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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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in einer Ausdehnung gebaut, wie sie dem reichen Material, das sie decken
sollen, entsprechen. Frankreich hat gegenüber in Cherbourg diesen Forderungen
genügt und Toulon zur Basis der Flotte des Mittelmeeres gemacht. -- Den
günstigsten Punkt zur Beherrschung eines Meeres hat Nußland in Sebastopol
erwählt, wie seine Lage fast mitten im schwarzen Meere zeigt und wie aus der
Zähigkeit hervorgeht, mit der England bei Gelegenheit des letzten russisch¬
türkischen Krieges dessen Zerstörung verfolgte. Werfen wir einen Blick auf den
eventuellen Kampfplatz der dänischen und preußischen Flotte, die Ostsee, um
die Gegend zu ermitteln, welche für eine, preußische Flotte die vortheilhafteste
Basis abgeben könnte, so sehen wir, daß der dänische Kriegshafen Kopenhagen
die beste Wasserstraße aus der Nord- in die Ostsee beherrscht, und daß deren
Flotte beim Verlassen des Hafens gegen Süden sofort ein weites Gefechtsfeld
gegen die deutschen Küsten hat und den gesammten Verkehr der Schleswig-hol-
steinischen Küsten mit dem großen Becken der Ostsee beherrscht. Eine gleich,
günstige Gegenstellung würde nur ein Kriegshafen bei derJnsel
Rügen bilden. Wollte man die Hauptstation der preußischen Flotte eventuell
nach der kieler oder eckernförder Bucht verlegen, so würde die dänische Flotte
von Kopenhagen aus jede ihrer Bewegungen nach Osten zur Beschützung der preu-
ßischen Küsten in die Flanke nehmen und unterbinden können. Die Dänen
haben die beherrschende Lage der Insel Rügen sehr wohl erkannt und haben
deshalb im vorigen Kriege ihrer Ostseeflotte fast anhaltend eine Aufstellung an
der Nordostspitze dieser Insel gegeben. Wie weit sie hier auch von den deutschen
Häfen standen und wie sehr sie damit ihrer Blockade den Anstrich des Ungenü¬
genden gaben, so sehr beherrschten sie doch von dort aus die Schifffahrt weit
über die Ostsee hin.

Ein Kriegshafen Kiel. Eckernförde oder Höruv auf der Insel Alsen kann
an sich sehr gut sein, würde auch die nächstgelegene Küste sichern, hätte aber
wegen der gegenüberliegenden dänischen Inseln für das Meer selbst nur ein
beschränktes Wirkungsfeld und erfüllte durchaus nicht seinen Hauptzweck,
die militärische Basis zur Beherrschung der Ostsee zu gewähren. Das haben
die Dänen sehr wohl erkannt, sie haben einmal denselben Plan gehegt, und
haben den Kriegshafen, welchem Friedrichsort als Fort dienen sollte, aus guten
Gründen wieder aufgegeben.

Eine Flottenstellung bei Rügen dagegen würde nicht nur die preußischen
Küsten schützen, sondern auch die dänischen Inseln, zumal Seeland, das Haupt¬
land, unausgesetzt bedrohen, die Dänen in Spannung erhalten und dadurch
mindestens ebenso wirksam zum Schutz der Schleswig-holsteinischen Küsten
beitragen als eine Aufstellung bei Kiel. -- Rügen ist denn auch, seit die preu¬
ßische Marine ernsthaft behandelt wurde, als Kriegshafen im Plan gc-
Wesen, und nur die neuesten Ereignisse und unsichere und schwankende Projecte


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in einer Ausdehnung gebaut, wie sie dem reichen Material, das sie decken
sollen, entsprechen. Frankreich hat gegenüber in Cherbourg diesen Forderungen
genügt und Toulon zur Basis der Flotte des Mittelmeeres gemacht. — Den
günstigsten Punkt zur Beherrschung eines Meeres hat Nußland in Sebastopol
erwählt, wie seine Lage fast mitten im schwarzen Meere zeigt und wie aus der
Zähigkeit hervorgeht, mit der England bei Gelegenheit des letzten russisch¬
türkischen Krieges dessen Zerstörung verfolgte. Werfen wir einen Blick auf den
eventuellen Kampfplatz der dänischen und preußischen Flotte, die Ostsee, um
die Gegend zu ermitteln, welche für eine, preußische Flotte die vortheilhafteste
Basis abgeben könnte, so sehen wir, daß der dänische Kriegshafen Kopenhagen
die beste Wasserstraße aus der Nord- in die Ostsee beherrscht, und daß deren
Flotte beim Verlassen des Hafens gegen Süden sofort ein weites Gefechtsfeld
gegen die deutschen Küsten hat und den gesammten Verkehr der Schleswig-hol-
steinischen Küsten mit dem großen Becken der Ostsee beherrscht. Eine gleich,
günstige Gegenstellung würde nur ein Kriegshafen bei derJnsel
Rügen bilden. Wollte man die Hauptstation der preußischen Flotte eventuell
nach der kieler oder eckernförder Bucht verlegen, so würde die dänische Flotte
von Kopenhagen aus jede ihrer Bewegungen nach Osten zur Beschützung der preu-
ßischen Küsten in die Flanke nehmen und unterbinden können. Die Dänen
haben die beherrschende Lage der Insel Rügen sehr wohl erkannt und haben
deshalb im vorigen Kriege ihrer Ostseeflotte fast anhaltend eine Aufstellung an
der Nordostspitze dieser Insel gegeben. Wie weit sie hier auch von den deutschen
Häfen standen und wie sehr sie damit ihrer Blockade den Anstrich des Ungenü¬
genden gaben, so sehr beherrschten sie doch von dort aus die Schifffahrt weit
über die Ostsee hin.

Ein Kriegshafen Kiel. Eckernförde oder Höruv auf der Insel Alsen kann
an sich sehr gut sein, würde auch die nächstgelegene Küste sichern, hätte aber
wegen der gegenüberliegenden dänischen Inseln für das Meer selbst nur ein
beschränktes Wirkungsfeld und erfüllte durchaus nicht seinen Hauptzweck,
die militärische Basis zur Beherrschung der Ostsee zu gewähren. Das haben
die Dänen sehr wohl erkannt, sie haben einmal denselben Plan gehegt, und
haben den Kriegshafen, welchem Friedrichsort als Fort dienen sollte, aus guten
Gründen wieder aufgegeben.

Eine Flottenstellung bei Rügen dagegen würde nicht nur die preußischen
Küsten schützen, sondern auch die dänischen Inseln, zumal Seeland, das Haupt¬
land, unausgesetzt bedrohen, die Dänen in Spannung erhalten und dadurch
mindestens ebenso wirksam zum Schutz der Schleswig-holsteinischen Küsten
beitragen als eine Aufstellung bei Kiel. — Rügen ist denn auch, seit die preu¬
ßische Marine ernsthaft behandelt wurde, als Kriegshafen im Plan gc-
Wesen, und nur die neuesten Ereignisse und unsichere und schwankende Projecte


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[0209] in einer Ausdehnung gebaut, wie sie dem reichen Material, das sie decken sollen, entsprechen. Frankreich hat gegenüber in Cherbourg diesen Forderungen genügt und Toulon zur Basis der Flotte des Mittelmeeres gemacht. — Den günstigsten Punkt zur Beherrschung eines Meeres hat Nußland in Sebastopol erwählt, wie seine Lage fast mitten im schwarzen Meere zeigt und wie aus der Zähigkeit hervorgeht, mit der England bei Gelegenheit des letzten russisch¬ türkischen Krieges dessen Zerstörung verfolgte. Werfen wir einen Blick auf den eventuellen Kampfplatz der dänischen und preußischen Flotte, die Ostsee, um die Gegend zu ermitteln, welche für eine, preußische Flotte die vortheilhafteste Basis abgeben könnte, so sehen wir, daß der dänische Kriegshafen Kopenhagen die beste Wasserstraße aus der Nord- in die Ostsee beherrscht, und daß deren Flotte beim Verlassen des Hafens gegen Süden sofort ein weites Gefechtsfeld gegen die deutschen Küsten hat und den gesammten Verkehr der Schleswig-hol- steinischen Küsten mit dem großen Becken der Ostsee beherrscht. Eine gleich, günstige Gegenstellung würde nur ein Kriegshafen bei derJnsel Rügen bilden. Wollte man die Hauptstation der preußischen Flotte eventuell nach der kieler oder eckernförder Bucht verlegen, so würde die dänische Flotte von Kopenhagen aus jede ihrer Bewegungen nach Osten zur Beschützung der preu- ßischen Küsten in die Flanke nehmen und unterbinden können. Die Dänen haben die beherrschende Lage der Insel Rügen sehr wohl erkannt und haben deshalb im vorigen Kriege ihrer Ostseeflotte fast anhaltend eine Aufstellung an der Nordostspitze dieser Insel gegeben. Wie weit sie hier auch von den deutschen Häfen standen und wie sehr sie damit ihrer Blockade den Anstrich des Ungenü¬ genden gaben, so sehr beherrschten sie doch von dort aus die Schifffahrt weit über die Ostsee hin. Ein Kriegshafen Kiel. Eckernförde oder Höruv auf der Insel Alsen kann an sich sehr gut sein, würde auch die nächstgelegene Küste sichern, hätte aber wegen der gegenüberliegenden dänischen Inseln für das Meer selbst nur ein beschränktes Wirkungsfeld und erfüllte durchaus nicht seinen Hauptzweck, die militärische Basis zur Beherrschung der Ostsee zu gewähren. Das haben die Dänen sehr wohl erkannt, sie haben einmal denselben Plan gehegt, und haben den Kriegshafen, welchem Friedrichsort als Fort dienen sollte, aus guten Gründen wieder aufgegeben. Eine Flottenstellung bei Rügen dagegen würde nicht nur die preußischen Küsten schützen, sondern auch die dänischen Inseln, zumal Seeland, das Haupt¬ land, unausgesetzt bedrohen, die Dänen in Spannung erhalten und dadurch mindestens ebenso wirksam zum Schutz der Schleswig-holsteinischen Küsten beitragen als eine Aufstellung bei Kiel. — Rügen ist denn auch, seit die preu¬ ßische Marine ernsthaft behandelt wurde, als Kriegshafen im Plan gc- Wesen, und nur die neuesten Ereignisse und unsichere und schwankende Projecte 25"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/209>, abgerufen am 26.06.2024.