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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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2 Schillinge zahlen. Weitere Erpressungen ließ der Herzog in seinem Lande
nicht zu, um sein Eigenthum nicht ausnutzen zu lassen. Viel schlimmer stand
es in den Ländern der dem Kaiser verbündeten Reichsfürsten, wie in Pommern
und Brandenburg, wo seine Generale durch Contributionen und die Soldaten
durch Excesse die Bewohner zur Verzweifelung brachten. Der Stadt Stargard
in Pommern kostete der Stab Piccolominis und 6 Compagnien, die dort ein"
quartirt waren, vom November 1627 bis Juli 1629 280.000 Reichsthaler*)
regelmäßige Contributionen, wobei die Erpressungen und weggenommenem Pferde
nicht gerechnet sind. Der Herzogin von Wollin wurde das Schloß ausgeplündert:
der Schaden ward aus 2 Tonnen Goldes (200,000 Reichsthaler oder Gulden)
berechnet, und alle Klagen der beschädigten Fürstin beim Herzog waren vergeb¬
lich, "weil kein Wolf den andern beißen thut". "Der Oberst Sparer." wird
berichtet, "hat sich in diesem Raubkriege dermaßen begrast, daß er nicht allein
alle seine Güter von Schulden befreit, sondern sich auch einen ansehnlichen
Schatz erspart hat: von der wolgastischen Beute hat er sich zwei güldne und
zwei silberne Röcke, auf 3000 Reichsthaler geschätzt, eine güldne Kette,
6000 Kronen schwer und sechs große silberne.Rändeln (Kannen) fertigen lassen.
In vielen Gegenden Pommerns und der Priegnitz flüchteten die Bauern in die
Gebüsche und Sümpfe: die Häuser wurden von den herumstreifenden Soldaten
angezündet oder abgetragen, nachdem alles, was sich noch darin fand,' aus¬
geplündert worden war. In Lübeck war 1629 der Preis des Scheffels Korn
von 22 auf 64 Schilling gestiegen, weil auf dem Lande alles Getreide auf¬
gezehrt war. die Städte nichts mehr herausließen und Schweden und Dänemark
keine Zufuhr mehr brachten.

Als nun aber im Juni 1629 die pommerschen Gesandten in solcher Bedrängniß
den Herzog um Abführung des Volkes aus dem Lande baten, wurden sie schnöde
abgewiesen. "Ihr müßt unverschämte Leute sein," fuhr sie Wallensicin an,
"daß ihr abermals wiederkommen und mich molestiren dürft, da ich doch vor
diesem gesagt, ich könnte und wollte das Volk nicht abführen. Drum packt euch
und kommt mir also nicht wieder, oder ich will euch was anders sehn lassen."
Dann aber machte er den Kanzler herunter, daß er bei den Tractaten Wallen-
steins mit Stralsund das Particularinteresse von Pommern zu sehr im Auge
gehabt und dadurch die Unterwerfung der Stadt gehindert habe, und als sich
dieser rechtfertigen wollte, wies er ihm sehr aufgeregt die Thüre.

Seit dem Februar 1630 kommen Gerüchte von Wallensteins Abdankung
vor. Der Herzog von Werdenberg mußte ihm Vorstellungen über Entlassung
eines Theils der Soldaten machen. Er wies den Vorschlag zurück und klagte



*) Ein Fuder Heu oder Stroh wird in dieser Zusammenstellung zu 1 Gulden berechnet.

2 Schillinge zahlen. Weitere Erpressungen ließ der Herzog in seinem Lande
nicht zu, um sein Eigenthum nicht ausnutzen zu lassen. Viel schlimmer stand
es in den Ländern der dem Kaiser verbündeten Reichsfürsten, wie in Pommern
und Brandenburg, wo seine Generale durch Contributionen und die Soldaten
durch Excesse die Bewohner zur Verzweifelung brachten. Der Stadt Stargard
in Pommern kostete der Stab Piccolominis und 6 Compagnien, die dort ein«
quartirt waren, vom November 1627 bis Juli 1629 280.000 Reichsthaler*)
regelmäßige Contributionen, wobei die Erpressungen und weggenommenem Pferde
nicht gerechnet sind. Der Herzogin von Wollin wurde das Schloß ausgeplündert:
der Schaden ward aus 2 Tonnen Goldes (200,000 Reichsthaler oder Gulden)
berechnet, und alle Klagen der beschädigten Fürstin beim Herzog waren vergeb¬
lich, „weil kein Wolf den andern beißen thut". „Der Oberst Sparer." wird
berichtet, „hat sich in diesem Raubkriege dermaßen begrast, daß er nicht allein
alle seine Güter von Schulden befreit, sondern sich auch einen ansehnlichen
Schatz erspart hat: von der wolgastischen Beute hat er sich zwei güldne und
zwei silberne Röcke, auf 3000 Reichsthaler geschätzt, eine güldne Kette,
6000 Kronen schwer und sechs große silberne.Rändeln (Kannen) fertigen lassen.
In vielen Gegenden Pommerns und der Priegnitz flüchteten die Bauern in die
Gebüsche und Sümpfe: die Häuser wurden von den herumstreifenden Soldaten
angezündet oder abgetragen, nachdem alles, was sich noch darin fand,' aus¬
geplündert worden war. In Lübeck war 1629 der Preis des Scheffels Korn
von 22 auf 64 Schilling gestiegen, weil auf dem Lande alles Getreide auf¬
gezehrt war. die Städte nichts mehr herausließen und Schweden und Dänemark
keine Zufuhr mehr brachten.

Als nun aber im Juni 1629 die pommerschen Gesandten in solcher Bedrängniß
den Herzog um Abführung des Volkes aus dem Lande baten, wurden sie schnöde
abgewiesen. „Ihr müßt unverschämte Leute sein," fuhr sie Wallensicin an,
„daß ihr abermals wiederkommen und mich molestiren dürft, da ich doch vor
diesem gesagt, ich könnte und wollte das Volk nicht abführen. Drum packt euch
und kommt mir also nicht wieder, oder ich will euch was anders sehn lassen."
Dann aber machte er den Kanzler herunter, daß er bei den Tractaten Wallen-
steins mit Stralsund das Particularinteresse von Pommern zu sehr im Auge
gehabt und dadurch die Unterwerfung der Stadt gehindert habe, und als sich
dieser rechtfertigen wollte, wies er ihm sehr aufgeregt die Thüre.

Seit dem Februar 1630 kommen Gerüchte von Wallensteins Abdankung
vor. Der Herzog von Werdenberg mußte ihm Vorstellungen über Entlassung
eines Theils der Soldaten machen. Er wies den Vorschlag zurück und klagte



*) Ein Fuder Heu oder Stroh wird in dieser Zusammenstellung zu 1 Gulden berechnet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/190>, abgerufen am 26.06.2024.