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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Meklenburg gebürtig. oft mit Glück die Haide in fruchtbares Ackerland umzu¬
wandeln versuchen.

Im Allgemeinen leben die Juden ziemlich abgeschlossen von der Welt, und
nur die Bewohner der ostjütischen Küstenstädte stehen in einem regeren Verkehr
mit den Inselbewohnern. Selten trifft man einen Juden. der weiter gewesen
ist, als nach Kopenhagen oder nach Hamburg. Ist einer einmal weiter hinein
nach Deutschland gekommen, so hat er in der Regel die sächsische Schweiz besucht.

Diese Abgeschlossenheit hat auch die jüdische Bevölkerung im Großen und
Ganzen rein und unvermischt und in ihr einen einfachen, biederen, ehrlichen
Charakter erhalten, der dem Fremdling überall entgegentritt. Wir finden in
Jütland noch die altgermanischen Gestalten', wie sie uns der erstaunte Tacitus
beschreibt, die großen Leute mit den blonden Haaren und den blauen Augen.
Die Männer zeichnen sich im Allgemeinen nicht durch Schönheit der Formen
aus; dagegen hat die Natur die Gaben der Schönheit und der Anmuth in
reicher Fülle an die Töchter Jütlands vertheilt. Die "schmucken Pigen" von
Jütland mit ihren feinen Gesichtszügen, ihrem natürlichen Ausdruck, ihren ein¬
sanken, gefälligen Manieren, ihrem schönen Gange und ihrer geschmackvollen
Kleidung werden noch manchem Soldaten der alliirten Armee lange im Ge¬
dächtniß bleiben.

Es ist aber überall in Jütland ein großer Unterschied zwischen den Be¬
wohnern der Städte und denen des Landes bemerkbar. Schon die Figur der
Menschen ist verschieden. Während der Bauer in der Regel hochgewachsen,
schmal, hochschulterig und eckig ist, hat der Stadtbewohner meist nur eine
mittlere Größe, ist wohlbeleibt und zeigt körperliche Gewandtheit. Die jütischen
Städterinnen zeichnen sich fast durchgängig durch die erwähnten Eigenschaften
der Schönheit und der Anmuth aus; die Landbewohnerinnen sind aber wieder
außerordentlich verschieden. Im südlichen Jütland, von der Königsau bis
Horsens sind auch aus dem Lande die Mädchengesichter meist schön; je weiter
man aber nach Norden kommt, desto mehr nimmt die Gefälligkeit der Formen
ab, und schon hinter Nauders kann man das ländliche Frauengeschlecht gerade¬
zu als häßlich bezeichnen. Die Bauermädchen haben auch im Uebrigen gegen
die Städterinnen noch den Nachtheil, 'daß sie einen zu glatten und steifen
Körperbau zeigen und einen schwerfälligen, langsamen Gang haben, Eigen¬
schaften, die sie auch mit den männlichen Landbewohnern theilen. Trotz des
Turnunterrichts in den Dorfschulen kann selten ein Knecht auf ein Pferd sprin¬
gen. Man findet daher häusig in den Bauerhöfen Pfähle in der Erde stecken,
die etwa 2 Fuß über den Boden emporragen, und auf welche die Knechte treten,
um sich auf die Pferde zu schwingen. Der Gang der Bauern wird so schwerfällig
dadurch, daß sie von Kindheit an Holzschuhe tragen; ihr Oberkörper ist gewöhn-
lich nach vorn geneigt und die Arme hängen, etwas nach innen gekrümmt, sonst


Meklenburg gebürtig. oft mit Glück die Haide in fruchtbares Ackerland umzu¬
wandeln versuchen.

Im Allgemeinen leben die Juden ziemlich abgeschlossen von der Welt, und
nur die Bewohner der ostjütischen Küstenstädte stehen in einem regeren Verkehr
mit den Inselbewohnern. Selten trifft man einen Juden. der weiter gewesen
ist, als nach Kopenhagen oder nach Hamburg. Ist einer einmal weiter hinein
nach Deutschland gekommen, so hat er in der Regel die sächsische Schweiz besucht.

Diese Abgeschlossenheit hat auch die jüdische Bevölkerung im Großen und
Ganzen rein und unvermischt und in ihr einen einfachen, biederen, ehrlichen
Charakter erhalten, der dem Fremdling überall entgegentritt. Wir finden in
Jütland noch die altgermanischen Gestalten', wie sie uns der erstaunte Tacitus
beschreibt, die großen Leute mit den blonden Haaren und den blauen Augen.
Die Männer zeichnen sich im Allgemeinen nicht durch Schönheit der Formen
aus; dagegen hat die Natur die Gaben der Schönheit und der Anmuth in
reicher Fülle an die Töchter Jütlands vertheilt. Die „schmucken Pigen" von
Jütland mit ihren feinen Gesichtszügen, ihrem natürlichen Ausdruck, ihren ein¬
sanken, gefälligen Manieren, ihrem schönen Gange und ihrer geschmackvollen
Kleidung werden noch manchem Soldaten der alliirten Armee lange im Ge¬
dächtniß bleiben.

Es ist aber überall in Jütland ein großer Unterschied zwischen den Be¬
wohnern der Städte und denen des Landes bemerkbar. Schon die Figur der
Menschen ist verschieden. Während der Bauer in der Regel hochgewachsen,
schmal, hochschulterig und eckig ist, hat der Stadtbewohner meist nur eine
mittlere Größe, ist wohlbeleibt und zeigt körperliche Gewandtheit. Die jütischen
Städterinnen zeichnen sich fast durchgängig durch die erwähnten Eigenschaften
der Schönheit und der Anmuth aus; die Landbewohnerinnen sind aber wieder
außerordentlich verschieden. Im südlichen Jütland, von der Königsau bis
Horsens sind auch aus dem Lande die Mädchengesichter meist schön; je weiter
man aber nach Norden kommt, desto mehr nimmt die Gefälligkeit der Formen
ab, und schon hinter Nauders kann man das ländliche Frauengeschlecht gerade¬
zu als häßlich bezeichnen. Die Bauermädchen haben auch im Uebrigen gegen
die Städterinnen noch den Nachtheil, 'daß sie einen zu glatten und steifen
Körperbau zeigen und einen schwerfälligen, langsamen Gang haben, Eigen¬
schaften, die sie auch mit den männlichen Landbewohnern theilen. Trotz des
Turnunterrichts in den Dorfschulen kann selten ein Knecht auf ein Pferd sprin¬
gen. Man findet daher häusig in den Bauerhöfen Pfähle in der Erde stecken,
die etwa 2 Fuß über den Boden emporragen, und auf welche die Knechte treten,
um sich auf die Pferde zu schwingen. Der Gang der Bauern wird so schwerfällig
dadurch, daß sie von Kindheit an Holzschuhe tragen; ihr Oberkörper ist gewöhn-
lich nach vorn geneigt und die Arme hängen, etwas nach innen gekrümmt, sonst


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[0273] Meklenburg gebürtig. oft mit Glück die Haide in fruchtbares Ackerland umzu¬ wandeln versuchen. Im Allgemeinen leben die Juden ziemlich abgeschlossen von der Welt, und nur die Bewohner der ostjütischen Küstenstädte stehen in einem regeren Verkehr mit den Inselbewohnern. Selten trifft man einen Juden. der weiter gewesen ist, als nach Kopenhagen oder nach Hamburg. Ist einer einmal weiter hinein nach Deutschland gekommen, so hat er in der Regel die sächsische Schweiz besucht. Diese Abgeschlossenheit hat auch die jüdische Bevölkerung im Großen und Ganzen rein und unvermischt und in ihr einen einfachen, biederen, ehrlichen Charakter erhalten, der dem Fremdling überall entgegentritt. Wir finden in Jütland noch die altgermanischen Gestalten', wie sie uns der erstaunte Tacitus beschreibt, die großen Leute mit den blonden Haaren und den blauen Augen. Die Männer zeichnen sich im Allgemeinen nicht durch Schönheit der Formen aus; dagegen hat die Natur die Gaben der Schönheit und der Anmuth in reicher Fülle an die Töchter Jütlands vertheilt. Die „schmucken Pigen" von Jütland mit ihren feinen Gesichtszügen, ihrem natürlichen Ausdruck, ihren ein¬ sanken, gefälligen Manieren, ihrem schönen Gange und ihrer geschmackvollen Kleidung werden noch manchem Soldaten der alliirten Armee lange im Ge¬ dächtniß bleiben. Es ist aber überall in Jütland ein großer Unterschied zwischen den Be¬ wohnern der Städte und denen des Landes bemerkbar. Schon die Figur der Menschen ist verschieden. Während der Bauer in der Regel hochgewachsen, schmal, hochschulterig und eckig ist, hat der Stadtbewohner meist nur eine mittlere Größe, ist wohlbeleibt und zeigt körperliche Gewandtheit. Die jütischen Städterinnen zeichnen sich fast durchgängig durch die erwähnten Eigenschaften der Schönheit und der Anmuth aus; die Landbewohnerinnen sind aber wieder außerordentlich verschieden. Im südlichen Jütland, von der Königsau bis Horsens sind auch aus dem Lande die Mädchengesichter meist schön; je weiter man aber nach Norden kommt, desto mehr nimmt die Gefälligkeit der Formen ab, und schon hinter Nauders kann man das ländliche Frauengeschlecht gerade¬ zu als häßlich bezeichnen. Die Bauermädchen haben auch im Uebrigen gegen die Städterinnen noch den Nachtheil, 'daß sie einen zu glatten und steifen Körperbau zeigen und einen schwerfälligen, langsamen Gang haben, Eigen¬ schaften, die sie auch mit den männlichen Landbewohnern theilen. Trotz des Turnunterrichts in den Dorfschulen kann selten ein Knecht auf ein Pferd sprin¬ gen. Man findet daher häusig in den Bauerhöfen Pfähle in der Erde stecken, die etwa 2 Fuß über den Boden emporragen, und auf welche die Knechte treten, um sich auf die Pferde zu schwingen. Der Gang der Bauern wird so schwerfällig dadurch, daß sie von Kindheit an Holzschuhe tragen; ihr Oberkörper ist gewöhn- lich nach vorn geneigt und die Arme hängen, etwas nach innen gekrümmt, sonst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/273>, abgerufen am 29.06.2024.