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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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aber steif vorn herunter. Besonders auffallend ist aber die Körperhaltung eines
jütischen Bauern beim Stehen, denn ein Bauer steht genau so da, wie der
andere; selten wird man hierin eine kleine Variation finden. Stets hat er die
Beine weit auseinandergesperrt und die Hände in den Hosentaschen, so daß die
ungelenken Arme zwei Topfhenkeln gleichen.

Was die Kleidung der Juten betrifft, so ist dieselbe die eines durchgehends
wohlhabenden Volkes. Von großem Luxus in den höheren Ständen ist nicht eben viel
zu bemerken; dagegen ist bis in die niedrigsten Stände hinab Sorgfalt und
Geschmack in der Kleidung erkennbar. Niemals wird man Leute antreffen, die
zerrissene Kleidungsstücke trügen oder Schuhe und Strümpfe für entbehrlich
hielten. Nationaltrachten sieht man im Süden und in der Mitte von Jütland
fast gar nicht. Nur wollene Kleider und die Holzschuhe find die durch die
rauhe Witterung und das sumpfige Erdreich gebotenen nationalen Kleidungs¬
stücke*). In nördlicheren Gegenden trifft man noch gelegentlich einen Bauer
mit kurzem Rock und blanken Knöpfen, mit schwarzsammtnen Kniehosen und
hohen weißen Strümpfen. Zieht er einmal die Holzschuhe aus. so trägt er
schwarze Schuhe mit silbernen Schnallen. Die Kopfbedeckung des Bauern ist
in ganz Jütland der schwarze Cylinderhut. den er auch häufig in der Stube
nicht einmal ablegt. Noch seltener sieht man weibliche Nationaltrachten; nur
in einzelnen Gegenden hat sich eine eigenthümliche weiße Haube mit großen
Flügeln nach beiden Seiten erhalten. Dagegen haben sich Bewohnerinnen
der Insel Lass eine nationale Kleidung bewahrt, die aber so kostbar ist, daß
sie wohl nur selten angelegt wird. Das weite schwarzseidene Kleid ist mit
rosetten- oder münzenartigen silbernen Verzierungen an der Brust herunter und
unten herum reich besetzt. Um Kopf und Hals wird ein großes weißes Tuch
mit feinen Kanten gelegt, aus welchen nur das Gesicht hervorsteht. Unter
dem Tuche hängen Halsgeschmeide auf die Brust herab.

Die gewöhnliche Kleidung der Landbewohnerinnen sind lange, wollene
Röcke, Mieder mit langen Aermeln. die häusig von rother Farbe getragen
werden, helgoländer Hüte und Holzschuhe. Bei der Arbeit tragen sie in der
Regel hohe, auch die Brust bedeckende, weiße Schürzen und ziehen Leinwand¬
ärmel über. Die Kleiderstoffe sind häusig von den Jüdinnen von Grund aus
selbst angefertigt. Dieselben spinnen die Wolle, färben das Gespinnst selber
und weben dann die Stoffe.

Die Wohnungen der Juden sind meist einfache Gebäude. Architektonisch
schöne Gebäude sieht man selten, und nur die wenigen alten Rittersitze machen
hauptsächlich durch ihr Alter und durch ihre Größe einen imponirenden Ein-



") Dasselbe gilt von den Bewohnern Schleswig-Holsteins bis zur Schlei und dem
Dannewerk.

aber steif vorn herunter. Besonders auffallend ist aber die Körperhaltung eines
jütischen Bauern beim Stehen, denn ein Bauer steht genau so da, wie der
andere; selten wird man hierin eine kleine Variation finden. Stets hat er die
Beine weit auseinandergesperrt und die Hände in den Hosentaschen, so daß die
ungelenken Arme zwei Topfhenkeln gleichen.

Was die Kleidung der Juten betrifft, so ist dieselbe die eines durchgehends
wohlhabenden Volkes. Von großem Luxus in den höheren Ständen ist nicht eben viel
zu bemerken; dagegen ist bis in die niedrigsten Stände hinab Sorgfalt und
Geschmack in der Kleidung erkennbar. Niemals wird man Leute antreffen, die
zerrissene Kleidungsstücke trügen oder Schuhe und Strümpfe für entbehrlich
hielten. Nationaltrachten sieht man im Süden und in der Mitte von Jütland
fast gar nicht. Nur wollene Kleider und die Holzschuhe find die durch die
rauhe Witterung und das sumpfige Erdreich gebotenen nationalen Kleidungs¬
stücke*). In nördlicheren Gegenden trifft man noch gelegentlich einen Bauer
mit kurzem Rock und blanken Knöpfen, mit schwarzsammtnen Kniehosen und
hohen weißen Strümpfen. Zieht er einmal die Holzschuhe aus. so trägt er
schwarze Schuhe mit silbernen Schnallen. Die Kopfbedeckung des Bauern ist
in ganz Jütland der schwarze Cylinderhut. den er auch häufig in der Stube
nicht einmal ablegt. Noch seltener sieht man weibliche Nationaltrachten; nur
in einzelnen Gegenden hat sich eine eigenthümliche weiße Haube mit großen
Flügeln nach beiden Seiten erhalten. Dagegen haben sich Bewohnerinnen
der Insel Lass eine nationale Kleidung bewahrt, die aber so kostbar ist, daß
sie wohl nur selten angelegt wird. Das weite schwarzseidene Kleid ist mit
rosetten- oder münzenartigen silbernen Verzierungen an der Brust herunter und
unten herum reich besetzt. Um Kopf und Hals wird ein großes weißes Tuch
mit feinen Kanten gelegt, aus welchen nur das Gesicht hervorsteht. Unter
dem Tuche hängen Halsgeschmeide auf die Brust herab.

Die gewöhnliche Kleidung der Landbewohnerinnen sind lange, wollene
Röcke, Mieder mit langen Aermeln. die häusig von rother Farbe getragen
werden, helgoländer Hüte und Holzschuhe. Bei der Arbeit tragen sie in der
Regel hohe, auch die Brust bedeckende, weiße Schürzen und ziehen Leinwand¬
ärmel über. Die Kleiderstoffe sind häusig von den Jüdinnen von Grund aus
selbst angefertigt. Dieselben spinnen die Wolle, färben das Gespinnst selber
und weben dann die Stoffe.

Die Wohnungen der Juden sind meist einfache Gebäude. Architektonisch
schöne Gebäude sieht man selten, und nur die wenigen alten Rittersitze machen
hauptsächlich durch ihr Alter und durch ihre Größe einen imponirenden Ein-



") Dasselbe gilt von den Bewohnern Schleswig-Holsteins bis zur Schlei und dem
Dannewerk.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/274>, abgerufen am 29.06.2024.