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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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über die Intriguen der ihm aufsässigen katholischen Kurfürsten. Der Selbstmord
eines großen Bankiers in Prag, des Hans de Witte mit Hinterlassung von
IVs Million Reichsthaler Schulden machte viel Aufsehen. Dabei wurde erzählt,
daß er kurz vorher den Herzog von Friedland um Zahlung einer Schuld von
einer halben Million Reichsthaler angegangen habe und mit dem Bemerken
zurückgewiesen worden sei, nicht eher zahlen zu können, bis der Kaiser ihn be¬
zahlt habe. -- Wenn auch erdichtet, ist doch die Mittheilung charakteristisch und
bezeichnet die Stimmung des Herzogs, wie sie sich das Volk dachte, daß Wallen-
stein bei seiner Abreise von Memmingen im October 1630 in seiner Wohnung
die Reime aufgeschrieben und zurückgelassen habe:

Eine ganz eigenthümliche Färbung erhalten die Jammerberichte durch den
Aberglauben jener Zeit, der in der allgemein herrschenden Noth die beste
Nahrung hatte: er durchdringt alle höheren und niederen Kreise, und die ver¬
ständigsten Leute erzählen die wunderbarsten und albernsten Geschichten mit der
gläubigsten Naivetät. Man kann sichs noch gefallen lassen, wenn unerwartete
Zufälligkeiten die Gemüther erregten. So disputirten im März 1629 herum¬
ziehende katholische Emissäre mit dem lutherischen Domprediger in Halberstadt
fünf Tage lang über Glaubenssätze. Als aber nach der Niederlage der Herren
der hitzigste Streiter, ein Convertit, wüthend gesagt hatte: "Du bist und bleibst
ein Leibeigener des Satans: seid ihr nicht verdammte Ketzer, so Straf mich
Gott und thue ein Zeichen an mir," so sing ihm die Nase stark zu bluten
c>n, daß er fortgehn mußte', und seine Freunde erblaßten. Doch dergleichen
Dinge haben auch in unserer Zeit für aufgeregte Gemüther eine gewisse Be¬
deutung. Die wunderglaubige Phantasie wird aber ganz gewaltig in anderen
Geschichten. Als in Amberg der erste Kalk gebrannt worden war zur Erbauung
eines Jesuitencollegiums, rumort dort der Teufel eine ganze Nacht hindurch in
einem von vier Schimmeln gezogenen Wagen. An sogenannte feste oder ge¬
frorene Soldaten, die mit des Teufels Hilfe vor Schuß und Stich sicher waren,
an solche, die sich unsichtbar machen und schießen konnten, ohne daß man es
hörte, glaubte jedermann, und ein sehr verständiger Agent des Kurfürsten schreibt
1629, daß solche, die sich in Magdeburg zum Dienst angeboten. zurückgewiesen
worden wären, weil man sich auf Gott und nicht auf Teufelskünste verlasse.
In allem Ernste wird aus Frankfurt a. O. berichtet, daß der Teufel in Bocks¬
gestalt ans die Wache gekommen und die kaiserlichen Soldaten so braun gedrückt
habe, daß fünf davon gestorben. Zwar habe der Oberstwachtmeister streng ver¬
boten, davon zu sprechen, aber gleich darauf habe man drei Soldaten, natürlich


GrcnMen II. 1866. 23

über die Intriguen der ihm aufsässigen katholischen Kurfürsten. Der Selbstmord
eines großen Bankiers in Prag, des Hans de Witte mit Hinterlassung von
IVs Million Reichsthaler Schulden machte viel Aufsehen. Dabei wurde erzählt,
daß er kurz vorher den Herzog von Friedland um Zahlung einer Schuld von
einer halben Million Reichsthaler angegangen habe und mit dem Bemerken
zurückgewiesen worden sei, nicht eher zahlen zu können, bis der Kaiser ihn be¬
zahlt habe. — Wenn auch erdichtet, ist doch die Mittheilung charakteristisch und
bezeichnet die Stimmung des Herzogs, wie sie sich das Volk dachte, daß Wallen-
stein bei seiner Abreise von Memmingen im October 1630 in seiner Wohnung
die Reime aufgeschrieben und zurückgelassen habe:

Eine ganz eigenthümliche Färbung erhalten die Jammerberichte durch den
Aberglauben jener Zeit, der in der allgemein herrschenden Noth die beste
Nahrung hatte: er durchdringt alle höheren und niederen Kreise, und die ver¬
ständigsten Leute erzählen die wunderbarsten und albernsten Geschichten mit der
gläubigsten Naivetät. Man kann sichs noch gefallen lassen, wenn unerwartete
Zufälligkeiten die Gemüther erregten. So disputirten im März 1629 herum¬
ziehende katholische Emissäre mit dem lutherischen Domprediger in Halberstadt
fünf Tage lang über Glaubenssätze. Als aber nach der Niederlage der Herren
der hitzigste Streiter, ein Convertit, wüthend gesagt hatte: „Du bist und bleibst
ein Leibeigener des Satans: seid ihr nicht verdammte Ketzer, so Straf mich
Gott und thue ein Zeichen an mir," so sing ihm die Nase stark zu bluten
c>n, daß er fortgehn mußte', und seine Freunde erblaßten. Doch dergleichen
Dinge haben auch in unserer Zeit für aufgeregte Gemüther eine gewisse Be¬
deutung. Die wunderglaubige Phantasie wird aber ganz gewaltig in anderen
Geschichten. Als in Amberg der erste Kalk gebrannt worden war zur Erbauung
eines Jesuitencollegiums, rumort dort der Teufel eine ganze Nacht hindurch in
einem von vier Schimmeln gezogenen Wagen. An sogenannte feste oder ge¬
frorene Soldaten, die mit des Teufels Hilfe vor Schuß und Stich sicher waren,
an solche, die sich unsichtbar machen und schießen konnten, ohne daß man es
hörte, glaubte jedermann, und ein sehr verständiger Agent des Kurfürsten schreibt
1629, daß solche, die sich in Magdeburg zum Dienst angeboten. zurückgewiesen
worden wären, weil man sich auf Gott und nicht auf Teufelskünste verlasse.
In allem Ernste wird aus Frankfurt a. O. berichtet, daß der Teufel in Bocks¬
gestalt ans die Wache gekommen und die kaiserlichen Soldaten so braun gedrückt
habe, daß fünf davon gestorben. Zwar habe der Oberstwachtmeister streng ver¬
boten, davon zu sprechen, aber gleich darauf habe man drei Soldaten, natürlich


GrcnMen II. 1866. 23
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[0191] über die Intriguen der ihm aufsässigen katholischen Kurfürsten. Der Selbstmord eines großen Bankiers in Prag, des Hans de Witte mit Hinterlassung von IVs Million Reichsthaler Schulden machte viel Aufsehen. Dabei wurde erzählt, daß er kurz vorher den Herzog von Friedland um Zahlung einer Schuld von einer halben Million Reichsthaler angegangen habe und mit dem Bemerken zurückgewiesen worden sei, nicht eher zahlen zu können, bis der Kaiser ihn be¬ zahlt habe. — Wenn auch erdichtet, ist doch die Mittheilung charakteristisch und bezeichnet die Stimmung des Herzogs, wie sie sich das Volk dachte, daß Wallen- stein bei seiner Abreise von Memmingen im October 1630 in seiner Wohnung die Reime aufgeschrieben und zurückgelassen habe: Eine ganz eigenthümliche Färbung erhalten die Jammerberichte durch den Aberglauben jener Zeit, der in der allgemein herrschenden Noth die beste Nahrung hatte: er durchdringt alle höheren und niederen Kreise, und die ver¬ ständigsten Leute erzählen die wunderbarsten und albernsten Geschichten mit der gläubigsten Naivetät. Man kann sichs noch gefallen lassen, wenn unerwartete Zufälligkeiten die Gemüther erregten. So disputirten im März 1629 herum¬ ziehende katholische Emissäre mit dem lutherischen Domprediger in Halberstadt fünf Tage lang über Glaubenssätze. Als aber nach der Niederlage der Herren der hitzigste Streiter, ein Convertit, wüthend gesagt hatte: „Du bist und bleibst ein Leibeigener des Satans: seid ihr nicht verdammte Ketzer, so Straf mich Gott und thue ein Zeichen an mir," so sing ihm die Nase stark zu bluten c>n, daß er fortgehn mußte', und seine Freunde erblaßten. Doch dergleichen Dinge haben auch in unserer Zeit für aufgeregte Gemüther eine gewisse Be¬ deutung. Die wunderglaubige Phantasie wird aber ganz gewaltig in anderen Geschichten. Als in Amberg der erste Kalk gebrannt worden war zur Erbauung eines Jesuitencollegiums, rumort dort der Teufel eine ganze Nacht hindurch in einem von vier Schimmeln gezogenen Wagen. An sogenannte feste oder ge¬ frorene Soldaten, die mit des Teufels Hilfe vor Schuß und Stich sicher waren, an solche, die sich unsichtbar machen und schießen konnten, ohne daß man es hörte, glaubte jedermann, und ein sehr verständiger Agent des Kurfürsten schreibt 1629, daß solche, die sich in Magdeburg zum Dienst angeboten. zurückgewiesen worden wären, weil man sich auf Gott und nicht auf Teufelskünste verlasse. In allem Ernste wird aus Frankfurt a. O. berichtet, daß der Teufel in Bocks¬ gestalt ans die Wache gekommen und die kaiserlichen Soldaten so braun gedrückt habe, daß fünf davon gestorben. Zwar habe der Oberstwachtmeister streng ver¬ boten, davon zu sprechen, aber gleich darauf habe man drei Soldaten, natürlich GrcnMen II. 1866. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/191>, abgerufen am 12.12.2024.