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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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er auf seine an Personen in Böhmen bereits gerichtete Schreiben keine Antwort,
und wenn er diese Schreiben erneuern wollte, eine äußerst unangenehme zu
erwarten habe."

Uebrigens war Winter weit entfernt davon, hinter dem Denkmalsplan eben¬
falls "staatsgefährliche Umtriebe" zu wittern. Im Gegentheil- legte er dem
wackern Hüetlin in den weiteren Mittheilungen, die nach Wien erlassen wurden,
äußerst harmlose, wenngleich sehr praktische Motive unter. Er meint, es be¬
fänden sich in Konstanz einige Liebhaber von Antiquitäten. Von diesen seien
die Antiquitäten, welche auf den vorliegenden Gegenstand Bezug haben, ge¬
sammelt und in dem Saal, in welchem'der Papst Johann der Zweiundzwanzigste
das bekannte costnitzcr Concil hielt, aufgestellt, so z. B. der Stuhl, auf welchem
dieser Papst, und der, auf welchem der Kaiser Sigismund gesessen und der¬
gleichen mehr. Es sei nicht zu verkennen, daß alle diese Dinge einen histo¬
rischen Werth haben, sie hätten aber für Constanz auch ein materielles Interesse,
Weil dadurch Reisende, denen die Einsicht dieser in mancher Beziehung merk¬
würdigen Alterthümer gestattet ist, herbeigezogen würden, wodurch dieses Inter¬
esse befördert werde. Die Erhöhung dieses Interesses, insbesondere das Heran¬
ziehen noch mehr Reisender nach Constanz, die daselbst Geld verzehren/dürfte aller
Wahrscheinlichkeit nach auch Veranlassung zu diesem Unternehmen gegeben haben."
Wir sehen, Hüetlin hatte mit seiner Idee eines Hußdcnkmals entschie¬
denes Unglück. Ein Staatsmann erklärte sie für ein "staatsgefährliches" Unter¬
nehmen, ein anderer für eine gewöhnliche Bcutelschneiderei.

Ob dies übrigens wirklich die Ansicht Winters war oder ob er damit nur in
richtiger Kenntniß des Mannes, mit dem er es zu thun hatte, die aufgeregte
Phantasie des Fürsten-Staatskanzlers beruhigen wollte, wollen wir unent¬
schieden lassen, wenn wir auch nicht verhehlen, daß wir uns mehr zu der letzten
Erklärung hinneigen.

Die östreichische Regierung beruhigte sich mit dieser Erklärung und dem an
Hüetlin ergehenden Befehl, "sich aller weiteren Anregungen in Bezug auf diesen
Gegenstand zu enthalten".

Seitdem aber sind alle die Männer, die in dieser Denkmalsfrage eine Rolle
spielten: Metternich, Winter. Hüetlin längst dahingegangen. Aber Hüetlin hat
doch Recht behalten. Eine Viertelstunde von Constanz entfernt, an der Stelle,
auf der Huß verbrannt wurde, erhebt sich heute zwar nicht ein großartiges
Denkmal, zu dem England und Frankreich, Deutschland und Böhmen beige¬
steuert, aber doch ein Erinnerungszeichen an den Feuertod des Reformators,
ein mächtiger Felsblock, ein Fündling, der, zum Schmerz der Ultramontanne,
auf Kosten katholischer Constanzer, vor ein paar Jahren dorthin gewälzt wurde.




er auf seine an Personen in Böhmen bereits gerichtete Schreiben keine Antwort,
und wenn er diese Schreiben erneuern wollte, eine äußerst unangenehme zu
erwarten habe."

Uebrigens war Winter weit entfernt davon, hinter dem Denkmalsplan eben¬
falls „staatsgefährliche Umtriebe" zu wittern. Im Gegentheil- legte er dem
wackern Hüetlin in den weiteren Mittheilungen, die nach Wien erlassen wurden,
äußerst harmlose, wenngleich sehr praktische Motive unter. Er meint, es be¬
fänden sich in Konstanz einige Liebhaber von Antiquitäten. Von diesen seien
die Antiquitäten, welche auf den vorliegenden Gegenstand Bezug haben, ge¬
sammelt und in dem Saal, in welchem'der Papst Johann der Zweiundzwanzigste
das bekannte costnitzcr Concil hielt, aufgestellt, so z. B. der Stuhl, auf welchem
dieser Papst, und der, auf welchem der Kaiser Sigismund gesessen und der¬
gleichen mehr. Es sei nicht zu verkennen, daß alle diese Dinge einen histo¬
rischen Werth haben, sie hätten aber für Constanz auch ein materielles Interesse,
Weil dadurch Reisende, denen die Einsicht dieser in mancher Beziehung merk¬
würdigen Alterthümer gestattet ist, herbeigezogen würden, wodurch dieses Inter¬
esse befördert werde. Die Erhöhung dieses Interesses, insbesondere das Heran¬
ziehen noch mehr Reisender nach Constanz, die daselbst Geld verzehren/dürfte aller
Wahrscheinlichkeit nach auch Veranlassung zu diesem Unternehmen gegeben haben."
Wir sehen, Hüetlin hatte mit seiner Idee eines Hußdcnkmals entschie¬
denes Unglück. Ein Staatsmann erklärte sie für ein „staatsgefährliches" Unter¬
nehmen, ein anderer für eine gewöhnliche Bcutelschneiderei.

Ob dies übrigens wirklich die Ansicht Winters war oder ob er damit nur in
richtiger Kenntniß des Mannes, mit dem er es zu thun hatte, die aufgeregte
Phantasie des Fürsten-Staatskanzlers beruhigen wollte, wollen wir unent¬
schieden lassen, wenn wir auch nicht verhehlen, daß wir uns mehr zu der letzten
Erklärung hinneigen.

Die östreichische Regierung beruhigte sich mit dieser Erklärung und dem an
Hüetlin ergehenden Befehl, „sich aller weiteren Anregungen in Bezug auf diesen
Gegenstand zu enthalten".

Seitdem aber sind alle die Männer, die in dieser Denkmalsfrage eine Rolle
spielten: Metternich, Winter. Hüetlin längst dahingegangen. Aber Hüetlin hat
doch Recht behalten. Eine Viertelstunde von Constanz entfernt, an der Stelle,
auf der Huß verbrannt wurde, erhebt sich heute zwar nicht ein großartiges
Denkmal, zu dem England und Frankreich, Deutschland und Böhmen beige¬
steuert, aber doch ein Erinnerungszeichen an den Feuertod des Reformators,
ein mächtiger Felsblock, ein Fündling, der, zum Schmerz der Ultramontanne,
auf Kosten katholischer Constanzer, vor ein paar Jahren dorthin gewälzt wurde.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/205>, abgerufen am 26.06.2024.