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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Reichthum des Bodens auszubeuten und Haid.estrecken und Moore in gutes
Korn- und Weideland umzuwandeln. Fragt man nun aber näher, wer diese
Landwirthe sind, welche dem Boden Jütlands seine Schätze abgewinnen, so
Wird man häusig deutsche Kolonisten in ihnen finden. Roggen, Gerste, Hafer
und Weizen wird fast überall gebaut, seltener Kartoffeln und Raps. Der
Kartoffelbau ist in Jütland erst im vorigen Jahrhundert durch deutsche Ein¬
wanderer bekannt geworden; aber die Kartoffelkrankheit ist dort stets mit solcher
Macht aufgetreten, daß man den Kartoffelbau fast ganz wieder aufgegeben hat.
Die Ackergeräthschaften sind überall in Jütland ganz von Eisen.

Noch wichtiger für Jütland als der Ackerbau ist die Viehzucht. Alles Vieh
bringt Tag und Nacht auf der Weide zu, wo man Pferde, Rinder und Schafe
in bunter Mischung friedlich nebeneinander sieht, jedes einzelne Stück vermittelst
eines Strickes an der Erde angepflöckt. Oft wird das Vieh erst im November
in die Ställe genommen. Dreimal wird es täglich, da ihm doch jedesmal
nur ein geringer Spielraum gewährt ist, auf der Weide umgepflöckt, an einer
andern Stelle befestigt. Es ist oft den Juden gesagt worden, es wäre vortheil¬
hafter, das Vieh in den Ställen zu behalten, denn man könnte es dann leichter
beaufsichtigen und daher mehr Vieh halten; auch könnte der Dünger besser ge¬
sammelt und verwerthet werden. Aber der Jute geht nicht gern von seiner
Gewohnheit ab, oder vielmehr wie ein dänischer Schriftsteller sagt: "es schien
ihm Sünde gegen das Vieh, es war ihm zuwider, sich das Viel) das ganze
Jahr hindurch festgebunden an einer Stelle zu denken, es war ihm unangenehm,
wenn er in Zukunft sein Feld beträte und er könnte sich nicht freuen, sein
Vieh munter auf den grünen Wiesen grasen zu sehen." Das freilich ist un¬
zweifelhaft richtig, daß der Jude eine große Liebe zu' seinen Thieren und be¬
sonders zu den Pferden hat. Er pflegt sein Pferd wie sein Kind, er sorgt
stets dafür, daß die Krippe rein ist, daß das Thier keinen Mangel an Stroh
leidet und giebt ihm stets gutes und reichliches Futter. Auf Reisen sind es die
Pferde,.an die er zuerst denkt, für die er zuerst sorgt; er wird nie früher essen,
trinken oder ruhen, ehe er nicht seine Pferde gepflegr hat. Mit Recht werfen
"ber wohl die Jnseldänen dem Juden eine allzugroße Ängstlichkeit für seine
Pferde vor, denn er wagt es nie, die Peitsche zu gebrauchen, so daß es manch¬
mal wirklich scheint, als würden Schnecken schneller Von der Stelle kommen,
als der Wagen. Wie im Naturell des Juden selbst die Schnelligkeit nicht liegt,
^ ist sie auch seinem Pferde nicht verliehen. Dagegen ist dasselbe außerordentlich
starkknochig, auffallend breit und besitzt große Kraft und Ausdauer. Die Pferde
eignen sich daher besonders zu Arbeitspferden, und die Pserdezüchter Jütlands



") Weinert, Naturen og Menneskelivct, en solkelig Jordveflrivelfe. Bd. I. S. 80.
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Reichthum des Bodens auszubeuten und Haid.estrecken und Moore in gutes
Korn- und Weideland umzuwandeln. Fragt man nun aber näher, wer diese
Landwirthe sind, welche dem Boden Jütlands seine Schätze abgewinnen, so
Wird man häusig deutsche Kolonisten in ihnen finden. Roggen, Gerste, Hafer
und Weizen wird fast überall gebaut, seltener Kartoffeln und Raps. Der
Kartoffelbau ist in Jütland erst im vorigen Jahrhundert durch deutsche Ein¬
wanderer bekannt geworden; aber die Kartoffelkrankheit ist dort stets mit solcher
Macht aufgetreten, daß man den Kartoffelbau fast ganz wieder aufgegeben hat.
Die Ackergeräthschaften sind überall in Jütland ganz von Eisen.

Noch wichtiger für Jütland als der Ackerbau ist die Viehzucht. Alles Vieh
bringt Tag und Nacht auf der Weide zu, wo man Pferde, Rinder und Schafe
in bunter Mischung friedlich nebeneinander sieht, jedes einzelne Stück vermittelst
eines Strickes an der Erde angepflöckt. Oft wird das Vieh erst im November
in die Ställe genommen. Dreimal wird es täglich, da ihm doch jedesmal
nur ein geringer Spielraum gewährt ist, auf der Weide umgepflöckt, an einer
andern Stelle befestigt. Es ist oft den Juden gesagt worden, es wäre vortheil¬
hafter, das Vieh in den Ställen zu behalten, denn man könnte es dann leichter
beaufsichtigen und daher mehr Vieh halten; auch könnte der Dünger besser ge¬
sammelt und verwerthet werden. Aber der Jute geht nicht gern von seiner
Gewohnheit ab, oder vielmehr wie ein dänischer Schriftsteller sagt: „es schien
ihm Sünde gegen das Vieh, es war ihm zuwider, sich das Viel) das ganze
Jahr hindurch festgebunden an einer Stelle zu denken, es war ihm unangenehm,
wenn er in Zukunft sein Feld beträte und er könnte sich nicht freuen, sein
Vieh munter auf den grünen Wiesen grasen zu sehen." Das freilich ist un¬
zweifelhaft richtig, daß der Jude eine große Liebe zu' seinen Thieren und be¬
sonders zu den Pferden hat. Er pflegt sein Pferd wie sein Kind, er sorgt
stets dafür, daß die Krippe rein ist, daß das Thier keinen Mangel an Stroh
leidet und giebt ihm stets gutes und reichliches Futter. Auf Reisen sind es die
Pferde,.an die er zuerst denkt, für die er zuerst sorgt; er wird nie früher essen,
trinken oder ruhen, ehe er nicht seine Pferde gepflegr hat. Mit Recht werfen
"ber wohl die Jnseldänen dem Juden eine allzugroße Ängstlichkeit für seine
Pferde vor, denn er wagt es nie, die Peitsche zu gebrauchen, so daß es manch¬
mal wirklich scheint, als würden Schnecken schneller Von der Stelle kommen,
als der Wagen. Wie im Naturell des Juden selbst die Schnelligkeit nicht liegt,
^ ist sie auch seinem Pferde nicht verliehen. Dagegen ist dasselbe außerordentlich
starkknochig, auffallend breit und besitzt große Kraft und Ausdauer. Die Pferde
eignen sich daher besonders zu Arbeitspferden, und die Pserdezüchter Jütlands



") Weinert, Naturen og Menneskelivct, en solkelig Jordveflrivelfe. Bd. I. S. 80.
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[0277] Reichthum des Bodens auszubeuten und Haid.estrecken und Moore in gutes Korn- und Weideland umzuwandeln. Fragt man nun aber näher, wer diese Landwirthe sind, welche dem Boden Jütlands seine Schätze abgewinnen, so Wird man häusig deutsche Kolonisten in ihnen finden. Roggen, Gerste, Hafer und Weizen wird fast überall gebaut, seltener Kartoffeln und Raps. Der Kartoffelbau ist in Jütland erst im vorigen Jahrhundert durch deutsche Ein¬ wanderer bekannt geworden; aber die Kartoffelkrankheit ist dort stets mit solcher Macht aufgetreten, daß man den Kartoffelbau fast ganz wieder aufgegeben hat. Die Ackergeräthschaften sind überall in Jütland ganz von Eisen. Noch wichtiger für Jütland als der Ackerbau ist die Viehzucht. Alles Vieh bringt Tag und Nacht auf der Weide zu, wo man Pferde, Rinder und Schafe in bunter Mischung friedlich nebeneinander sieht, jedes einzelne Stück vermittelst eines Strickes an der Erde angepflöckt. Oft wird das Vieh erst im November in die Ställe genommen. Dreimal wird es täglich, da ihm doch jedesmal nur ein geringer Spielraum gewährt ist, auf der Weide umgepflöckt, an einer andern Stelle befestigt. Es ist oft den Juden gesagt worden, es wäre vortheil¬ hafter, das Vieh in den Ställen zu behalten, denn man könnte es dann leichter beaufsichtigen und daher mehr Vieh halten; auch könnte der Dünger besser ge¬ sammelt und verwerthet werden. Aber der Jute geht nicht gern von seiner Gewohnheit ab, oder vielmehr wie ein dänischer Schriftsteller sagt: „es schien ihm Sünde gegen das Vieh, es war ihm zuwider, sich das Viel) das ganze Jahr hindurch festgebunden an einer Stelle zu denken, es war ihm unangenehm, wenn er in Zukunft sein Feld beträte und er könnte sich nicht freuen, sein Vieh munter auf den grünen Wiesen grasen zu sehen." Das freilich ist un¬ zweifelhaft richtig, daß der Jude eine große Liebe zu' seinen Thieren und be¬ sonders zu den Pferden hat. Er pflegt sein Pferd wie sein Kind, er sorgt stets dafür, daß die Krippe rein ist, daß das Thier keinen Mangel an Stroh leidet und giebt ihm stets gutes und reichliches Futter. Auf Reisen sind es die Pferde,.an die er zuerst denkt, für die er zuerst sorgt; er wird nie früher essen, trinken oder ruhen, ehe er nicht seine Pferde gepflegr hat. Mit Recht werfen "ber wohl die Jnseldänen dem Juden eine allzugroße Ängstlichkeit für seine Pferde vor, denn er wagt es nie, die Peitsche zu gebrauchen, so daß es manch¬ mal wirklich scheint, als würden Schnecken schneller Von der Stelle kommen, als der Wagen. Wie im Naturell des Juden selbst die Schnelligkeit nicht liegt, ^ ist sie auch seinem Pferde nicht verliehen. Dagegen ist dasselbe außerordentlich starkknochig, auffallend breit und besitzt große Kraft und Ausdauer. Die Pferde eignen sich daher besonders zu Arbeitspferden, und die Pserdezüchter Jütlands ") Weinert, Naturen og Menneskelivct, en solkelig Jordveflrivelfe. Bd. I. S. 80. 33*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/277>, abgerufen am 29.06.2024.