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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Brandstätten grün zu Überkleidern So umwogt namentlich der Monat Mai
die Hügel und Berge mit grünen Graswellen, der darum mit größerem Rechte
von den granadinischen, als von den norddeutschen Dichtern als Wonnemond
besungen werden kann. Bilden auch unter den Tropen die Jahreszeiten nicht
jene empfindlichen Gegensätze, als in unseren Breiten, so üben sie doch auch
dort, trotz ihrer geringen Temperaturunterschiede einen bedeutenden Einfluß auf
das Pflanzenleben und auf die Empfindungen des Thierreiches und der Men¬
schen aus. Die eigentlichen Blüthen- oder Wonnemonde Neugranadas sind
der Mai und December. Mit dem März, spätestens Mitte April tritt nach
dem regenlosen, svnnenheißen vers.no (Sommer, trockne Jahreszeit) des Januar
und Februar der kleine ioviorno (Winter, nasse Jahreszeit) ein, welcher mit
seinem ersten feuchten Hauche sofort alle Knospen und Blüthen sprengt, die
durstend seines Weckrufes harren; diesem kurzen invisrno folgt der kleine veravo
mit einzelnen, hin und wieder fallenden Regenschauern, bis mit dem October
endlich der große invierno eintritt, der die Erde grade zum Christmonde mit
dem saftigsten Grün und den prunkendsten Blumen des Jahres schmückt, bis
diesem invierno mit Ausgang des December der lange vers-vo des Januar und
Februar folgt. So die Regel. Jedoch verursachen locale Verhältnisse, und
meteorologische Vorgänge mancherlei Abweichungen in den Jahreszeiten, so daß
sie an verschiedenen Orten und in einem Jahre anders als in dem andern ein¬
treten oder andauern.

Mit der letzten Hälfte des Weges nach La Convencion wird die Landschaft
rings umher eine andere; die gleichförmigen Savannen machen kräftigem, mannig-
faltigen Pflanzenwuchse Raum, der Wald tritt an die Stelle des Grases und
hält in dem gewellten und viel zerklüfteten Erdreiche unter seinem dichten
Schatten die Feuchtigkeit zurück. In den Hochwald aber, der mit seinen dunklen
Laubmassen die nackte Form der rothen Berge umkleidet, haben Eisen und
Feuer des Ackerbauers große Breschen und Lücken geschlagen. Fruchtfelder
drängen sich an Fruchtfelder, und so weit als das Auge die Gebirgslandschaft
übersieht, tauchen aus dem dunklen, graugrünen Farbenton der Wälder, schwe¬
benden Inseln gleich, die lichtgrünen Zuckerrohr- und Bananenfelder auf mit
ihren rothen Ziegel- oder ihren gelben Palmenstrohdächern und rauchenden
Schornsteinen, von denen das Aechzen und Knarren der Trapiches*) und der
fast ununterbrochene laute Zuruf, welcher die schwerfälligen Zugochsen oder
widerspenstigen Maulesel vor den zermalmenden Walzen in Bewegung setzt,



2) rrs-pieds (Trapitsche) Zuckcrrohrmühle und Zuckerstederei, die drei, gewöhnlich seul,
recht nebeneinandergestellten Walzen, die das Rohr greifen und auspressen, werden durch
Ochsen, Maulthiere, -- selten erst durch Dampf und Wasser getrieben; der ausgepreßte Rohr-
fast wird durch Röhren von den Walzen in die Siedekessel geleitet und daselbst sofort ab¬
gedampft.
Grenzbott-n II. 18VS. 29

Brandstätten grün zu Überkleidern So umwogt namentlich der Monat Mai
die Hügel und Berge mit grünen Graswellen, der darum mit größerem Rechte
von den granadinischen, als von den norddeutschen Dichtern als Wonnemond
besungen werden kann. Bilden auch unter den Tropen die Jahreszeiten nicht
jene empfindlichen Gegensätze, als in unseren Breiten, so üben sie doch auch
dort, trotz ihrer geringen Temperaturunterschiede einen bedeutenden Einfluß auf
das Pflanzenleben und auf die Empfindungen des Thierreiches und der Men¬
schen aus. Die eigentlichen Blüthen- oder Wonnemonde Neugranadas sind
der Mai und December. Mit dem März, spätestens Mitte April tritt nach
dem regenlosen, svnnenheißen vers.no (Sommer, trockne Jahreszeit) des Januar
und Februar der kleine ioviorno (Winter, nasse Jahreszeit) ein, welcher mit
seinem ersten feuchten Hauche sofort alle Knospen und Blüthen sprengt, die
durstend seines Weckrufes harren; diesem kurzen invisrno folgt der kleine veravo
mit einzelnen, hin und wieder fallenden Regenschauern, bis mit dem October
endlich der große invierno eintritt, der die Erde grade zum Christmonde mit
dem saftigsten Grün und den prunkendsten Blumen des Jahres schmückt, bis
diesem invierno mit Ausgang des December der lange vers-vo des Januar und
Februar folgt. So die Regel. Jedoch verursachen locale Verhältnisse, und
meteorologische Vorgänge mancherlei Abweichungen in den Jahreszeiten, so daß
sie an verschiedenen Orten und in einem Jahre anders als in dem andern ein¬
treten oder andauern.

Mit der letzten Hälfte des Weges nach La Convencion wird die Landschaft
rings umher eine andere; die gleichförmigen Savannen machen kräftigem, mannig-
faltigen Pflanzenwuchse Raum, der Wald tritt an die Stelle des Grases und
hält in dem gewellten und viel zerklüfteten Erdreiche unter seinem dichten
Schatten die Feuchtigkeit zurück. In den Hochwald aber, der mit seinen dunklen
Laubmassen die nackte Form der rothen Berge umkleidet, haben Eisen und
Feuer des Ackerbauers große Breschen und Lücken geschlagen. Fruchtfelder
drängen sich an Fruchtfelder, und so weit als das Auge die Gebirgslandschaft
übersieht, tauchen aus dem dunklen, graugrünen Farbenton der Wälder, schwe¬
benden Inseln gleich, die lichtgrünen Zuckerrohr- und Bananenfelder auf mit
ihren rothen Ziegel- oder ihren gelben Palmenstrohdächern und rauchenden
Schornsteinen, von denen das Aechzen und Knarren der Trapiches*) und der
fast ununterbrochene laute Zuruf, welcher die schwerfälligen Zugochsen oder
widerspenstigen Maulesel vor den zermalmenden Walzen in Bewegung setzt,



2) rrs-pieds (Trapitsche) Zuckcrrohrmühle und Zuckerstederei, die drei, gewöhnlich seul,
recht nebeneinandergestellten Walzen, die das Rohr greifen und auspressen, werden durch
Ochsen, Maulthiere, — selten erst durch Dampf und Wasser getrieben; der ausgepreßte Rohr-
fast wird durch Röhren von den Walzen in die Siedekessel geleitet und daselbst sofort ab¬
gedampft.
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[0241] Brandstätten grün zu Überkleidern So umwogt namentlich der Monat Mai die Hügel und Berge mit grünen Graswellen, der darum mit größerem Rechte von den granadinischen, als von den norddeutschen Dichtern als Wonnemond besungen werden kann. Bilden auch unter den Tropen die Jahreszeiten nicht jene empfindlichen Gegensätze, als in unseren Breiten, so üben sie doch auch dort, trotz ihrer geringen Temperaturunterschiede einen bedeutenden Einfluß auf das Pflanzenleben und auf die Empfindungen des Thierreiches und der Men¬ schen aus. Die eigentlichen Blüthen- oder Wonnemonde Neugranadas sind der Mai und December. Mit dem März, spätestens Mitte April tritt nach dem regenlosen, svnnenheißen vers.no (Sommer, trockne Jahreszeit) des Januar und Februar der kleine ioviorno (Winter, nasse Jahreszeit) ein, welcher mit seinem ersten feuchten Hauche sofort alle Knospen und Blüthen sprengt, die durstend seines Weckrufes harren; diesem kurzen invisrno folgt der kleine veravo mit einzelnen, hin und wieder fallenden Regenschauern, bis mit dem October endlich der große invierno eintritt, der die Erde grade zum Christmonde mit dem saftigsten Grün und den prunkendsten Blumen des Jahres schmückt, bis diesem invierno mit Ausgang des December der lange vers-vo des Januar und Februar folgt. So die Regel. Jedoch verursachen locale Verhältnisse, und meteorologische Vorgänge mancherlei Abweichungen in den Jahreszeiten, so daß sie an verschiedenen Orten und in einem Jahre anders als in dem andern ein¬ treten oder andauern. Mit der letzten Hälfte des Weges nach La Convencion wird die Landschaft rings umher eine andere; die gleichförmigen Savannen machen kräftigem, mannig- faltigen Pflanzenwuchse Raum, der Wald tritt an die Stelle des Grases und hält in dem gewellten und viel zerklüfteten Erdreiche unter seinem dichten Schatten die Feuchtigkeit zurück. In den Hochwald aber, der mit seinen dunklen Laubmassen die nackte Form der rothen Berge umkleidet, haben Eisen und Feuer des Ackerbauers große Breschen und Lücken geschlagen. Fruchtfelder drängen sich an Fruchtfelder, und so weit als das Auge die Gebirgslandschaft übersieht, tauchen aus dem dunklen, graugrünen Farbenton der Wälder, schwe¬ benden Inseln gleich, die lichtgrünen Zuckerrohr- und Bananenfelder auf mit ihren rothen Ziegel- oder ihren gelben Palmenstrohdächern und rauchenden Schornsteinen, von denen das Aechzen und Knarren der Trapiches*) und der fast ununterbrochene laute Zuruf, welcher die schwerfälligen Zugochsen oder widerspenstigen Maulesel vor den zermalmenden Walzen in Bewegung setzt, 2) rrs-pieds (Trapitsche) Zuckcrrohrmühle und Zuckerstederei, die drei, gewöhnlich seul, recht nebeneinandergestellten Walzen, die das Rohr greifen und auspressen, werden durch Ochsen, Maulthiere, — selten erst durch Dampf und Wasser getrieben; der ausgepreßte Rohr- fast wird durch Röhren von den Walzen in die Siedekessel geleitet und daselbst sofort ab¬ gedampft. Grenzbott-n II. 18VS. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/241>, abgerufen am 26.06.2024.