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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der erste Begründer seiner eigenen Macht und Herrschaft war. Von solchem
Gesichtspunkt wird ihm auch der Cäsar der Bürgerkriege, der Umbildner der
Republik, der demokratische Selbstherrscher fast in jeder Beziehung seines poli¬
tischen Lebens ein bedeutsames Vorbild des eigenen Lebens, und Kaiser Napo¬
leon mag Wohl in dem Glauben stehn, daß er durch eine Apologie Cäsars sein
eigenes Thun und die Principien seiner Herrschaft vertheidigt.

Wohl, wir erwarteten von dem Kaiser eine Vertheidigung des Cäsarismus,
wir erwarteten, wie gering die Ähnlichkeit zwischen seinem Leben und dem
seines Helden sein mag, und wie verschieden die politische Berechtigung des
beiderseitigen Erfolges, doch eine interessante und fesselnde Apologie, scharfen
Einblick in die geheimen Motive der Handelnden, ein festes Urtheil über ge¬
wagte Thaten, eine warme Vertheidigung der hohen Tendenzen, welche einen
kühnen Geist zum Brecher bestehenden Rechts machen und deren segensreiche An¬
wendung, wie man sagt, vergossenes Bürgerblut zu sühnen vermag. Man dürfte
ihm zutrauen, daß er in seinem eigenen Leben die Schauer und Gewissenskämpfe
kennen gelernt, welche einem ungeheuren Wagniß vorangehn, daß er die Bitter¬
keit tief empfunden habe, ein hohes Ziel auf Schleichwegen, durch Intriguen,
Verrath, Korruption und unwürdige Genossen zu erreichen, daß er selbst in
schweren Stunden Trost und Festigkeit in der Ueberzeugung gesucht, wie der
Endzweck eines großen Ehrgeizigen mit dem Glück von Millionen zusammen¬
falle. Man durfte annehmen, daß er selbst erfahren, wie dämonisch der ehr¬
geizige Wunsch in der Seele eines Mannes arbeitet, und wie er zum Fanatis¬
mus werden kann, der den Menschen aus Gefahren und Niederlagen immer
wieder erhebt, und der auch ein reizbares Nervenleben unempfindlich macht gegen
Unthaten und Ströme von Menschenblut. Sicher hatte sein eigenes Leben ihm
auch Gelegenheit gegeben, anderen begehrlichen und leidenschaftlichen Naturen
ins Herz zu sehn, er hat in den Wechselfällen früherer Jahre mehr als einen
Wagehals kennen gelernt, der dem Catilina so ähnlich war, als moderne
Laster den antiken sind, es fehlt wohl auch in seiner Nähe nicht a" Gestalten,
die mit dem Cicero, und nicht ganz an solchen, welche mit dem doctrinären
Cato Ähnlichkeit haben.

Wenn der Verfasser bei Schilderung seines Helden und der Gegner desselben
nach dieser Richtung Menschenkenntnis) erwies und einen festen Sinn, sein
Werk hätte doch viele Gegner gefunden und nicht die Schlechtesten seiner Zeit
hätten darunter gestanden, aber es wäre ein lehrreiches und vielleicht ein be¬
deutendes Buch für alle Zeiten geworden, und die Erdenstellung des Verfassers
hätte dem Werke einen Platz neben den Commentaren Cäsars und dem Fürsten
des Machiavell gesichert.

Aber sehr befremdlich ist, daß man von solcher Energie der leitenden Ideen.
Von Kunde des Menschenherzens, von einer Kritik über politische Thaten


der erste Begründer seiner eigenen Macht und Herrschaft war. Von solchem
Gesichtspunkt wird ihm auch der Cäsar der Bürgerkriege, der Umbildner der
Republik, der demokratische Selbstherrscher fast in jeder Beziehung seines poli¬
tischen Lebens ein bedeutsames Vorbild des eigenen Lebens, und Kaiser Napo¬
leon mag Wohl in dem Glauben stehn, daß er durch eine Apologie Cäsars sein
eigenes Thun und die Principien seiner Herrschaft vertheidigt.

Wohl, wir erwarteten von dem Kaiser eine Vertheidigung des Cäsarismus,
wir erwarteten, wie gering die Ähnlichkeit zwischen seinem Leben und dem
seines Helden sein mag, und wie verschieden die politische Berechtigung des
beiderseitigen Erfolges, doch eine interessante und fesselnde Apologie, scharfen
Einblick in die geheimen Motive der Handelnden, ein festes Urtheil über ge¬
wagte Thaten, eine warme Vertheidigung der hohen Tendenzen, welche einen
kühnen Geist zum Brecher bestehenden Rechts machen und deren segensreiche An¬
wendung, wie man sagt, vergossenes Bürgerblut zu sühnen vermag. Man dürfte
ihm zutrauen, daß er in seinem eigenen Leben die Schauer und Gewissenskämpfe
kennen gelernt, welche einem ungeheuren Wagniß vorangehn, daß er die Bitter¬
keit tief empfunden habe, ein hohes Ziel auf Schleichwegen, durch Intriguen,
Verrath, Korruption und unwürdige Genossen zu erreichen, daß er selbst in
schweren Stunden Trost und Festigkeit in der Ueberzeugung gesucht, wie der
Endzweck eines großen Ehrgeizigen mit dem Glück von Millionen zusammen¬
falle. Man durfte annehmen, daß er selbst erfahren, wie dämonisch der ehr¬
geizige Wunsch in der Seele eines Mannes arbeitet, und wie er zum Fanatis¬
mus werden kann, der den Menschen aus Gefahren und Niederlagen immer
wieder erhebt, und der auch ein reizbares Nervenleben unempfindlich macht gegen
Unthaten und Ströme von Menschenblut. Sicher hatte sein eigenes Leben ihm
auch Gelegenheit gegeben, anderen begehrlichen und leidenschaftlichen Naturen
ins Herz zu sehn, er hat in den Wechselfällen früherer Jahre mehr als einen
Wagehals kennen gelernt, der dem Catilina so ähnlich war, als moderne
Laster den antiken sind, es fehlt wohl auch in seiner Nähe nicht a» Gestalten,
die mit dem Cicero, und nicht ganz an solchen, welche mit dem doctrinären
Cato Ähnlichkeit haben.

Wenn der Verfasser bei Schilderung seines Helden und der Gegner desselben
nach dieser Richtung Menschenkenntnis) erwies und einen festen Sinn, sein
Werk hätte doch viele Gegner gefunden und nicht die Schlechtesten seiner Zeit
hätten darunter gestanden, aber es wäre ein lehrreiches und vielleicht ein be¬
deutendes Buch für alle Zeiten geworden, und die Erdenstellung des Verfassers
hätte dem Werke einen Platz neben den Commentaren Cäsars und dem Fürsten
des Machiavell gesichert.

Aber sehr befremdlich ist, daß man von solcher Energie der leitenden Ideen.
Von Kunde des Menschenherzens, von einer Kritik über politische Thaten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/220>, abgerufen am 26.06.2024.