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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Indem ich die Ehre habe, dieses vorläufig dem verehrlichen Magistrate
des Geburtsortes des Hieronymus anzuzeigen, bitte ich Wohldenselben um ge¬
fällige Erklärung der dortseitigen Ansicht über den wahrscheinlichen Erfolg, den
dieses Unternehmen (welches kein locales, sondern ein allgemeines und
eben deswegen nur großartiges ist und sein soll) in Hieronymus Geburts¬
orte und bei seinen Vaterlandsgenossen überhaupt haben wird; namentlich bitte
ich ergebenst um Auskunft, ob gehofft werden darf, daß die Magistrate der Städte
in Böhmen, an welche das hiesige Cömitö sich wenden wird, zu diesem Unter¬
nehmen hilfreiche Hand bieten werden."

Soweit Hüetlin. Der wackere constanzer Bürgermeister mochte sich, als er
dies schrieb, wohl auf eine heftige Polmik der ultramontanen Partei, die da¬
mals, wie heute, in den ganz katholischen Bodcnseegegenden ihr Haupt kühn und
mächtig erhob, gefaßt gemacht haben, ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß unter
der Verehrung des freisinnig denkenden Katholiken für diese Opfer einer fana¬
tischen Hierarchie der Wunsch: den Ultramontanen bitteren Kummer zu bereiten
das Unternehmen hervorrief. Aber gewiß hatte Hüetlin nicht daran gedacht,
daß sein Schreiben Gegenstand einer lebhaften diplomatischen Korrespondenz
Werden würde. Der Fürst Metternich war es, der ihm diese Ehre erwies.

Am 17. April richtete er eine vertrauliche Note an den Vertreter Badens
bei den wiener Conferenzen, den Minister Frh. v. Reizenstein. Nach den üb¬
lichen Eingangsworten und einer kurzen Nachricht über das Geschehene läßt
er sich also vernehmen:

"Es ist nicht der Ort hier und auch wohl an sich ganz überflüssig, der erleuch¬
teten Einsicht und dem richtigen Gefühle Ew. Excellenz das Unzukömmliche, Un¬
passende und man möchte sagen das eigentlich Beleidigende näher zu entwickeln,
was in dem an den prager Magistrat gestellten Antrage liegt, indem selber
einfach daraus hinausläuft, treuen Anhängern der katholischen Kirche und er¬
probten böhmischen Vaterlandsfreunden zuzumuthen, daß sie dazu mitwirken sollen,
bitteren Feinden dieser ihrer Kirche und Männern, deren Lehren und Sachge¬
nossen ihr Vaterland in eine Reihe von Kriegen und Zerstörungen -- deren
Spuren noch nicht verwischt sind -- gestürzt haben. ein Denkmal des Ruhmes
und der Ehre zu setzen.

Um so lebhafter halte ich mich aber verpflichtet, Ew. Excellenz auf den
Politischen Gesichtspunkt aufmerksam zu machen, von welchem aus betrachtet
zu werden die Sa che wohl verdient. Offenbar trägt das ganze Unternehmen und
insbesondere- die an den Magistrat von Prag vollbrachte und an die übrigen
städtischen Behörden Böhmens meditirte Einladung den Charakter eines poli¬
tischen staatsgefährlichen Antriebes.

Irgendeinen wissenschaftlichen, philanthropischen, religiösen, zwar dem An¬
scheine nach oft harmlosen, in der That aber immer perfiden und bösgemeinten


Indem ich die Ehre habe, dieses vorläufig dem verehrlichen Magistrate
des Geburtsortes des Hieronymus anzuzeigen, bitte ich Wohldenselben um ge¬
fällige Erklärung der dortseitigen Ansicht über den wahrscheinlichen Erfolg, den
dieses Unternehmen (welches kein locales, sondern ein allgemeines und
eben deswegen nur großartiges ist und sein soll) in Hieronymus Geburts¬
orte und bei seinen Vaterlandsgenossen überhaupt haben wird; namentlich bitte
ich ergebenst um Auskunft, ob gehofft werden darf, daß die Magistrate der Städte
in Böhmen, an welche das hiesige Cömitö sich wenden wird, zu diesem Unter¬
nehmen hilfreiche Hand bieten werden."

Soweit Hüetlin. Der wackere constanzer Bürgermeister mochte sich, als er
dies schrieb, wohl auf eine heftige Polmik der ultramontanen Partei, die da¬
mals, wie heute, in den ganz katholischen Bodcnseegegenden ihr Haupt kühn und
mächtig erhob, gefaßt gemacht haben, ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß unter
der Verehrung des freisinnig denkenden Katholiken für diese Opfer einer fana¬
tischen Hierarchie der Wunsch: den Ultramontanen bitteren Kummer zu bereiten
das Unternehmen hervorrief. Aber gewiß hatte Hüetlin nicht daran gedacht,
daß sein Schreiben Gegenstand einer lebhaften diplomatischen Korrespondenz
Werden würde. Der Fürst Metternich war es, der ihm diese Ehre erwies.

Am 17. April richtete er eine vertrauliche Note an den Vertreter Badens
bei den wiener Conferenzen, den Minister Frh. v. Reizenstein. Nach den üb¬
lichen Eingangsworten und einer kurzen Nachricht über das Geschehene läßt
er sich also vernehmen:

„Es ist nicht der Ort hier und auch wohl an sich ganz überflüssig, der erleuch¬
teten Einsicht und dem richtigen Gefühle Ew. Excellenz das Unzukömmliche, Un¬
passende und man möchte sagen das eigentlich Beleidigende näher zu entwickeln,
was in dem an den prager Magistrat gestellten Antrage liegt, indem selber
einfach daraus hinausläuft, treuen Anhängern der katholischen Kirche und er¬
probten böhmischen Vaterlandsfreunden zuzumuthen, daß sie dazu mitwirken sollen,
bitteren Feinden dieser ihrer Kirche und Männern, deren Lehren und Sachge¬
nossen ihr Vaterland in eine Reihe von Kriegen und Zerstörungen — deren
Spuren noch nicht verwischt sind — gestürzt haben. ein Denkmal des Ruhmes
und der Ehre zu setzen.

Um so lebhafter halte ich mich aber verpflichtet, Ew. Excellenz auf den
Politischen Gesichtspunkt aufmerksam zu machen, von welchem aus betrachtet
zu werden die Sa che wohl verdient. Offenbar trägt das ganze Unternehmen und
insbesondere- die an den Magistrat von Prag vollbrachte und an die übrigen
städtischen Behörden Böhmens meditirte Einladung den Charakter eines poli¬
tischen staatsgefährlichen Antriebes.

Irgendeinen wissenschaftlichen, philanthropischen, religiösen, zwar dem An¬
scheine nach oft harmlosen, in der That aber immer perfiden und bösgemeinten


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[0203] Indem ich die Ehre habe, dieses vorläufig dem verehrlichen Magistrate des Geburtsortes des Hieronymus anzuzeigen, bitte ich Wohldenselben um ge¬ fällige Erklärung der dortseitigen Ansicht über den wahrscheinlichen Erfolg, den dieses Unternehmen (welches kein locales, sondern ein allgemeines und eben deswegen nur großartiges ist und sein soll) in Hieronymus Geburts¬ orte und bei seinen Vaterlandsgenossen überhaupt haben wird; namentlich bitte ich ergebenst um Auskunft, ob gehofft werden darf, daß die Magistrate der Städte in Böhmen, an welche das hiesige Cömitö sich wenden wird, zu diesem Unter¬ nehmen hilfreiche Hand bieten werden." Soweit Hüetlin. Der wackere constanzer Bürgermeister mochte sich, als er dies schrieb, wohl auf eine heftige Polmik der ultramontanen Partei, die da¬ mals, wie heute, in den ganz katholischen Bodcnseegegenden ihr Haupt kühn und mächtig erhob, gefaßt gemacht haben, ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß unter der Verehrung des freisinnig denkenden Katholiken für diese Opfer einer fana¬ tischen Hierarchie der Wunsch: den Ultramontanen bitteren Kummer zu bereiten das Unternehmen hervorrief. Aber gewiß hatte Hüetlin nicht daran gedacht, daß sein Schreiben Gegenstand einer lebhaften diplomatischen Korrespondenz Werden würde. Der Fürst Metternich war es, der ihm diese Ehre erwies. Am 17. April richtete er eine vertrauliche Note an den Vertreter Badens bei den wiener Conferenzen, den Minister Frh. v. Reizenstein. Nach den üb¬ lichen Eingangsworten und einer kurzen Nachricht über das Geschehene läßt er sich also vernehmen: „Es ist nicht der Ort hier und auch wohl an sich ganz überflüssig, der erleuch¬ teten Einsicht und dem richtigen Gefühle Ew. Excellenz das Unzukömmliche, Un¬ passende und man möchte sagen das eigentlich Beleidigende näher zu entwickeln, was in dem an den prager Magistrat gestellten Antrage liegt, indem selber einfach daraus hinausläuft, treuen Anhängern der katholischen Kirche und er¬ probten böhmischen Vaterlandsfreunden zuzumuthen, daß sie dazu mitwirken sollen, bitteren Feinden dieser ihrer Kirche und Männern, deren Lehren und Sachge¬ nossen ihr Vaterland in eine Reihe von Kriegen und Zerstörungen — deren Spuren noch nicht verwischt sind — gestürzt haben. ein Denkmal des Ruhmes und der Ehre zu setzen. Um so lebhafter halte ich mich aber verpflichtet, Ew. Excellenz auf den Politischen Gesichtspunkt aufmerksam zu machen, von welchem aus betrachtet zu werden die Sa che wohl verdient. Offenbar trägt das ganze Unternehmen und insbesondere- die an den Magistrat von Prag vollbrachte und an die übrigen städtischen Behörden Böhmens meditirte Einladung den Charakter eines poli¬ tischen staatsgefährlichen Antriebes. Irgendeinen wissenschaftlichen, philanthropischen, religiösen, zwar dem An¬ scheine nach oft harmlosen, in der That aber immer perfiden und bösgemeinten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/203>, abgerufen am 26.06.2024.