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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Zweck voranstellen, zur Erzielung desselben Comites und Ausschüsse bilden,
Subscriptionen eröffnen, Gelder sammeln, sich allerwärts Verbindungen schaffen
und diese Verbindungen und die gewonnenen Mittel sodann beliebig zu weiteren,
rein revolutionären Unternehmungen benutzen; -- dieses ist eine Taktik der
Umsturzpartei, die sie in der letzten Zeit zu häusig benutzt hat, um über die
eigentliche Bedeutung derselben, so oft der Fall vorkommt, den unbefangenen
Beobachter irgend in Zweifel zu lassen. Und wenn bei der gegenwärtigen Ver¬
anlassung die Urheber der Unternehmung sich in der Erwartung, in Böhmen
durch Erweckung der nur mehr todten und rein historischen Erinnerungen an
die Unruhestifter des 15. Jahrhunderts jetzt noch Anklang zu finden, ohne
allen Anstand getäuscht haben mögen, so liegt nichts desto weniger die Absicht,
durch diese Erinnerungen die Gemüther daselbst in einer der bestehenden Ordnung
der Dinge ungünstigen Richtung aufzuregen, so deutlich vor, daß die Pflicht
der Regierungen, so unlauteren Streben, wo es sich geltend machen will, mit
Entschiedenheit entgegenzutreten, nicht in Abrede gestellt werden kann." Zum
Schlüsse wird die badische Regierung aufgefordert, Mittel zu suchen, um solche
Vorkommnisse zu verhindern und ihr durch eine Nachschrift mitgetheilt, daß
bereits eine ähnliche Anzeige des constanzer Bürgermeisters an den Magistrat
von Hussitin ("eines unbedeutenden böhmischen Städtchens und zugleich Johann
Huß' Geburtsort") gelangt und von diesem an die oberste Landesbehörde ein¬
gesendet worden sei.

Man sieht, wie Hüetlin sich verrechnet hatte. In seinem hochherzigen Ide¬
alismus hatte er auf die Begeisterung dieser Böhmen für ihren großen Lands¬
mann gerechnet, aber statt enthusiastischer Aufnahme fand sein Plan bei den
gut dressirten k. k. Magistraten nur die Furcht vor der mctternichschen Polizei¬
fuchtel; statt auf seine Ideen einzugehen, denuncirten sie ihn.

Freih. von Reizenstein war ein zu aufgeklärter Mann, als daß er nach
Art vieler kleinstaatlicher Minister jener Zeit sofort in den blinden Lärm hätte
einstimmen können, den Metternich anhub. Er beruhigte zunächst den ängstlichen
Diplomaten, stellte die Gesinnung der constanzer Bürgerschaft als eine besonnene,
friedliche, revolutionären Umtrieben völlig fremde dar, versprach jedoch genaue
Untersuchung des ganzen Vorfalls.,

Diese wurde denn auch von der badischen Regierung alsbald eingeleitet, und
der Minister des Innern L. Winter säumte nicht, dem constanzer Bürgermeister
"zum voraus über sein in jeder Hinsicht unschickliches, unkluges, verordnungs¬
widriges und überhaupt von keiner ruhigen Ueberlegung zeugendes Benehmen
das diesseitige Mißfallen mit dem Anfügen zu erkennen zu geben, daß er sich
nicht mehr beigehen zu lassen habe, derartige Einladungsschreiben an Personen
in Böhmen oder sonstwo zu erlassen, widrigenfalls er zu gewärtigen habe, daß
er zur Verantwortung und zur gebührenden Strafe werde gezogen werden und


Zweck voranstellen, zur Erzielung desselben Comites und Ausschüsse bilden,
Subscriptionen eröffnen, Gelder sammeln, sich allerwärts Verbindungen schaffen
und diese Verbindungen und die gewonnenen Mittel sodann beliebig zu weiteren,
rein revolutionären Unternehmungen benutzen; — dieses ist eine Taktik der
Umsturzpartei, die sie in der letzten Zeit zu häusig benutzt hat, um über die
eigentliche Bedeutung derselben, so oft der Fall vorkommt, den unbefangenen
Beobachter irgend in Zweifel zu lassen. Und wenn bei der gegenwärtigen Ver¬
anlassung die Urheber der Unternehmung sich in der Erwartung, in Böhmen
durch Erweckung der nur mehr todten und rein historischen Erinnerungen an
die Unruhestifter des 15. Jahrhunderts jetzt noch Anklang zu finden, ohne
allen Anstand getäuscht haben mögen, so liegt nichts desto weniger die Absicht,
durch diese Erinnerungen die Gemüther daselbst in einer der bestehenden Ordnung
der Dinge ungünstigen Richtung aufzuregen, so deutlich vor, daß die Pflicht
der Regierungen, so unlauteren Streben, wo es sich geltend machen will, mit
Entschiedenheit entgegenzutreten, nicht in Abrede gestellt werden kann." Zum
Schlüsse wird die badische Regierung aufgefordert, Mittel zu suchen, um solche
Vorkommnisse zu verhindern und ihr durch eine Nachschrift mitgetheilt, daß
bereits eine ähnliche Anzeige des constanzer Bürgermeisters an den Magistrat
von Hussitin („eines unbedeutenden böhmischen Städtchens und zugleich Johann
Huß' Geburtsort") gelangt und von diesem an die oberste Landesbehörde ein¬
gesendet worden sei.

Man sieht, wie Hüetlin sich verrechnet hatte. In seinem hochherzigen Ide¬
alismus hatte er auf die Begeisterung dieser Böhmen für ihren großen Lands¬
mann gerechnet, aber statt enthusiastischer Aufnahme fand sein Plan bei den
gut dressirten k. k. Magistraten nur die Furcht vor der mctternichschen Polizei¬
fuchtel; statt auf seine Ideen einzugehen, denuncirten sie ihn.

Freih. von Reizenstein war ein zu aufgeklärter Mann, als daß er nach
Art vieler kleinstaatlicher Minister jener Zeit sofort in den blinden Lärm hätte
einstimmen können, den Metternich anhub. Er beruhigte zunächst den ängstlichen
Diplomaten, stellte die Gesinnung der constanzer Bürgerschaft als eine besonnene,
friedliche, revolutionären Umtrieben völlig fremde dar, versprach jedoch genaue
Untersuchung des ganzen Vorfalls.,

Diese wurde denn auch von der badischen Regierung alsbald eingeleitet, und
der Minister des Innern L. Winter säumte nicht, dem constanzer Bürgermeister
„zum voraus über sein in jeder Hinsicht unschickliches, unkluges, verordnungs¬
widriges und überhaupt von keiner ruhigen Ueberlegung zeugendes Benehmen
das diesseitige Mißfallen mit dem Anfügen zu erkennen zu geben, daß er sich
nicht mehr beigehen zu lassen habe, derartige Einladungsschreiben an Personen
in Böhmen oder sonstwo zu erlassen, widrigenfalls er zu gewärtigen habe, daß
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[0204] Zweck voranstellen, zur Erzielung desselben Comites und Ausschüsse bilden, Subscriptionen eröffnen, Gelder sammeln, sich allerwärts Verbindungen schaffen und diese Verbindungen und die gewonnenen Mittel sodann beliebig zu weiteren, rein revolutionären Unternehmungen benutzen; — dieses ist eine Taktik der Umsturzpartei, die sie in der letzten Zeit zu häusig benutzt hat, um über die eigentliche Bedeutung derselben, so oft der Fall vorkommt, den unbefangenen Beobachter irgend in Zweifel zu lassen. Und wenn bei der gegenwärtigen Ver¬ anlassung die Urheber der Unternehmung sich in der Erwartung, in Böhmen durch Erweckung der nur mehr todten und rein historischen Erinnerungen an die Unruhestifter des 15. Jahrhunderts jetzt noch Anklang zu finden, ohne allen Anstand getäuscht haben mögen, so liegt nichts desto weniger die Absicht, durch diese Erinnerungen die Gemüther daselbst in einer der bestehenden Ordnung der Dinge ungünstigen Richtung aufzuregen, so deutlich vor, daß die Pflicht der Regierungen, so unlauteren Streben, wo es sich geltend machen will, mit Entschiedenheit entgegenzutreten, nicht in Abrede gestellt werden kann." Zum Schlüsse wird die badische Regierung aufgefordert, Mittel zu suchen, um solche Vorkommnisse zu verhindern und ihr durch eine Nachschrift mitgetheilt, daß bereits eine ähnliche Anzeige des constanzer Bürgermeisters an den Magistrat von Hussitin („eines unbedeutenden böhmischen Städtchens und zugleich Johann Huß' Geburtsort") gelangt und von diesem an die oberste Landesbehörde ein¬ gesendet worden sei. Man sieht, wie Hüetlin sich verrechnet hatte. In seinem hochherzigen Ide¬ alismus hatte er auf die Begeisterung dieser Böhmen für ihren großen Lands¬ mann gerechnet, aber statt enthusiastischer Aufnahme fand sein Plan bei den gut dressirten k. k. Magistraten nur die Furcht vor der mctternichschen Polizei¬ fuchtel; statt auf seine Ideen einzugehen, denuncirten sie ihn. Freih. von Reizenstein war ein zu aufgeklärter Mann, als daß er nach Art vieler kleinstaatlicher Minister jener Zeit sofort in den blinden Lärm hätte einstimmen können, den Metternich anhub. Er beruhigte zunächst den ängstlichen Diplomaten, stellte die Gesinnung der constanzer Bürgerschaft als eine besonnene, friedliche, revolutionären Umtrieben völlig fremde dar, versprach jedoch genaue Untersuchung des ganzen Vorfalls., Diese wurde denn auch von der badischen Regierung alsbald eingeleitet, und der Minister des Innern L. Winter säumte nicht, dem constanzer Bürgermeister „zum voraus über sein in jeder Hinsicht unschickliches, unkluges, verordnungs¬ widriges und überhaupt von keiner ruhigen Ueberlegung zeugendes Benehmen das diesseitige Mißfallen mit dem Anfügen zu erkennen zu geben, daß er sich nicht mehr beigehen zu lassen habe, derartige Einladungsschreiben an Personen in Böhmen oder sonstwo zu erlassen, widrigenfalls er zu gewärtigen habe, daß er zur Verantwortung und zur gebührenden Strafe werde gezogen werden und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/204>, abgerufen am 26.06.2024.