daß es an Einheit und
Macht seinen Platz unter den Nationen der Erde ausfüllt. Ein junger streb¬
samer Bildhauer, Namens Pazzi, hatte sich bereit finden lassen, eine Statue
Dantes zu fertigen, um mit Geschick und Muße Typus. Proportionen und
Stellung nach dem Modell des Poeten zu entwerfen. Die mit großer Energie
begonnene Arbeit wird jetzt in kolossalen Verhältnissen ausgeführt.

Je näher die Zeit heranrückte, desto mehr steigerte sich das Interesse des
italienischen Publikums. Eine Zeitschrift wurde gegründet und it Lientölmrio
genannt; die Regierung überlegte, was sie zu Unterstützung des schönen Unter¬
nehmens thun könne, und beschloß eine Medaille zu schlagen mit Dantes
Profil. Da den Regierungen natürlich Thatsachen unbekannt sind, über die
Künstler, Archäologen und Antiquare bessere Auskunft zu geben vermögen, so
"nannte auch die italienische eine Commission, um festzustellen, welches von
den Bildern, die als Portraits von Dante bekannt wären, gewählt werden sollte,
um als echter Typus auf die Medaille geprägt zu werden. Die vom Minister
des Unterrichts in Turin ernannte Commission bestand aus zwei Männer von
wissenschaftlichem Verdienst. Gaetano Milanest ist als einer der Commentatoren
der letzten italienischen Ausgabe von Vasari wohlbekannt, und hat sich als
Herausgeber dreier unschätzbarer Bände sienesischer Urkunden und als Aufsinder
Zahlreicher andrer Urkunden, welche bis jetzt in italienischen Bibliotheken und
Archiven verborgen lagen,weithin einen Namen gemacht. Luigi Passerini ist ohnstrci-
t'g einer der gelehrtesten Heraldiker in Florenz. Er hat einen Vortrag über
das dortige Pretvrio, in welchem sich eines der ältesten Portraits von Dante
befindet, drucken lassen. Das Ministerium nahm an, daß diese beiden Männer
einen Bericht machen würden, der durch sein Ergebniß gleichzeitig der Geschichte
und dem Publikum Nutzen brächte. Unglücklicherweise ist weder der Eine noch
der Andere competenter Richter in Sachen der Kunst, und die demüihigende
^age, in die sie durch zu eilige Schlüsse aus geschriebenen Urkunden gerathen
send. ist ein lehrreicher Fingerzeig für Freunde der Kunstgeschichte.

Das Portrait Dantes, welches wir Jctztlebcnden so oft in Büchern und
wildern gesehen haben, ist so bekannt, daß es keiner genaueren Beschreibung
^darf. Es ist uns häufig ausgefallen, wie die Künstler übereinstimmend dem
Dichter eine markige Stirn, .eingesunkene Augen, vorstehende Backenknochen
und eine lange gebogene Nase geben. Dieser Typus basirt sich auf eine Todten-
waske, die unmittelbar nach dem Verscheiden von Dante's eigenem Gesicht


zum Mincio einem Scepter unterworfen und Florenz die Hauptstadt dieses
Königreichs. Jene Patrioten,die an der hundertjährigen Feier einen so ernsten
Antheil nahmen, erreichen zu dieser Stunde mehr als sie je zu träumen gewagt,
und >die ganze Festlichkeit verkörpert nicht nur die Wünsche, Hoffnungen und
Erwartungen Weniger, sondern sie ist der Ausdruck der Freude, die ein Volk
empfindet, wenn es von dem Gefühl gehoben wird, daß es an Einheit und
Macht seinen Platz unter den Nationen der Erde ausfüllt. Ein junger streb¬
samer Bildhauer, Namens Pazzi, hatte sich bereit finden lassen, eine Statue
Dantes zu fertigen, um mit Geschick und Muße Typus. Proportionen und
Stellung nach dem Modell des Poeten zu entwerfen. Die mit großer Energie
begonnene Arbeit wird jetzt in kolossalen Verhältnissen ausgeführt.

Je näher die Zeit heranrückte, desto mehr steigerte sich das Interesse des
italienischen Publikums. Eine Zeitschrift wurde gegründet und it Lientölmrio
genannt; die Regierung überlegte, was sie zu Unterstützung des schönen Unter¬
nehmens thun könne, und beschloß eine Medaille zu schlagen mit Dantes
Profil. Da den Regierungen natürlich Thatsachen unbekannt sind, über die
Künstler, Archäologen und Antiquare bessere Auskunft zu geben vermögen, so
«nannte auch die italienische eine Commission, um festzustellen, welches von
den Bildern, die als Portraits von Dante bekannt wären, gewählt werden sollte,
um als echter Typus auf die Medaille geprägt zu werden. Die vom Minister
des Unterrichts in Turin ernannte Commission bestand aus zwei Männer von
wissenschaftlichem Verdienst. Gaetano Milanest ist als einer der Commentatoren
der letzten italienischen Ausgabe von Vasari wohlbekannt, und hat sich als
Herausgeber dreier unschätzbarer Bände sienesischer Urkunden und als Aufsinder
Zahlreicher andrer Urkunden, welche bis jetzt in italienischen Bibliotheken und
Archiven verborgen lagen,weithin einen Namen gemacht. Luigi Passerini ist ohnstrci-
t'g einer der gelehrtesten Heraldiker in Florenz. Er hat einen Vortrag über
das dortige Pretvrio, in welchem sich eines der ältesten Portraits von Dante
befindet, drucken lassen. Das Ministerium nahm an, daß diese beiden Männer
einen Bericht machen würden, der durch sein Ergebniß gleichzeitig der Geschichte
und dem Publikum Nutzen brächte. Unglücklicherweise ist weder der Eine noch
der Andere competenter Richter in Sachen der Kunst, und die demüihigende
^age, in die sie durch zu eilige Schlüsse aus geschriebenen Urkunden gerathen
send. ist ein lehrreicher Fingerzeig für Freunde der Kunstgeschichte.

Das Portrait Dantes, welches wir Jctztlebcnden so oft in Büchern und
wildern gesehen haben, ist so bekannt, daß es keiner genaueren Beschreibung
^darf. Es ist uns häufig ausgefallen, wie die Künstler übereinstimmend dem
Dichter eine markige Stirn, .eingesunkene Augen, vorstehende Backenknochen
und eine lange gebogene Nase geben. Dieser Typus basirt sich auf eine Todten-
waske, die unmittelbar nach dem Verscheiden von Dante's eigenem Gesicht


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[0281] zum Mincio einem Scepter unterworfen und Florenz die Hauptstadt dieses Königreichs. Jene Patrioten,die an der hundertjährigen Feier einen so ernsten Antheil nahmen, erreichen zu dieser Stunde mehr als sie je zu träumen gewagt, und >die ganze Festlichkeit verkörpert nicht nur die Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen Weniger, sondern sie ist der Ausdruck der Freude, die ein Volk empfindet, wenn es von dem Gefühl gehoben wird, daß es an Einheit und Macht seinen Platz unter den Nationen der Erde ausfüllt. Ein junger streb¬ samer Bildhauer, Namens Pazzi, hatte sich bereit finden lassen, eine Statue Dantes zu fertigen, um mit Geschick und Muße Typus. Proportionen und Stellung nach dem Modell des Poeten zu entwerfen. Die mit großer Energie begonnene Arbeit wird jetzt in kolossalen Verhältnissen ausgeführt. Je näher die Zeit heranrückte, desto mehr steigerte sich das Interesse des italienischen Publikums. Eine Zeitschrift wurde gegründet und it Lientölmrio genannt; die Regierung überlegte, was sie zu Unterstützung des schönen Unter¬ nehmens thun könne, und beschloß eine Medaille zu schlagen mit Dantes Profil. Da den Regierungen natürlich Thatsachen unbekannt sind, über die Künstler, Archäologen und Antiquare bessere Auskunft zu geben vermögen, so «nannte auch die italienische eine Commission, um festzustellen, welches von den Bildern, die als Portraits von Dante bekannt wären, gewählt werden sollte, um als echter Typus auf die Medaille geprägt zu werden. Die vom Minister des Unterrichts in Turin ernannte Commission bestand aus zwei Männer von wissenschaftlichem Verdienst. Gaetano Milanest ist als einer der Commentatoren der letzten italienischen Ausgabe von Vasari wohlbekannt, und hat sich als Herausgeber dreier unschätzbarer Bände sienesischer Urkunden und als Aufsinder Zahlreicher andrer Urkunden, welche bis jetzt in italienischen Bibliotheken und Archiven verborgen lagen,weithin einen Namen gemacht. Luigi Passerini ist ohnstrci- t'g einer der gelehrtesten Heraldiker in Florenz. Er hat einen Vortrag über das dortige Pretvrio, in welchem sich eines der ältesten Portraits von Dante befindet, drucken lassen. Das Ministerium nahm an, daß diese beiden Männer einen Bericht machen würden, der durch sein Ergebniß gleichzeitig der Geschichte und dem Publikum Nutzen brächte. Unglücklicherweise ist weder der Eine noch der Andere competenter Richter in Sachen der Kunst, und die demüihigende ^age, in die sie durch zu eilige Schlüsse aus geschriebenen Urkunden gerathen send. ist ein lehrreicher Fingerzeig für Freunde der Kunstgeschichte. Das Portrait Dantes, welches wir Jctztlebcnden so oft in Büchern und wildern gesehen haben, ist so bekannt, daß es keiner genaueren Beschreibung ^darf. Es ist uns häufig ausgefallen, wie die Künstler übereinstimmend dem Dichter eine markige Stirn, .eingesunkene Augen, vorstehende Backenknochen und eine lange gebogene Nase geben. Dieser Typus basirt sich auf eine Todten- waske, die unmittelbar nach dem Verscheiden von Dante's eigenem Gesicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/281>, abgerufen am 29.06.2024.