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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Theil von Holstein, in die Nähe Altonas, die Elbmündung und das lübsche
Wasser vor unseren Flügeln. Im Kriege 1864 waren 80,000 Mann Verbündete
gegen 30,000 Dänen in Thätigkeit, und dabei gestattete die Herrschaft zur See
den Dänen doch alle Flanken des Gegners zu bedrohen und ihn zu nöthigen,
seine Kräfte als Küstenwachen zu zerstreuen, und zu oft gelang es den Dänen,
sich gegen diese durch glückliche Ueberfälle geltend zu machen. Wäre es nicht
die Absicht der Dänen gewesen, durch einen Kampf in den Herzogthümern die
Westmächte in den Krieg zu ziehen, und hätte die vnbesvnnene Volksmasse in
Kopenhagen nicht in die Leitung des Krieges eingegriffen, so würden die Dänen
gewiß die eigentlichen Vortheile ihrer Stellung ausgebeutet, jede Schlacht und
jeden größern Schlag auf dem Festlande vermieden und sich darauf beschränkt
haben, durch Ueberfälle in größerer Ausdehnung unausgesetzt Flanken und
Rücken der Gegner zu beunruhigen. Fehlten den Preußen und Oestreichern
Siege, fiel der Unermüdlichkeit der Dänen eine Reihe kleiner Erfolge zu, dann
hatte die Diplomatie ein viel größeres Wirkungsfeld, und schwerlich kam es
dann zu dem heutigen Frieden. Die Form und die Verhältnisse des Landes
also zwangen, die Verbündeten eine Macht von 80,000 Mann gegen 30,000 zu
entwickeln, um dasselbe zu erobern und zu behaupten. -- Im Fall eines er¬
neuten Krieges gegen Dänemark aber, wo wir andere und größere Gegner zu er¬
warten haben, brauchen wir die Uebermacht gegen diese größeren Gegner und
müssen Schleswig den eigenen Streitkräften überlassen oder richtiger, dem, der
die See beherrscht. Deshalb sind alle größeren Befestigungen im nördlichen
Schleswig unnütz, und sofern sie Preußen Geld kosten, nachtheilig. Die Herr¬
schaft des Meeres allein wird in Zukunft über den Besitz der Herzogthümer
entscheiden, und nach dieser muß streben, wer die Herzogthümer behaupten
will. Dänemark hat durch den Verlust von Schleswig-Holstein seine Be¬
deutung als Continentalmacht verloren und muß, wenn es seine äußere Stel¬
lung und seine Kolonien behaupten will, seine Kräfte vorwiegend auf die Marine
verwenden. Nicht seine Armee, sondern seine Marine ist mithin für alle fernern
militärischen Berechnungen in Anschlag zu bringen, und gegen Dänemark muß
Deutschland fortan nicht Festungen, sondern Schiffe bauen. Unsere Flotte muß
so stark gemacht werden, daß sie der dänischen überlegen und im Stande ist,
der vereinten skandinavischen Flotte entgegenzutreten. --

Die Flotte aber bedarf einer befestigten Basis, aus der sie hervorgeht, in
welcher sie Schutz sucht, unbehelligt ihre Reparaturen ausführen kann u. s. w.
und je näher diese Basis dem zu erwartenden Kampfplatz liegt, je leichter der
Aus- und Eingang zu allen Jahreszeiten ist und je vollständiger daselbst allen
Bedürfnissen der Flotte genügt werden kann, desto besser ist der Hafen, desto
sicherer muß er gemacht werden. England hat seine Flottenbasis gegen Europa
und zumal gegen Frankreich in Plymouth entwickelt und dort Befestigungen


Theil von Holstein, in die Nähe Altonas, die Elbmündung und das lübsche
Wasser vor unseren Flügeln. Im Kriege 1864 waren 80,000 Mann Verbündete
gegen 30,000 Dänen in Thätigkeit, und dabei gestattete die Herrschaft zur See
den Dänen doch alle Flanken des Gegners zu bedrohen und ihn zu nöthigen,
seine Kräfte als Küstenwachen zu zerstreuen, und zu oft gelang es den Dänen,
sich gegen diese durch glückliche Ueberfälle geltend zu machen. Wäre es nicht
die Absicht der Dänen gewesen, durch einen Kampf in den Herzogthümern die
Westmächte in den Krieg zu ziehen, und hätte die vnbesvnnene Volksmasse in
Kopenhagen nicht in die Leitung des Krieges eingegriffen, so würden die Dänen
gewiß die eigentlichen Vortheile ihrer Stellung ausgebeutet, jede Schlacht und
jeden größern Schlag auf dem Festlande vermieden und sich darauf beschränkt
haben, durch Ueberfälle in größerer Ausdehnung unausgesetzt Flanken und
Rücken der Gegner zu beunruhigen. Fehlten den Preußen und Oestreichern
Siege, fiel der Unermüdlichkeit der Dänen eine Reihe kleiner Erfolge zu, dann
hatte die Diplomatie ein viel größeres Wirkungsfeld, und schwerlich kam es
dann zu dem heutigen Frieden. Die Form und die Verhältnisse des Landes
also zwangen, die Verbündeten eine Macht von 80,000 Mann gegen 30,000 zu
entwickeln, um dasselbe zu erobern und zu behaupten. — Im Fall eines er¬
neuten Krieges gegen Dänemark aber, wo wir andere und größere Gegner zu er¬
warten haben, brauchen wir die Uebermacht gegen diese größeren Gegner und
müssen Schleswig den eigenen Streitkräften überlassen oder richtiger, dem, der
die See beherrscht. Deshalb sind alle größeren Befestigungen im nördlichen
Schleswig unnütz, und sofern sie Preußen Geld kosten, nachtheilig. Die Herr¬
schaft des Meeres allein wird in Zukunft über den Besitz der Herzogthümer
entscheiden, und nach dieser muß streben, wer die Herzogthümer behaupten
will. Dänemark hat durch den Verlust von Schleswig-Holstein seine Be¬
deutung als Continentalmacht verloren und muß, wenn es seine äußere Stel¬
lung und seine Kolonien behaupten will, seine Kräfte vorwiegend auf die Marine
verwenden. Nicht seine Armee, sondern seine Marine ist mithin für alle fernern
militärischen Berechnungen in Anschlag zu bringen, und gegen Dänemark muß
Deutschland fortan nicht Festungen, sondern Schiffe bauen. Unsere Flotte muß
so stark gemacht werden, daß sie der dänischen überlegen und im Stande ist,
der vereinten skandinavischen Flotte entgegenzutreten. —

Die Flotte aber bedarf einer befestigten Basis, aus der sie hervorgeht, in
welcher sie Schutz sucht, unbehelligt ihre Reparaturen ausführen kann u. s. w.
und je näher diese Basis dem zu erwartenden Kampfplatz liegt, je leichter der
Aus- und Eingang zu allen Jahreszeiten ist und je vollständiger daselbst allen
Bedürfnissen der Flotte genügt werden kann, desto besser ist der Hafen, desto
sicherer muß er gemacht werden. England hat seine Flottenbasis gegen Europa
und zumal gegen Frankreich in Plymouth entwickelt und dort Befestigungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/208>, abgerufen am 26.06.2024.