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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Die militärische Bedeutung der Herzogthümer
Schleswig-Holstein.

Unter den Forderungen, welche Preußen an das zukünftige Schleswig-
Holstein stellt, ist auch die wichtige, daß Preußen das Recht erhalte daselbst
Befestigungen anzulegen und über das von denselben eingenommene Terrain
die Territorialhoheit zu erhalten. Um zu ermessen, wieweit die Forderung an sich
innere Berechtigung hat und in welchem Maße einerseits Schleswig-Holstein
Land, Leute und Geld, andererseits Preußen Leute und Geld herzugeben hätte,
soll hier versucht werden, aus der militärischen Bedeutung, welche Schleswig-
Holstein hat, die in den Herzogthümern wünschenswerthen und nothwendigen
Festungsanlagen festzustellen. Nur die militärischen Gesichtspunkte sind hier
maßgebend, der Versasser kann nichts dafür, wenn dieselben gegen die land¬
läufigen Vorstellungen aller Parteien stoßen.

Schleswig-Holstein ist in militärischer Rücksicht kein hervorragend begehrens¬
werthes Land, es bietet für kriegerische Bewegungen keine günstigen Formen
und Verhältnisse und sein Besitz wie seine Behauptung ist von der Beherrschung
des umgebenden Meeres abhängig. Besonders begehrenswerth kann der mili¬
tärische Besitz von Schleswig-Holstein, wie es heute ist, auch deshalb nicht ge¬
nannt werden, weil es bei sehr einfachen Lebensverhältnissen, einer wenig
dichten Bevölkerung und einem nur strichweise guten Boden eine sehr bedeutende
Schuldenlast hat. -- Es ist im Fall eines Krieges als Ackerbau und Viehzucht
treibendes Land zwar geeignet dem eindringenden Feind gutes Brod und
Fleisch zu bieten, aber keine greifbaren Reichthümer, es giebt also zu eigent¬
lichen Raubzügen keine Veranlassung. Selbst seiner Städte Kraft ist im.
Ganzen wenig entwickelt, Rendsburg mit 10, Schleswig mit 12, Kiel mit 18
und Flensburg mit 20,000 Einwohnern sind keine Centren eines großes Lebens,
deren Einnahme oder Behauptung die Beherrschung des Landes entschiede,
deren permanente oder vorübergehende Befestigung -- zumal bei deren weit-
läufigen Bau -- außerdem sehr schwierig sein würde.

Nur Altona macht in innerer Bedeutung eine Ausnahme, es hat an sich
über 40,000 Ew., ist betheiligt an der Weltstellung Hamburgs, beherrscht die
Elbe, ist Ausgangspunkt der Eisenbahnen, der Lebensadern der Herzogthümer,
und ist die Handelshauptstadt des Landes. -- Hier in Altona allein würde
für den einbrechenden Feind etwas zu holen sein; denn kieler Sprotten und
huhu mer Austern dürsten für eine große militärische Unternehmung gar zu theure


Die militärische Bedeutung der Herzogthümer
Schleswig-Holstein.

Unter den Forderungen, welche Preußen an das zukünftige Schleswig-
Holstein stellt, ist auch die wichtige, daß Preußen das Recht erhalte daselbst
Befestigungen anzulegen und über das von denselben eingenommene Terrain
die Territorialhoheit zu erhalten. Um zu ermessen, wieweit die Forderung an sich
innere Berechtigung hat und in welchem Maße einerseits Schleswig-Holstein
Land, Leute und Geld, andererseits Preußen Leute und Geld herzugeben hätte,
soll hier versucht werden, aus der militärischen Bedeutung, welche Schleswig-
Holstein hat, die in den Herzogthümern wünschenswerthen und nothwendigen
Festungsanlagen festzustellen. Nur die militärischen Gesichtspunkte sind hier
maßgebend, der Versasser kann nichts dafür, wenn dieselben gegen die land¬
läufigen Vorstellungen aller Parteien stoßen.

Schleswig-Holstein ist in militärischer Rücksicht kein hervorragend begehrens¬
werthes Land, es bietet für kriegerische Bewegungen keine günstigen Formen
und Verhältnisse und sein Besitz wie seine Behauptung ist von der Beherrschung
des umgebenden Meeres abhängig. Besonders begehrenswerth kann der mili¬
tärische Besitz von Schleswig-Holstein, wie es heute ist, auch deshalb nicht ge¬
nannt werden, weil es bei sehr einfachen Lebensverhältnissen, einer wenig
dichten Bevölkerung und einem nur strichweise guten Boden eine sehr bedeutende
Schuldenlast hat. — Es ist im Fall eines Krieges als Ackerbau und Viehzucht
treibendes Land zwar geeignet dem eindringenden Feind gutes Brod und
Fleisch zu bieten, aber keine greifbaren Reichthümer, es giebt also zu eigent¬
lichen Raubzügen keine Veranlassung. Selbst seiner Städte Kraft ist im.
Ganzen wenig entwickelt, Rendsburg mit 10, Schleswig mit 12, Kiel mit 18
und Flensburg mit 20,000 Einwohnern sind keine Centren eines großes Lebens,
deren Einnahme oder Behauptung die Beherrschung des Landes entschiede,
deren permanente oder vorübergehende Befestigung — zumal bei deren weit-
läufigen Bau — außerdem sehr schwierig sein würde.

Nur Altona macht in innerer Bedeutung eine Ausnahme, es hat an sich
über 40,000 Ew., ist betheiligt an der Weltstellung Hamburgs, beherrscht die
Elbe, ist Ausgangspunkt der Eisenbahnen, der Lebensadern der Herzogthümer,
und ist die Handelshauptstadt des Landes. — Hier in Altona allein würde
für den einbrechenden Feind etwas zu holen sein; denn kieler Sprotten und
huhu mer Austern dürsten für eine große militärische Unternehmung gar zu theure


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[0206] Die militärische Bedeutung der Herzogthümer Schleswig-Holstein. Unter den Forderungen, welche Preußen an das zukünftige Schleswig- Holstein stellt, ist auch die wichtige, daß Preußen das Recht erhalte daselbst Befestigungen anzulegen und über das von denselben eingenommene Terrain die Territorialhoheit zu erhalten. Um zu ermessen, wieweit die Forderung an sich innere Berechtigung hat und in welchem Maße einerseits Schleswig-Holstein Land, Leute und Geld, andererseits Preußen Leute und Geld herzugeben hätte, soll hier versucht werden, aus der militärischen Bedeutung, welche Schleswig- Holstein hat, die in den Herzogthümern wünschenswerthen und nothwendigen Festungsanlagen festzustellen. Nur die militärischen Gesichtspunkte sind hier maßgebend, der Versasser kann nichts dafür, wenn dieselben gegen die land¬ läufigen Vorstellungen aller Parteien stoßen. Schleswig-Holstein ist in militärischer Rücksicht kein hervorragend begehrens¬ werthes Land, es bietet für kriegerische Bewegungen keine günstigen Formen und Verhältnisse und sein Besitz wie seine Behauptung ist von der Beherrschung des umgebenden Meeres abhängig. Besonders begehrenswerth kann der mili¬ tärische Besitz von Schleswig-Holstein, wie es heute ist, auch deshalb nicht ge¬ nannt werden, weil es bei sehr einfachen Lebensverhältnissen, einer wenig dichten Bevölkerung und einem nur strichweise guten Boden eine sehr bedeutende Schuldenlast hat. — Es ist im Fall eines Krieges als Ackerbau und Viehzucht treibendes Land zwar geeignet dem eindringenden Feind gutes Brod und Fleisch zu bieten, aber keine greifbaren Reichthümer, es giebt also zu eigent¬ lichen Raubzügen keine Veranlassung. Selbst seiner Städte Kraft ist im. Ganzen wenig entwickelt, Rendsburg mit 10, Schleswig mit 12, Kiel mit 18 und Flensburg mit 20,000 Einwohnern sind keine Centren eines großes Lebens, deren Einnahme oder Behauptung die Beherrschung des Landes entschiede, deren permanente oder vorübergehende Befestigung — zumal bei deren weit- läufigen Bau — außerdem sehr schwierig sein würde. Nur Altona macht in innerer Bedeutung eine Ausnahme, es hat an sich über 40,000 Ew., ist betheiligt an der Weltstellung Hamburgs, beherrscht die Elbe, ist Ausgangspunkt der Eisenbahnen, der Lebensadern der Herzogthümer, und ist die Handelshauptstadt des Landes. — Hier in Altona allein würde für den einbrechenden Feind etwas zu holen sein; denn kieler Sprotten und huhu mer Austern dürsten für eine große militärische Unternehmung gar zu theure

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/206>, abgerufen am 26.06.2024.