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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Herzen der ganzen Versammlung und gewinnt an allgemeiner Achtung und
Einfluß, wenn er sich ohne Zeichen des Stolzes und der Ueberhebung --
Mängel, welchen sich leider viele Europäer bis zur Bornirtheit hingeben --
unter die ausgelassene Menge mischt und sich leutselig und mittheilsam einige
Augenblicke darunter zu bewegen weiß. Man wird ihn überall zuvorkommend
und mit gefälligem Benehmen bewillkommnen, und jedem seiner Schritte aus¬
biegen, ihm Rechte und Ehren einräumen, die man dem Einheimischen vor-
enthält. sich um ihn sammeln, sich vorstellen, Dienste anbieten und mit unge-
theiltem Interesse jedes seiner Worte auffangen. Galanterien freilich können
auch ihm leicht gefährlich werden, denn die beiden gewaltigen Mächte: Liebe
und Eifersucht herrschen nun einmal gleich absolut und gewaltsam in jedem
lebendigen Wesen jeder Himmelszone. So wohlgefällig vielleicht auch die
Eitelkeit des Gegenstandes, dem solche Aufmerksamkeiten gespendet werden, die¬
selben aufnimmt, so schlagen sie doch dem auserwählten Freund, und stehe er
anscheinend noch so gleichgültig da, oder sei er auch in dem hintersten Winkel
versteckt, er möge nun schwarz, braun, gelb oder weiß sein, wie ein Blitz in
das heiße, rachsüchtige Temperament, und so kann es mit der Artigkeit leicht
ein unverhofft trauriges Ende nehmen.

Nicht minder unermüdlich, wie drinnen der Tanz, hetzt sich draußen daS
Spiel mit Würfeln. Kugeln. Karten und Wetten herum. Mit dem untern dicken Ende
an die Wand oder einen Pfeiler des Corridors geklebt, wirft das flackernde,
unabgeputzte Talglicht einen spärlichen Lichtschimmer auf die rothwollene, an det
Erde auseinandergeschlagene Covija, darüber hin die Würfel rollen oder diÄ
Karten fallen. Dabei steht oder hockt ein Zuschauerkreis jeden Alters, theils
berauscht lallend und tobend, theils schläfrig und stumpf, theils gierig starrend
und Wuth und Rache brütend. Auf der Plaza erhellen flackernde Bagazo-
fackeln die Nacht und den Lauf der totas (Kugeln), um deren Gewinn ge¬
hadert wird. Aus den zahlreichen und vollgedrängten Pulperien,, in denen die
saure Chiesa^), der Guarapo fuerte und der schreckliche Anisado in vollen Gläsern
oder Totumaschaalen unausgesetzt von Mund zu Mund wandern, dringt das
verworrene Getöse trunkner Stimmen, Gekreisch und näselnder und gurgeln¬
der Gesang von Serenadenbringern, welche die Straßen truppweise auf- und
abwandern.




>2) Bcigazofackel; -- bagaso, das ausgequetschte und wieder an der Sonne getrocknete
Zuckerrohr, das gemeinschaftlich mit Holz wieder zum Sieden des Zuckerwassers verwendet
und -- nur mit Heller Flamme brennend, -- vielfach als Fackel, Laternen. s. W.Anwendung
findet.¬
OnicKs, -- (Tschitscha). Gleich dem ZUÄr^xo allgemeines Nationalgetränk; aus ge
quetschten, durchgeseihtem und zu gleichen Theilen mit Zucker versetzten Mais, -- auch aus
dem Stärkemehl der Ducca, aus Reis, verschiedenen Palmenfrüchten u. s.w, bereitet; ist, wenn
die Gährung vorgeschritten, ein saures und stark berauschendes Getränk; nahrhaft, milde und
sättigend in dem Beginn der Gährung.

Herzen der ganzen Versammlung und gewinnt an allgemeiner Achtung und
Einfluß, wenn er sich ohne Zeichen des Stolzes und der Ueberhebung —
Mängel, welchen sich leider viele Europäer bis zur Bornirtheit hingeben —
unter die ausgelassene Menge mischt und sich leutselig und mittheilsam einige
Augenblicke darunter zu bewegen weiß. Man wird ihn überall zuvorkommend
und mit gefälligem Benehmen bewillkommnen, und jedem seiner Schritte aus¬
biegen, ihm Rechte und Ehren einräumen, die man dem Einheimischen vor-
enthält. sich um ihn sammeln, sich vorstellen, Dienste anbieten und mit unge-
theiltem Interesse jedes seiner Worte auffangen. Galanterien freilich können
auch ihm leicht gefährlich werden, denn die beiden gewaltigen Mächte: Liebe
und Eifersucht herrschen nun einmal gleich absolut und gewaltsam in jedem
lebendigen Wesen jeder Himmelszone. So wohlgefällig vielleicht auch die
Eitelkeit des Gegenstandes, dem solche Aufmerksamkeiten gespendet werden, die¬
selben aufnimmt, so schlagen sie doch dem auserwählten Freund, und stehe er
anscheinend noch so gleichgültig da, oder sei er auch in dem hintersten Winkel
versteckt, er möge nun schwarz, braun, gelb oder weiß sein, wie ein Blitz in
das heiße, rachsüchtige Temperament, und so kann es mit der Artigkeit leicht
ein unverhofft trauriges Ende nehmen.

Nicht minder unermüdlich, wie drinnen der Tanz, hetzt sich draußen daS
Spiel mit Würfeln. Kugeln. Karten und Wetten herum. Mit dem untern dicken Ende
an die Wand oder einen Pfeiler des Corridors geklebt, wirft das flackernde,
unabgeputzte Talglicht einen spärlichen Lichtschimmer auf die rothwollene, an det
Erde auseinandergeschlagene Covija, darüber hin die Würfel rollen oder diÄ
Karten fallen. Dabei steht oder hockt ein Zuschauerkreis jeden Alters, theils
berauscht lallend und tobend, theils schläfrig und stumpf, theils gierig starrend
und Wuth und Rache brütend. Auf der Plaza erhellen flackernde Bagazo-
fackeln die Nacht und den Lauf der totas (Kugeln), um deren Gewinn ge¬
hadert wird. Aus den zahlreichen und vollgedrängten Pulperien,, in denen die
saure Chiesa^), der Guarapo fuerte und der schreckliche Anisado in vollen Gläsern
oder Totumaschaalen unausgesetzt von Mund zu Mund wandern, dringt das
verworrene Getöse trunkner Stimmen, Gekreisch und näselnder und gurgeln¬
der Gesang von Serenadenbringern, welche die Straßen truppweise auf- und
abwandern.




>2) Bcigazofackel; — bagaso, das ausgequetschte und wieder an der Sonne getrocknete
Zuckerrohr, das gemeinschaftlich mit Holz wieder zum Sieden des Zuckerwassers verwendet
und — nur mit Heller Flamme brennend, — vielfach als Fackel, Laternen. s. W.Anwendung
findet.¬
OnicKs, — (Tschitscha). Gleich dem ZUÄr^xo allgemeines Nationalgetränk; aus ge
quetschten, durchgeseihtem und zu gleichen Theilen mit Zucker versetzten Mais, — auch aus
dem Stärkemehl der Ducca, aus Reis, verschiedenen Palmenfrüchten u. s.w, bereitet; ist, wenn
die Gährung vorgeschritten, ein saures und stark berauschendes Getränk; nahrhaft, milde und
sättigend in dem Beginn der Gährung.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/248>, abgerufen am 05.12.2024.