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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Fähigkeiten der Thiere und überraschende Beweise dafür, daß sie außerordentlich
gut zu observiren und zu calculiren verstehen.

Das nächste Hügelland rings um Ocana ist unbewaldet, steril und ein¬
förmig, mit hartem Savannengras bedeckt. Die schmalen, fruchtbaren Thal¬
einschnitte und Bergschluchten verschwinden mit ihren dünnen Streifen Cultur¬
landes zu sehr, um die Eintönigkeit der Landschaft wesentlich beleben zu können.
Man findet im tropischen Amerika die größeren Städte fast immer in unfrucht¬
barer, oder doch in pflanzenarmer Landschaft gelegen; seine alten Städteerbauer
scheinen die Gefahren des Klimas in richtiger Weise gewürdigt zu haben; sie
verzichteten zu Gunsten der Gesundheit auf die Anmuth der Landschaft und
die Fruchtbarkeit des Bodens, der, wo er am üppigsten, dem Menschen gewöhn¬
lich am verderblichsten ist. Die falsche Meinung ist sehr weit verbreitet, daß
jeder Zoll der Tropenerde in paradiesischer Pflanzenfülle prange; der dichtenden
Phantasie erscheint der "ewige Sommer" eben nur als ein unerschöpfliches
Füllhorn voll Prachtblumen und köstlicher Früchte. Aber ganze lange Gebirgs-
züge und andererseits weite, unbegrenzte und darum um so mehr ermüdende
Ebenen sind nur von einer einzigen aschgrauen Wolke versengten Grases und
glühend umherwirbelnder Staubkörnchen bedeckt, welche den Menschen und
Thieren, die dürstend und heiß bis ins Mark ihre Straße ziehen, stechend aus
die Haut fallen, die Brust beengen und vor dem geröiheten Auge und dem er¬
bieten Gehirn wirre Gestalten und Bilder vorbeitreiben. Vergeblich horcht
der neue Ankömmling auf das Rauschen der Palmenhaine und zieht enttäuscht
seine Blicke zurück von der durstigklaffenden Erdrinde, wo er einen prangenden
Flor jener Blumen vermuthete, die ihm in den Glashäusern seiner nordischen
Heimathserde die Sehnsucht nach tropischer Schouten erweckten. Und doch ist diese
Schönheit und Herrlichkeit wirklich ausschließliches Eigenthum der Erde, nach
der ihn Wissensdrang oder Wanderlust gezogen,.wenn auch nicht, wie überspannte
Reiseschilderungen oder die dichtende Phantasie glauben machen wollen, zu
einem einzigen bunten Straus zusammengewunden, sondern Jo.se und versteckt,
hier spärlich, dort reichlicher eingestreut in die Pflanzendecke des Planeten.

Die Bergsavannen Ocanas sind zwar eintönig und pflanzenarm, dursten
aber nicht so dürr und trostlos dem Auge entgegen, wie z. B. die Cordilleren-
mauer an manchen Gegenden der Küste oder die unendlichen Flächen der
Llanos, die nur periodisch aus ihrer grauen Asche auferstehen, sonst aber sehr
selten einmal durch einige wenige Regentropfen angefeuchtet und belebt werden.
Die Savannen um Ocona verdorren und veraschen nur auf kurze Zeit, weil
die atmosphärischen Niederschläge häufig und bedeutend genug erfolgen, um
alsbald nach dem Absterben des alten Grases, ja noch während desselben schon
die grünen Spitzen des jungen durch die trockne Strohschicht zu schieben, oder
-- wo die Savannen abgebrannt werden, -- binnen kurzer Zeit die schwarzen


Fähigkeiten der Thiere und überraschende Beweise dafür, daß sie außerordentlich
gut zu observiren und zu calculiren verstehen.

Das nächste Hügelland rings um Ocana ist unbewaldet, steril und ein¬
förmig, mit hartem Savannengras bedeckt. Die schmalen, fruchtbaren Thal¬
einschnitte und Bergschluchten verschwinden mit ihren dünnen Streifen Cultur¬
landes zu sehr, um die Eintönigkeit der Landschaft wesentlich beleben zu können.
Man findet im tropischen Amerika die größeren Städte fast immer in unfrucht¬
barer, oder doch in pflanzenarmer Landschaft gelegen; seine alten Städteerbauer
scheinen die Gefahren des Klimas in richtiger Weise gewürdigt zu haben; sie
verzichteten zu Gunsten der Gesundheit auf die Anmuth der Landschaft und
die Fruchtbarkeit des Bodens, der, wo er am üppigsten, dem Menschen gewöhn¬
lich am verderblichsten ist. Die falsche Meinung ist sehr weit verbreitet, daß
jeder Zoll der Tropenerde in paradiesischer Pflanzenfülle prange; der dichtenden
Phantasie erscheint der „ewige Sommer" eben nur als ein unerschöpfliches
Füllhorn voll Prachtblumen und köstlicher Früchte. Aber ganze lange Gebirgs-
züge und andererseits weite, unbegrenzte und darum um so mehr ermüdende
Ebenen sind nur von einer einzigen aschgrauen Wolke versengten Grases und
glühend umherwirbelnder Staubkörnchen bedeckt, welche den Menschen und
Thieren, die dürstend und heiß bis ins Mark ihre Straße ziehen, stechend aus
die Haut fallen, die Brust beengen und vor dem geröiheten Auge und dem er¬
bieten Gehirn wirre Gestalten und Bilder vorbeitreiben. Vergeblich horcht
der neue Ankömmling auf das Rauschen der Palmenhaine und zieht enttäuscht
seine Blicke zurück von der durstigklaffenden Erdrinde, wo er einen prangenden
Flor jener Blumen vermuthete, die ihm in den Glashäusern seiner nordischen
Heimathserde die Sehnsucht nach tropischer Schouten erweckten. Und doch ist diese
Schönheit und Herrlichkeit wirklich ausschließliches Eigenthum der Erde, nach
der ihn Wissensdrang oder Wanderlust gezogen,.wenn auch nicht, wie überspannte
Reiseschilderungen oder die dichtende Phantasie glauben machen wollen, zu
einem einzigen bunten Straus zusammengewunden, sondern Jo.se und versteckt,
hier spärlich, dort reichlicher eingestreut in die Pflanzendecke des Planeten.

Die Bergsavannen Ocanas sind zwar eintönig und pflanzenarm, dursten
aber nicht so dürr und trostlos dem Auge entgegen, wie z. B. die Cordilleren-
mauer an manchen Gegenden der Küste oder die unendlichen Flächen der
Llanos, die nur periodisch aus ihrer grauen Asche auferstehen, sonst aber sehr
selten einmal durch einige wenige Regentropfen angefeuchtet und belebt werden.
Die Savannen um Ocona verdorren und veraschen nur auf kurze Zeit, weil
die atmosphärischen Niederschläge häufig und bedeutend genug erfolgen, um
alsbald nach dem Absterben des alten Grases, ja noch während desselben schon
die grünen Spitzen des jungen durch die trockne Strohschicht zu schieben, oder
— wo die Savannen abgebrannt werden, — binnen kurzer Zeit die schwarzen


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[0240] Fähigkeiten der Thiere und überraschende Beweise dafür, daß sie außerordentlich gut zu observiren und zu calculiren verstehen. Das nächste Hügelland rings um Ocana ist unbewaldet, steril und ein¬ förmig, mit hartem Savannengras bedeckt. Die schmalen, fruchtbaren Thal¬ einschnitte und Bergschluchten verschwinden mit ihren dünnen Streifen Cultur¬ landes zu sehr, um die Eintönigkeit der Landschaft wesentlich beleben zu können. Man findet im tropischen Amerika die größeren Städte fast immer in unfrucht¬ barer, oder doch in pflanzenarmer Landschaft gelegen; seine alten Städteerbauer scheinen die Gefahren des Klimas in richtiger Weise gewürdigt zu haben; sie verzichteten zu Gunsten der Gesundheit auf die Anmuth der Landschaft und die Fruchtbarkeit des Bodens, der, wo er am üppigsten, dem Menschen gewöhn¬ lich am verderblichsten ist. Die falsche Meinung ist sehr weit verbreitet, daß jeder Zoll der Tropenerde in paradiesischer Pflanzenfülle prange; der dichtenden Phantasie erscheint der „ewige Sommer" eben nur als ein unerschöpfliches Füllhorn voll Prachtblumen und köstlicher Früchte. Aber ganze lange Gebirgs- züge und andererseits weite, unbegrenzte und darum um so mehr ermüdende Ebenen sind nur von einer einzigen aschgrauen Wolke versengten Grases und glühend umherwirbelnder Staubkörnchen bedeckt, welche den Menschen und Thieren, die dürstend und heiß bis ins Mark ihre Straße ziehen, stechend aus die Haut fallen, die Brust beengen und vor dem geröiheten Auge und dem er¬ bieten Gehirn wirre Gestalten und Bilder vorbeitreiben. Vergeblich horcht der neue Ankömmling auf das Rauschen der Palmenhaine und zieht enttäuscht seine Blicke zurück von der durstigklaffenden Erdrinde, wo er einen prangenden Flor jener Blumen vermuthete, die ihm in den Glashäusern seiner nordischen Heimathserde die Sehnsucht nach tropischer Schouten erweckten. Und doch ist diese Schönheit und Herrlichkeit wirklich ausschließliches Eigenthum der Erde, nach der ihn Wissensdrang oder Wanderlust gezogen,.wenn auch nicht, wie überspannte Reiseschilderungen oder die dichtende Phantasie glauben machen wollen, zu einem einzigen bunten Straus zusammengewunden, sondern Jo.se und versteckt, hier spärlich, dort reichlicher eingestreut in die Pflanzendecke des Planeten. Die Bergsavannen Ocanas sind zwar eintönig und pflanzenarm, dursten aber nicht so dürr und trostlos dem Auge entgegen, wie z. B. die Cordilleren- mauer an manchen Gegenden der Küste oder die unendlichen Flächen der Llanos, die nur periodisch aus ihrer grauen Asche auferstehen, sonst aber sehr selten einmal durch einige wenige Regentropfen angefeuchtet und belebt werden. Die Savannen um Ocona verdorren und veraschen nur auf kurze Zeit, weil die atmosphärischen Niederschläge häufig und bedeutend genug erfolgen, um alsbald nach dem Absterben des alten Grases, ja noch während desselben schon die grünen Spitzen des jungen durch die trockne Strohschicht zu schieben, oder — wo die Savannen abgebrannt werden, — binnen kurzer Zeit die schwarzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/240>, abgerufen am 26.06.2024.