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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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vorausgesetzt werden. In Wahrheit bestanden damals in Rom, wie häusig in
ähnlichen Fällen, zwei Verschwörungen der Opposition ineinander. Eine große,
welche durch die Führer der Volkspartei -- damals Cäsar und Crassus --
geleitet wurde, die zweite kleinere das Complot des Catilinci. Beide gingen
auf gewaltsamen Sturz der Senatsmajorität aus, beide standen in Verbindung,
in beiden hatten die Leiter ihre besonderen Zwecke. Daß Cäsar und Crassus
dem Complot des Catilina nicht fremd waren und vertrauten, wie die unsaubere
Arbeit der wilden Gesellen ihnen den Weg zum Siege bahnen könne, ist für
uns außer allem Zweifel. Niemand hat in neuester Zeit die Jndicien für die
Schuld Cäsars stärker hervorgehoben als Theodor Mommsen, und wir können
unsere Jury, die deutschen Leser, auf seine Geschichte verweisen. Die Beweise
sind unwiderleglich.

Auch die Führer der Volkspartei waren Verschwörer. Sie wollten auf
gesetzlichem Wege, durch die Gesetzvorschläge ihrer Tribunen, durch die Amts¬
gewalt befreundeter Consuln in den Besitz eines Heeres kommen. Mit diesem
Heer wollten sie den offenen Kampf um die Herrschaft beginnen. Nicht gegen
den Senat, sondern gegen eine dritte Macht, welche weit östlich in Asien die
eigentliche Gewalt über den Staat besaß, gegen den siegreichen Feldherrn Pom-
pejus und seine Legionen. Er, die Senatsmajorität und die Demokraten bil¬
deten drei Parteien, von denen jede die andere mißtrauisch belauerte und die
Stunde zum offenen Kampf erwartete.

Die Senatsmajorität, welcher der Konsul Cicero dienstbar geworden war,
stand in diesem Streit am schlechtesten; denn sie war auf die Defensive be¬
schränkt. Nur die Autorität besaß noch der Senat, auch diese sehr verkümmert, die
wirkliche Gewalt über den römischen Staat besaß thatsächlich der Feldherr, welchem
ein großes Heer zu Gebote stand. Jetzt war Pompejus dieser Glückliche, der
erwartete König von Rom, in kurzem konnte es ein anderer sein; Cäsar und
Crassus wagten das Aeußerste, sich in dieselbe bevorzugte Stellung zu versetzen.

Seit drei Jahren hatten sie vergebens intriguirt und mit Gewalt gedroht,
um die Gegner einzuschüchtern, sie hatten weder Consuln ihrer Partei, noch
die Ackergesetze, welche ihnen das Recht zur Aushebung geben sollten, durchge¬
setzt. Jetzt stand die Beendigung der asiatischen Kriege und die Rückkehr des
Pompejus bevor, sie waren ungeduldig und fürchteten alles. Da strengten sie
unter dem Consul Cicero die äußersten Mittel an um für Cat iun a das Consulat
des nächsten Jahres zu sichern. Vergebens, der unpopuläre Mann erhielt nicht
die Mehrzahl der Stimmen.^ Da faßte er den Plan loszubrechen, den Consul
Cicero zu ermorden, den Senat zu sprengen. Daß Cäsar und Crassus davon
unterrichtet waren, ist sicher, wie weit sie den Mörder und Brandstifter wollten
gewähren lassen, wissen wir nicht. -- Aber wenn auch der Senat mit seinen
Consuln und den andern curulischen Aemtern thatsächlich nicht mehr im unde-


vorausgesetzt werden. In Wahrheit bestanden damals in Rom, wie häusig in
ähnlichen Fällen, zwei Verschwörungen der Opposition ineinander. Eine große,
welche durch die Führer der Volkspartei — damals Cäsar und Crassus —
geleitet wurde, die zweite kleinere das Complot des Catilinci. Beide gingen
auf gewaltsamen Sturz der Senatsmajorität aus, beide standen in Verbindung,
in beiden hatten die Leiter ihre besonderen Zwecke. Daß Cäsar und Crassus
dem Complot des Catilina nicht fremd waren und vertrauten, wie die unsaubere
Arbeit der wilden Gesellen ihnen den Weg zum Siege bahnen könne, ist für
uns außer allem Zweifel. Niemand hat in neuester Zeit die Jndicien für die
Schuld Cäsars stärker hervorgehoben als Theodor Mommsen, und wir können
unsere Jury, die deutschen Leser, auf seine Geschichte verweisen. Die Beweise
sind unwiderleglich.

Auch die Führer der Volkspartei waren Verschwörer. Sie wollten auf
gesetzlichem Wege, durch die Gesetzvorschläge ihrer Tribunen, durch die Amts¬
gewalt befreundeter Consuln in den Besitz eines Heeres kommen. Mit diesem
Heer wollten sie den offenen Kampf um die Herrschaft beginnen. Nicht gegen
den Senat, sondern gegen eine dritte Macht, welche weit östlich in Asien die
eigentliche Gewalt über den Staat besaß, gegen den siegreichen Feldherrn Pom-
pejus und seine Legionen. Er, die Senatsmajorität und die Demokraten bil¬
deten drei Parteien, von denen jede die andere mißtrauisch belauerte und die
Stunde zum offenen Kampf erwartete.

Die Senatsmajorität, welcher der Konsul Cicero dienstbar geworden war,
stand in diesem Streit am schlechtesten; denn sie war auf die Defensive be¬
schränkt. Nur die Autorität besaß noch der Senat, auch diese sehr verkümmert, die
wirkliche Gewalt über den römischen Staat besaß thatsächlich der Feldherr, welchem
ein großes Heer zu Gebote stand. Jetzt war Pompejus dieser Glückliche, der
erwartete König von Rom, in kurzem konnte es ein anderer sein; Cäsar und
Crassus wagten das Aeußerste, sich in dieselbe bevorzugte Stellung zu versetzen.

Seit drei Jahren hatten sie vergebens intriguirt und mit Gewalt gedroht,
um die Gegner einzuschüchtern, sie hatten weder Consuln ihrer Partei, noch
die Ackergesetze, welche ihnen das Recht zur Aushebung geben sollten, durchge¬
setzt. Jetzt stand die Beendigung der asiatischen Kriege und die Rückkehr des
Pompejus bevor, sie waren ungeduldig und fürchteten alles. Da strengten sie
unter dem Consul Cicero die äußersten Mittel an um für Cat iun a das Consulat
des nächsten Jahres zu sichern. Vergebens, der unpopuläre Mann erhielt nicht
die Mehrzahl der Stimmen.^ Da faßte er den Plan loszubrechen, den Consul
Cicero zu ermorden, den Senat zu sprengen. Daß Cäsar und Crassus davon
unterrichtet waren, ist sicher, wie weit sie den Mörder und Brandstifter wollten
gewähren lassen, wissen wir nicht. — Aber wenn auch der Senat mit seinen
Consuln und den andern curulischen Aemtern thatsächlich nicht mehr im unde-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/230>, abgerufen am 26.06.2024.