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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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und so auch beschwören. Thaten sie dies in den besprochenen Fällen, so gaben
sie offenbar damit, was sie gerade vermeiden wollten, schon eine Antwort in
der Sache selbst, sie mußten eben bezeugen und beschwören, daß sie drr
Verfasser, oder wenn sie bei der Einsendung geholfen, wessen Mitschuldige
sie seien. stützten sie sich aber auf das in dem Artikel enthaltene Preßvergehen,
so half und hilft ihnen der Einwand nur, falls solch Vergehen wirklich in dem
Artikel enthalten ist! doch selbst dann dreht sich ja die Vernehmung noch gar
nicht um dieses Vergehen, sondern um den Namen des Einsenders, welchen
man vielleicht wegen indiscreter Veröffentlichung der Schriftstücke u. a, zunächst
lediglich disciplinarisch fassen will, -- eine Mitschuld liegt hier also nicht vor.
Der vorn erörterte Grundsatz, daß die Angeschuldigten oder künftig Anzuschul¬
digenden sieht Zeugenfunctionen in ihrer eigenen Strafsache verrichten können,
bleibt also bestehen, hilft aber den Vorgeladenen nicht oder kaum zu ihrer
Weigerung des Zeugnisses.

, Hiernach scheint das Vorgehen mit den genannten gerichtlichen Zwangs
Mitteln gegen die widerspenstigen Zeugen gesetzlich völlig gerechtfertigt. Wendet
man jene Mittel an, so ist die oben ausgeführte Entscheidung des königlichen
Obertribunals begründet, daß das Gesetz dieselben ohne ein festes Maß gestattet,
also in unbegrenzter Dauer, je nach dem Ermessen des zuständigen Richters
oder Gerichtes, und daß nur nach Aburtheilung der Sache ohne Vernehmung
der Zeugen die Zwangsmaßregeln fortfallen müssen. So sagt denn, gestützt
auf eine Reihe von Entscheidungen des höchsten Gerichtshofes, der Ober-
staatsanwalt beim königlichen Obertribunal, Oppenhoff, der ausgezeichnete
Kenner des preußischen Strafrechtes und Strafprocesscs, auch bedingungslos:
"Kein Gesetz entbindet einen Zeitungsredactcur von der Pflicht, auf Erfordern
des Richters die Korrespondenten seines Blattes namhaft zu machen." Und
das Abgeordnetenhaus in seiner Sitzungsperiode von 1862 nahm, geleitet
von den oben berührten Gesichtspunkten über die Gefährdung der Presse durch
den Zeugenzwang der Redacteure, einen von der betreffenden Commission vor¬
geschlagenen neuen Gesetzentwurf als Ergänzung der Strafprvceßgesetze und
des preußischen Preßgesetzes dahin an, daß der Zeitungsredacteur zur Nennung
der Korrespondenten seines Blattes gegenüber dem Gerichte nicht verpflichtet
und hierin von den Zwangsmaßregeln gegen Zeugen auszunehmen sei. Dieser
Entwurf war natürlich todtgeboren, Herrenhaus und Regierung verwarfen ihn.
Die Zwangsmaßregeln gegen die Redacteure blieben aber mit ihrer ganzen Kraft
in unbeschränkter Anwendung.

Eben die Kraft, die Strenge in der über Jahresfrist, ja principiell un¬
begrenzt ausgedehnten Gefängnißstrafe gegen die rennenden Zeugen erregte
den Zorn und Eiser der gegenwärtigen Autoritäten des Strafrechts in der
Wissenschaft und vielfach auch in der Praxis, vornehmlich in der außerpreußischen.


und so auch beschwören. Thaten sie dies in den besprochenen Fällen, so gaben
sie offenbar damit, was sie gerade vermeiden wollten, schon eine Antwort in
der Sache selbst, sie mußten eben bezeugen und beschwören, daß sie drr
Verfasser, oder wenn sie bei der Einsendung geholfen, wessen Mitschuldige
sie seien. stützten sie sich aber auf das in dem Artikel enthaltene Preßvergehen,
so half und hilft ihnen der Einwand nur, falls solch Vergehen wirklich in dem
Artikel enthalten ist! doch selbst dann dreht sich ja die Vernehmung noch gar
nicht um dieses Vergehen, sondern um den Namen des Einsenders, welchen
man vielleicht wegen indiscreter Veröffentlichung der Schriftstücke u. a, zunächst
lediglich disciplinarisch fassen will, — eine Mitschuld liegt hier also nicht vor.
Der vorn erörterte Grundsatz, daß die Angeschuldigten oder künftig Anzuschul¬
digenden sieht Zeugenfunctionen in ihrer eigenen Strafsache verrichten können,
bleibt also bestehen, hilft aber den Vorgeladenen nicht oder kaum zu ihrer
Weigerung des Zeugnisses.

, Hiernach scheint das Vorgehen mit den genannten gerichtlichen Zwangs
Mitteln gegen die widerspenstigen Zeugen gesetzlich völlig gerechtfertigt. Wendet
man jene Mittel an, so ist die oben ausgeführte Entscheidung des königlichen
Obertribunals begründet, daß das Gesetz dieselben ohne ein festes Maß gestattet,
also in unbegrenzter Dauer, je nach dem Ermessen des zuständigen Richters
oder Gerichtes, und daß nur nach Aburtheilung der Sache ohne Vernehmung
der Zeugen die Zwangsmaßregeln fortfallen müssen. So sagt denn, gestützt
auf eine Reihe von Entscheidungen des höchsten Gerichtshofes, der Ober-
staatsanwalt beim königlichen Obertribunal, Oppenhoff, der ausgezeichnete
Kenner des preußischen Strafrechtes und Strafprocesscs, auch bedingungslos:
»Kein Gesetz entbindet einen Zeitungsredactcur von der Pflicht, auf Erfordern
des Richters die Korrespondenten seines Blattes namhaft zu machen." Und
das Abgeordnetenhaus in seiner Sitzungsperiode von 1862 nahm, geleitet
von den oben berührten Gesichtspunkten über die Gefährdung der Presse durch
den Zeugenzwang der Redacteure, einen von der betreffenden Commission vor¬
geschlagenen neuen Gesetzentwurf als Ergänzung der Strafprvceßgesetze und
des preußischen Preßgesetzes dahin an, daß der Zeitungsredacteur zur Nennung
der Korrespondenten seines Blattes gegenüber dem Gerichte nicht verpflichtet
und hierin von den Zwangsmaßregeln gegen Zeugen auszunehmen sei. Dieser
Entwurf war natürlich todtgeboren, Herrenhaus und Regierung verwarfen ihn.
Die Zwangsmaßregeln gegen die Redacteure blieben aber mit ihrer ganzen Kraft
in unbeschränkter Anwendung.

Eben die Kraft, die Strenge in der über Jahresfrist, ja principiell un¬
begrenzt ausgedehnten Gefängnißstrafe gegen die rennenden Zeugen erregte
den Zorn und Eiser der gegenwärtigen Autoritäten des Strafrechts in der
Wissenschaft und vielfach auch in der Praxis, vornehmlich in der außerpreußischen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/263>, abgerufen am 28.09.2024.