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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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haben davon abgeführt. Man hat die gesunde strategische Grundlage der mili¬
tärischen Anordnungen auf die Seite geschoben, um den schreienden Mangel
eines guten Kriegshafen zum Motiv der Aneignung der Herzogtümer zu machen.
Ob das politisch nützlich war, steht hier nicht zu entscheiden, militärisch richtig
ist es nicht.

Man hat gegen die Wahl der Insel Rügen in letzter Zeit noch eingewor¬
fen, daß es überhaupt ein Fehler sei, eine Insel zum Sammelplatz großen
Kriegsmaterials zu machen, da dieselbe allen Ueberfällen zu leicht ausgesetzt sei.
Diese Anschauung beruht aber auf einem Irrthum. Denn der Ueberfall einer
Festung ist an sich, bei nur einiger Wachsamkeit der Besatzung außerordentlich
schwer und darf nur dann auf Erfolg rechnen, wenn man mit der Localität
sehr vertraut, mit hinreichendem Material zur Füllung der Gräben und Er¬
steigung der Mauern versehen ist, und wenn es gelingt, in voller Ordnung und
unter dem Schutze der Nacht sich der Festung zu nähern. Ein Ueberfall aber
direct von den Schiffen aus oder kurze Zeit nach einer Landung entbehrt so
sehr des innern Halts, daß er zu wenig Aussicht Ms Erfolg hat. Wer an¬
greift, muß vor allen Dingen eine gute Basis, eine gesicherte Nückzugslinie
haben, und wer einen Angriff auf einer Insel unternimmt, entbehrt deren, wie
Franzosen und Engländer vor Sebastopel zur Genüge empfunden. Man muß
im Gegentheil die Lage auf der Insel für vortheilhaft erklären, so lange die
Festung in ihrer Verproviantirung unabhängig vom Meere ist, und das würde
bei Rügen der Fall sein. --

Also zu Lande werden wir Schleswig aus einer Aufstellung bei Altona,
zur See durch eine Flottenstation und einen Kriegshafen auf Rüge" vertheidigen.
Nur die Position bei Altona würde zuvörderst die Anlage einer Befestigung zur
directen und alleinigen Vertheidigung der Herzogthümer wünschenswerth machen.
-- AberMerdings würde eine Schöpfung der Zukunft eine Ausdehnung der Be¬
festigungen nöthig machen; diese Schöpfung wäre die Anlage des großen Kanals
zwischen Ost- und Nordsee. Es bedarf keiner Auseinandersetzung, daß zur
Sicherung dieser Weltstraße, welche unsere Handels- und Kriegsflotte von den
dänischen Seestraßcn unabhängig macht, gegen Streifzüge zu Wasser und zu Lande
Befestigungen angelegt werden müssen, natürlich nicht eher als bis der Kanal
fertig ist. Befestigungen zur Abwehr von Flotten und Landheeren sind dem
Kanal nicht nothwendig, da derselbe nur so lange Bedeutung für uns hat,
als wir das Meer behaupten, und so lange wir dies thun, wird weder eine feind¬
liche Flotte noch ein Landheer sich allein mit demselben beschäftigen können.
Gegen einzelne Unternehmungen von Flottenabtheiiungen bedarf es an den
beiden Kanalmündungen der Anlage von beherrschenden Batterien und der
Stationirung von einigen Kanonenbooten. Gegen Abtheilungen von Land¬
truppen bedarf es einer, jene Landbatterien abschließenden Befestigung und


haben davon abgeführt. Man hat die gesunde strategische Grundlage der mili¬
tärischen Anordnungen auf die Seite geschoben, um den schreienden Mangel
eines guten Kriegshafen zum Motiv der Aneignung der Herzogtümer zu machen.
Ob das politisch nützlich war, steht hier nicht zu entscheiden, militärisch richtig
ist es nicht.

Man hat gegen die Wahl der Insel Rügen in letzter Zeit noch eingewor¬
fen, daß es überhaupt ein Fehler sei, eine Insel zum Sammelplatz großen
Kriegsmaterials zu machen, da dieselbe allen Ueberfällen zu leicht ausgesetzt sei.
Diese Anschauung beruht aber auf einem Irrthum. Denn der Ueberfall einer
Festung ist an sich, bei nur einiger Wachsamkeit der Besatzung außerordentlich
schwer und darf nur dann auf Erfolg rechnen, wenn man mit der Localität
sehr vertraut, mit hinreichendem Material zur Füllung der Gräben und Er¬
steigung der Mauern versehen ist, und wenn es gelingt, in voller Ordnung und
unter dem Schutze der Nacht sich der Festung zu nähern. Ein Ueberfall aber
direct von den Schiffen aus oder kurze Zeit nach einer Landung entbehrt so
sehr des innern Halts, daß er zu wenig Aussicht Ms Erfolg hat. Wer an¬
greift, muß vor allen Dingen eine gute Basis, eine gesicherte Nückzugslinie
haben, und wer einen Angriff auf einer Insel unternimmt, entbehrt deren, wie
Franzosen und Engländer vor Sebastopel zur Genüge empfunden. Man muß
im Gegentheil die Lage auf der Insel für vortheilhaft erklären, so lange die
Festung in ihrer Verproviantirung unabhängig vom Meere ist, und das würde
bei Rügen der Fall sein. —

Also zu Lande werden wir Schleswig aus einer Aufstellung bei Altona,
zur See durch eine Flottenstation und einen Kriegshafen auf Rüge» vertheidigen.
Nur die Position bei Altona würde zuvörderst die Anlage einer Befestigung zur
directen und alleinigen Vertheidigung der Herzogthümer wünschenswerth machen.
— AberMerdings würde eine Schöpfung der Zukunft eine Ausdehnung der Be¬
festigungen nöthig machen; diese Schöpfung wäre die Anlage des großen Kanals
zwischen Ost- und Nordsee. Es bedarf keiner Auseinandersetzung, daß zur
Sicherung dieser Weltstraße, welche unsere Handels- und Kriegsflotte von den
dänischen Seestraßcn unabhängig macht, gegen Streifzüge zu Wasser und zu Lande
Befestigungen angelegt werden müssen, natürlich nicht eher als bis der Kanal
fertig ist. Befestigungen zur Abwehr von Flotten und Landheeren sind dem
Kanal nicht nothwendig, da derselbe nur so lange Bedeutung für uns hat,
als wir das Meer behaupten, und so lange wir dies thun, wird weder eine feind¬
liche Flotte noch ein Landheer sich allein mit demselben beschäftigen können.
Gegen einzelne Unternehmungen von Flottenabtheiiungen bedarf es an den
beiden Kanalmündungen der Anlage von beherrschenden Batterien und der
Stationirung von einigen Kanonenbooten. Gegen Abtheilungen von Land¬
truppen bedarf es einer, jene Landbatterien abschließenden Befestigung und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/210>, abgerufen am 05.12.2024.