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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Delicatessen werden. -- Schleswig-Holstein Hot also nur Werth für seine Besitzer
und seine Gläubiger. Beute wie sie der moderne Krieg wünschenswert!) macht,
ist da außer in Mona nicht viel zu haben.

Für Kriegszüge aber, insofern sie allgemeinere Interessen als gerade den
Besitz des Landes verfolgen, haben die Herzogthümer keine Bedeutung, sie liegen
entfernt von den Berührungslinien der großen Völker. Nur der südliche Theil
mit dem Centralplatz Mona stößt an die große Straße des mittleren Deutsch¬
lands, an die Elbe, welche mit dem Binnenland die Nordsee und die Küsten
von Frankreich und England verbindet.

Ein Krieg um den endlichen Besitz von Schleswig-Holstein in dem Lande
selbst ist in der Zukunft thatsächlich nicht zu fürchten. streitig war und kann
der Besitz nur zwischen Deutschland und Dänemark sein. Hält aber Preußen
die Hand über die Herzogthümer, so ist wohl kaum anzunehmen, daß Däne¬
mark mit 1,600.000 Ew. Krieg gegen einen zehnmal stärkern Gegner unternimmt;
es sei denn, daß es mit größern Mächten verbunden ist. In diesem letztem
Fall aber würden die Schlachten, welche mit diesen andern Mächten geschlagen
werden, den endlichen Besitz des Herzogthums bestimmen. Und dann würde
eine geringe Truppenstärke, unterstützt von Landwehren, welche Mona. Ham¬
burg und den Elbstrom festhält und die Dänen hindert aus der jütischen Halb¬
insel vorzudringen, alles sein, was in den Herzogtümern gegen die dänische
Macht nothwendig ist. Vergegenwärtigt man sich, wie hoch Dänemark im
äußersten Falle steigen kann, so schwindet die Bedeutung seines isolirten An¬
griffs noch mehr. Das Höchste, was ein Land zu einem Offensivkriege dis¬
ponibel machen kann, sind erfahrungsmäßig zwei Procentseiner Bevölkerung; das
würde für Dänemark also 32,000 Mann betragen . davon ist seine Marine u. s. w.
abzurechnen, es bleiben von jetzt ab im Maximum 20,000 Mann, deren Zu¬
rückweisung man bei mäßiger Unterstützung den fast gleichstarken Landwehren
der Herzogthümer allein, selbst ohne alle Festung überlassen könnte, wenn man
in Rechnung zieht, daß jeder Schritt vorwärts den Gegner schwächt, indem er
zum Zurücklassen von Garnisonen nöthigt, und daß Schleswig in seinen zahl¬
reichen Wasserabschnitten und in seiner schmalen Front für einen Vertheidigungs¬
krieg so unendlich günstig ist.

Der Aufstellung einer größeren preußischen Landmacht an der Nordgrenze
von Schleswig stellt sich aber noch das Bedenken entgegen, daß die 30 Meilen
lange Rückzugslinie nach dem Festlande ein 6--8 Meilen breiter Landstrich ist,
der überall von dem die See beherrschenden Gegner bedroht wird. In der
That gehört zur Behauptung von Schleswig durch eine dem dänischen Landhecr
gewachsene Macht nothwendig die Beherrschung der See. Wenn uns Preußen
diese Superiorität nicht zufällt, so müssen wir bei jedem größern Kriege unsere
Streitkräfte von jener Linie fort auf die Basis zurücknehmen, in den südlichen


Grenzboten II. 186S. 25

Delicatessen werden. — Schleswig-Holstein Hot also nur Werth für seine Besitzer
und seine Gläubiger. Beute wie sie der moderne Krieg wünschenswert!) macht,
ist da außer in Mona nicht viel zu haben.

Für Kriegszüge aber, insofern sie allgemeinere Interessen als gerade den
Besitz des Landes verfolgen, haben die Herzogthümer keine Bedeutung, sie liegen
entfernt von den Berührungslinien der großen Völker. Nur der südliche Theil
mit dem Centralplatz Mona stößt an die große Straße des mittleren Deutsch¬
lands, an die Elbe, welche mit dem Binnenland die Nordsee und die Küsten
von Frankreich und England verbindet.

Ein Krieg um den endlichen Besitz von Schleswig-Holstein in dem Lande
selbst ist in der Zukunft thatsächlich nicht zu fürchten. streitig war und kann
der Besitz nur zwischen Deutschland und Dänemark sein. Hält aber Preußen
die Hand über die Herzogthümer, so ist wohl kaum anzunehmen, daß Däne¬
mark mit 1,600.000 Ew. Krieg gegen einen zehnmal stärkern Gegner unternimmt;
es sei denn, daß es mit größern Mächten verbunden ist. In diesem letztem
Fall aber würden die Schlachten, welche mit diesen andern Mächten geschlagen
werden, den endlichen Besitz des Herzogthums bestimmen. Und dann würde
eine geringe Truppenstärke, unterstützt von Landwehren, welche Mona. Ham¬
burg und den Elbstrom festhält und die Dänen hindert aus der jütischen Halb¬
insel vorzudringen, alles sein, was in den Herzogtümern gegen die dänische
Macht nothwendig ist. Vergegenwärtigt man sich, wie hoch Dänemark im
äußersten Falle steigen kann, so schwindet die Bedeutung seines isolirten An¬
griffs noch mehr. Das Höchste, was ein Land zu einem Offensivkriege dis¬
ponibel machen kann, sind erfahrungsmäßig zwei Procentseiner Bevölkerung; das
würde für Dänemark also 32,000 Mann betragen . davon ist seine Marine u. s. w.
abzurechnen, es bleiben von jetzt ab im Maximum 20,000 Mann, deren Zu¬
rückweisung man bei mäßiger Unterstützung den fast gleichstarken Landwehren
der Herzogthümer allein, selbst ohne alle Festung überlassen könnte, wenn man
in Rechnung zieht, daß jeder Schritt vorwärts den Gegner schwächt, indem er
zum Zurücklassen von Garnisonen nöthigt, und daß Schleswig in seinen zahl¬
reichen Wasserabschnitten und in seiner schmalen Front für einen Vertheidigungs¬
krieg so unendlich günstig ist.

Der Aufstellung einer größeren preußischen Landmacht an der Nordgrenze
von Schleswig stellt sich aber noch das Bedenken entgegen, daß die 30 Meilen
lange Rückzugslinie nach dem Festlande ein 6—8 Meilen breiter Landstrich ist,
der überall von dem die See beherrschenden Gegner bedroht wird. In der
That gehört zur Behauptung von Schleswig durch eine dem dänischen Landhecr
gewachsene Macht nothwendig die Beherrschung der See. Wenn uns Preußen
diese Superiorität nicht zufällt, so müssen wir bei jedem größern Kriege unsere
Streitkräfte von jener Linie fort auf die Basis zurücknehmen, in den südlichen


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[0207] Delicatessen werden. — Schleswig-Holstein Hot also nur Werth für seine Besitzer und seine Gläubiger. Beute wie sie der moderne Krieg wünschenswert!) macht, ist da außer in Mona nicht viel zu haben. Für Kriegszüge aber, insofern sie allgemeinere Interessen als gerade den Besitz des Landes verfolgen, haben die Herzogthümer keine Bedeutung, sie liegen entfernt von den Berührungslinien der großen Völker. Nur der südliche Theil mit dem Centralplatz Mona stößt an die große Straße des mittleren Deutsch¬ lands, an die Elbe, welche mit dem Binnenland die Nordsee und die Küsten von Frankreich und England verbindet. Ein Krieg um den endlichen Besitz von Schleswig-Holstein in dem Lande selbst ist in der Zukunft thatsächlich nicht zu fürchten. streitig war und kann der Besitz nur zwischen Deutschland und Dänemark sein. Hält aber Preußen die Hand über die Herzogthümer, so ist wohl kaum anzunehmen, daß Däne¬ mark mit 1,600.000 Ew. Krieg gegen einen zehnmal stärkern Gegner unternimmt; es sei denn, daß es mit größern Mächten verbunden ist. In diesem letztem Fall aber würden die Schlachten, welche mit diesen andern Mächten geschlagen werden, den endlichen Besitz des Herzogthums bestimmen. Und dann würde eine geringe Truppenstärke, unterstützt von Landwehren, welche Mona. Ham¬ burg und den Elbstrom festhält und die Dänen hindert aus der jütischen Halb¬ insel vorzudringen, alles sein, was in den Herzogtümern gegen die dänische Macht nothwendig ist. Vergegenwärtigt man sich, wie hoch Dänemark im äußersten Falle steigen kann, so schwindet die Bedeutung seines isolirten An¬ griffs noch mehr. Das Höchste, was ein Land zu einem Offensivkriege dis¬ ponibel machen kann, sind erfahrungsmäßig zwei Procentseiner Bevölkerung; das würde für Dänemark also 32,000 Mann betragen . davon ist seine Marine u. s. w. abzurechnen, es bleiben von jetzt ab im Maximum 20,000 Mann, deren Zu¬ rückweisung man bei mäßiger Unterstützung den fast gleichstarken Landwehren der Herzogthümer allein, selbst ohne alle Festung überlassen könnte, wenn man in Rechnung zieht, daß jeder Schritt vorwärts den Gegner schwächt, indem er zum Zurücklassen von Garnisonen nöthigt, und daß Schleswig in seinen zahl¬ reichen Wasserabschnitten und in seiner schmalen Front für einen Vertheidigungs¬ krieg so unendlich günstig ist. Der Aufstellung einer größeren preußischen Landmacht an der Nordgrenze von Schleswig stellt sich aber noch das Bedenken entgegen, daß die 30 Meilen lange Rückzugslinie nach dem Festlande ein 6—8 Meilen breiter Landstrich ist, der überall von dem die See beherrschenden Gegner bedroht wird. In der That gehört zur Behauptung von Schleswig durch eine dem dänischen Landhecr gewachsene Macht nothwendig die Beherrschung der See. Wenn uns Preußen diese Superiorität nicht zufällt, so müssen wir bei jedem größern Kriege unsere Streitkräfte von jener Linie fort auf die Basis zurücknehmen, in den südlichen Grenzboten II. 186S. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/207>, abgerufen am 05.12.2024.