Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von innen durch Jalousien oder Läden geschlossen. Der Fußboden ist auch in
den Häusern der wohlhabenden Aristokratie mit Ziegeln ausgelegt, bin und
wieder mit Binsen- und Palmenmatten oder europäischen Teppichen bedeckt.
Breter und Bohlen sind bei dem Mangel an Arbeitskräften und industriellen
Unternehmungen trotz des Ueberflusses an Wäldern und kostbaren Hölzern ein
äußerst selten gesehener Gegenstand. Rings an die kahlen, schmucklosen Wände
lehnt sich das spärliche Hausgeräth, das aus einigen Tischen und Ledersesseln
besteht. Die dunkle und fast unheimliche Leere und Oede des innern Hauses
zeigt deutlich an, daß das Klima dem Menschen mehr den freien Luftraum,
als das Haus zu seinem Aufenthalte angewiesen hat, und in der That wohnt
der Mensch mehr unter dem blauen Himmelsdach, als unter dem Dach jenes
dunklen, engen Gemäuers, das er nur als Zufluchtsstätte gegen das Dunkel
der Nacht und die Unbill der Witterung betrachtet; wird er durch Beruf und
Gewerbe in dem Hause zurückgehalte", wie es namentlich dem Weibe durch
die Sitte geboten, so bewohnt er immerhin doch mehr den offenwandigen, luft-
und lichtumspülten Korridor des Mio, als den eingeschlossenen Zimmerraum.

Haus und Hof, wo K. sein Expeditionslager ausgeschlagen hatte, bot einen
bunten, sonderbaren Anblick dar; ein Gemisch von den verschiedenartigsten
Kräften und Geschäften, von allerlei Thun und Treiben, von todten und lebendigen
Gegenständen herrschte da durcheinander. Noch blutige Rinderhäute wurden zu
Lassos, Petaccas i") und Schutzdecken zerschnitten. Zwischen dreikantig-scharfen
Hölzern gingen die dickfleischigen Blätter der Agave und Uucca hindurch, um
von der gequetschten, milchweißen, ätzenden Masse die langen Bastfasern, -- die
sogenannte Fique, -- abzulösen, die dann getrocknet und zu Bindfaden, Tauen,
Netzen und Säcken verarbeitet wurden. Haufen von maetrette's") wurde an
den schrillenden Schleifsteinen die nöthige Glätte und Schärfe gegeben. Weiter¬
hin wieder wurden Waffen geputzt, Kugeln gegossen und Blei zerhackt -- und
dazwischen herrschte nach allen Seiten hin die Kommandostimme d es Patron's
der selbst hier die Nadel, dort das Messer führte. Kauf. Tausch und Verkauf be¬
trieb, Leute warb und ablehnte, hier kollegialisch oder richtiger diplomatisch
mit einem nutzbaren Neger oder Indianer aus einem Glase trank, wiederum
grimmige Flüche auf eine Gruppe liederlicher und fauler Bursche schleuderte,
und überall Augen, Ohren und Mund im Spiele hatte. -- Eine wollhaarige,




?stg,ceg.: Kober, Kiepe oder Kiste aus ungegerbter Ninderhaut, deren Deckel tief
über den innern Kasten mündet; meistens zum Verpacken von Waaren gebraucht, die gegen
Feuchtigkeit geschützt werden sollen. ^
") Naeiiette (Matschctte) ein säbelartigcs Messer mit Holz, oder Horngriff, das gewöhn¬
lichste landwirthschaftliche Geräth zum Reinigen der Plantagen und Urbarmachung wilden
Landes, -- Jeder Arbeiter trägt außerdem noch eine kleinere Machette in einer Lederschcide
am Hüfftgurte, ohne die er sich niemals aus seiner Wohnung entfernt.

von innen durch Jalousien oder Läden geschlossen. Der Fußboden ist auch in
den Häusern der wohlhabenden Aristokratie mit Ziegeln ausgelegt, bin und
wieder mit Binsen- und Palmenmatten oder europäischen Teppichen bedeckt.
Breter und Bohlen sind bei dem Mangel an Arbeitskräften und industriellen
Unternehmungen trotz des Ueberflusses an Wäldern und kostbaren Hölzern ein
äußerst selten gesehener Gegenstand. Rings an die kahlen, schmucklosen Wände
lehnt sich das spärliche Hausgeräth, das aus einigen Tischen und Ledersesseln
besteht. Die dunkle und fast unheimliche Leere und Oede des innern Hauses
zeigt deutlich an, daß das Klima dem Menschen mehr den freien Luftraum,
als das Haus zu seinem Aufenthalte angewiesen hat, und in der That wohnt
der Mensch mehr unter dem blauen Himmelsdach, als unter dem Dach jenes
dunklen, engen Gemäuers, das er nur als Zufluchtsstätte gegen das Dunkel
der Nacht und die Unbill der Witterung betrachtet; wird er durch Beruf und
Gewerbe in dem Hause zurückgehalte», wie es namentlich dem Weibe durch
die Sitte geboten, so bewohnt er immerhin doch mehr den offenwandigen, luft-
und lichtumspülten Korridor des Mio, als den eingeschlossenen Zimmerraum.

Haus und Hof, wo K. sein Expeditionslager ausgeschlagen hatte, bot einen
bunten, sonderbaren Anblick dar; ein Gemisch von den verschiedenartigsten
Kräften und Geschäften, von allerlei Thun und Treiben, von todten und lebendigen
Gegenständen herrschte da durcheinander. Noch blutige Rinderhäute wurden zu
Lassos, Petaccas i") und Schutzdecken zerschnitten. Zwischen dreikantig-scharfen
Hölzern gingen die dickfleischigen Blätter der Agave und Uucca hindurch, um
von der gequetschten, milchweißen, ätzenden Masse die langen Bastfasern, — die
sogenannte Fique, — abzulösen, die dann getrocknet und zu Bindfaden, Tauen,
Netzen und Säcken verarbeitet wurden. Haufen von maetrette's") wurde an
den schrillenden Schleifsteinen die nöthige Glätte und Schärfe gegeben. Weiter¬
hin wieder wurden Waffen geputzt, Kugeln gegossen und Blei zerhackt — und
dazwischen herrschte nach allen Seiten hin die Kommandostimme d es Patron's
der selbst hier die Nadel, dort das Messer führte. Kauf. Tausch und Verkauf be¬
trieb, Leute warb und ablehnte, hier kollegialisch oder richtiger diplomatisch
mit einem nutzbaren Neger oder Indianer aus einem Glase trank, wiederum
grimmige Flüche auf eine Gruppe liederlicher und fauler Bursche schleuderte,
und überall Augen, Ohren und Mund im Spiele hatte. — Eine wollhaarige,




?stg,ceg.: Kober, Kiepe oder Kiste aus ungegerbter Ninderhaut, deren Deckel tief
über den innern Kasten mündet; meistens zum Verpacken von Waaren gebraucht, die gegen
Feuchtigkeit geschützt werden sollen. ^
") Naeiiette (Matschctte) ein säbelartigcs Messer mit Holz, oder Horngriff, das gewöhn¬
lichste landwirthschaftliche Geräth zum Reinigen der Plantagen und Urbarmachung wilden
Landes, — Jeder Arbeiter trägt außerdem noch eine kleinere Machette in einer Lederschcide
am Hüfftgurte, ohne die er sich niemals aus seiner Wohnung entfernt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283041"/>
          <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> von innen durch Jalousien oder Läden geschlossen. Der Fußboden ist auch in<lb/>
den Häusern der wohlhabenden Aristokratie mit Ziegeln ausgelegt, bin und<lb/>
wieder mit Binsen- und Palmenmatten oder europäischen Teppichen bedeckt.<lb/>
Breter und Bohlen sind bei dem Mangel an Arbeitskräften und industriellen<lb/>
Unternehmungen trotz des Ueberflusses an Wäldern und kostbaren Hölzern ein<lb/>
äußerst selten gesehener Gegenstand. Rings an die kahlen, schmucklosen Wände<lb/>
lehnt sich das spärliche Hausgeräth, das aus einigen Tischen und Ledersesseln<lb/>
besteht. Die dunkle und fast unheimliche Leere und Oede des innern Hauses<lb/>
zeigt deutlich an, daß das Klima dem Menschen mehr den freien Luftraum,<lb/>
als das Haus zu seinem Aufenthalte angewiesen hat, und in der That wohnt<lb/>
der Mensch mehr unter dem blauen Himmelsdach, als unter dem Dach jenes<lb/>
dunklen, engen Gemäuers, das er nur als Zufluchtsstätte gegen das Dunkel<lb/>
der Nacht und die Unbill der Witterung betrachtet; wird er durch Beruf und<lb/>
Gewerbe in dem Hause zurückgehalte», wie es namentlich dem Weibe durch<lb/>
die Sitte geboten, so bewohnt er immerhin doch mehr den offenwandigen, luft-<lb/>
und lichtumspülten Korridor des Mio, als den eingeschlossenen Zimmerraum.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Haus und Hof, wo K. sein Expeditionslager ausgeschlagen hatte, bot einen<lb/>
bunten, sonderbaren Anblick dar; ein Gemisch von den verschiedenartigsten<lb/>
Kräften und Geschäften, von allerlei Thun und Treiben, von todten und lebendigen<lb/>
Gegenständen herrschte da durcheinander. Noch blutige Rinderhäute wurden zu<lb/>
Lassos, Petaccas i") und Schutzdecken zerschnitten. Zwischen dreikantig-scharfen<lb/>
Hölzern gingen die dickfleischigen Blätter der Agave und Uucca hindurch, um<lb/>
von der gequetschten, milchweißen, ätzenden Masse die langen Bastfasern, &#x2014; die<lb/>
sogenannte Fique, &#x2014; abzulösen, die dann getrocknet und zu Bindfaden, Tauen,<lb/>
Netzen und Säcken verarbeitet wurden. Haufen von maetrette's") wurde an<lb/>
den schrillenden Schleifsteinen die nöthige Glätte und Schärfe gegeben. Weiter¬<lb/>
hin wieder wurden Waffen geputzt, Kugeln gegossen und Blei zerhackt &#x2014; und<lb/>
dazwischen herrschte nach allen Seiten hin die Kommandostimme d es Patron's<lb/>
der selbst hier die Nadel, dort das Messer führte. Kauf. Tausch und Verkauf be¬<lb/>
trieb, Leute warb und ablehnte, hier kollegialisch oder richtiger diplomatisch<lb/>
mit einem nutzbaren Neger oder Indianer aus einem Glase trank, wiederum<lb/>
grimmige Flüche auf eine Gruppe liederlicher und fauler Bursche schleuderte,<lb/>
und überall Augen, Ohren und Mund im Spiele hatte. &#x2014; Eine wollhaarige,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_41" place="foot"> ?stg,ceg.: Kober, Kiepe oder Kiste aus ungegerbter Ninderhaut, deren Deckel tief<lb/>
über den innern Kasten mündet; meistens zum Verpacken von Waaren gebraucht, die gegen<lb/>
Feuchtigkeit geschützt werden sollen. ^</note><lb/>
          <note xml:id="FID_42" place="foot"> ") Naeiiette (Matschctte) ein säbelartigcs Messer mit Holz, oder Horngriff, das gewöhn¬<lb/>
lichste landwirthschaftliche Geräth zum Reinigen der Plantagen und Urbarmachung wilden<lb/>
Landes, &#x2014; Jeder Arbeiter trägt außerdem noch eine kleinere Machette in einer Lederschcide<lb/>
am Hüfftgurte, ohne die er sich niemals aus seiner Wohnung entfernt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] von innen durch Jalousien oder Läden geschlossen. Der Fußboden ist auch in den Häusern der wohlhabenden Aristokratie mit Ziegeln ausgelegt, bin und wieder mit Binsen- und Palmenmatten oder europäischen Teppichen bedeckt. Breter und Bohlen sind bei dem Mangel an Arbeitskräften und industriellen Unternehmungen trotz des Ueberflusses an Wäldern und kostbaren Hölzern ein äußerst selten gesehener Gegenstand. Rings an die kahlen, schmucklosen Wände lehnt sich das spärliche Hausgeräth, das aus einigen Tischen und Ledersesseln besteht. Die dunkle und fast unheimliche Leere und Oede des innern Hauses zeigt deutlich an, daß das Klima dem Menschen mehr den freien Luftraum, als das Haus zu seinem Aufenthalte angewiesen hat, und in der That wohnt der Mensch mehr unter dem blauen Himmelsdach, als unter dem Dach jenes dunklen, engen Gemäuers, das er nur als Zufluchtsstätte gegen das Dunkel der Nacht und die Unbill der Witterung betrachtet; wird er durch Beruf und Gewerbe in dem Hause zurückgehalte», wie es namentlich dem Weibe durch die Sitte geboten, so bewohnt er immerhin doch mehr den offenwandigen, luft- und lichtumspülten Korridor des Mio, als den eingeschlossenen Zimmerraum. Haus und Hof, wo K. sein Expeditionslager ausgeschlagen hatte, bot einen bunten, sonderbaren Anblick dar; ein Gemisch von den verschiedenartigsten Kräften und Geschäften, von allerlei Thun und Treiben, von todten und lebendigen Gegenständen herrschte da durcheinander. Noch blutige Rinderhäute wurden zu Lassos, Petaccas i") und Schutzdecken zerschnitten. Zwischen dreikantig-scharfen Hölzern gingen die dickfleischigen Blätter der Agave und Uucca hindurch, um von der gequetschten, milchweißen, ätzenden Masse die langen Bastfasern, — die sogenannte Fique, — abzulösen, die dann getrocknet und zu Bindfaden, Tauen, Netzen und Säcken verarbeitet wurden. Haufen von maetrette's") wurde an den schrillenden Schleifsteinen die nöthige Glätte und Schärfe gegeben. Weiter¬ hin wieder wurden Waffen geputzt, Kugeln gegossen und Blei zerhackt — und dazwischen herrschte nach allen Seiten hin die Kommandostimme d es Patron's der selbst hier die Nadel, dort das Messer führte. Kauf. Tausch und Verkauf be¬ trieb, Leute warb und ablehnte, hier kollegialisch oder richtiger diplomatisch mit einem nutzbaren Neger oder Indianer aus einem Glase trank, wiederum grimmige Flüche auf eine Gruppe liederlicher und fauler Bursche schleuderte, und überall Augen, Ohren und Mund im Spiele hatte. — Eine wollhaarige, ?stg,ceg.: Kober, Kiepe oder Kiste aus ungegerbter Ninderhaut, deren Deckel tief über den innern Kasten mündet; meistens zum Verpacken von Waaren gebraucht, die gegen Feuchtigkeit geschützt werden sollen. ^ ") Naeiiette (Matschctte) ein säbelartigcs Messer mit Holz, oder Horngriff, das gewöhn¬ lichste landwirthschaftliche Geräth zum Reinigen der Plantagen und Urbarmachung wilden Landes, — Jeder Arbeiter trägt außerdem noch eine kleinere Machette in einer Lederschcide am Hüfftgurte, ohne die er sich niemals aus seiner Wohnung entfernt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/244>, abgerufen am 26.06.2024.