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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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und beutelustigen Soldateska des Herzogs, durch welche die Territorien der zum
Theil mit dem Kaiser verbundenen Reichsfürsten zu Grunde gerichtet wurden.
Einmal kommt eine bemerkenswerthe Aeußerung über Tilly vor, wohl zu merken
Vor der Magdeburger Katastrophe, die ihm nach Klopps Meinung erst durch
schwedische Intriguen einen Übeln Leumund verschafft haben soll. Ganz ernst¬
haft wird aus Hamburg 1629 in der jener Zeit eigenen mythischen Einkleidung
das Urtheil der öffentlichen Meinung berichtet, daß ein feuerspeiender Rabe
dem General Tilly von Ort zu Ort folge. "Dies sind seltsame Sachen." setzt
der Correspondent hinzu, "aber Gottes Gerichte kann niemand entflieh"." Es
ist bemerkenswert!), daß von Wallenstein niemals etwas ähnliches erzählt wird,
obgleich er viel despotischer war, als Tilly, seine Soldaten es viel ärger trieben
als die tillyschen. Die katholische Härte des von Charakter ehrenwertheren
Tilly war es, weswegen ihn der Volksmund vom Bösen verfolgen ließ.

Einer der Berichte erzählt vom Herzog von Friedland Folgendes. Als er
im November 1629 Von Schwerin nach seiner Residenz Güstrow zurückgehn
wollte, wurde er auf ein über dem schweriner Schlosse sichtbares Wunder¬
lichen an der Sonne aufmerksam gemacht. Es scheinen Nebensonnen mit
Regenbogenfarben gewesen zu sein, in denen man mit der zeichengläubigen
Phantasie jener Zeit sofort eine schlimme Vorbedeutung sah. Auch der Herzog
war davon sichtlich betroffen. "Doch." setzt der Briefschreiber hinzu, "seposiw
tanäkiri terrors olixit: vsus röZvÄt irr ooelis, nos in tsrris",*) eine Aeußerung,
die uns den Herzog, wie er leibt und lebt, vor Augen stellt. Bei solcher Sinnes¬
art konnten ihm die Dämonen des Glaubens seiner Zeit freilich lange Zeit
nichts anhaben. bis sie endlich doch den trotzigen Selbstling so umstrickten, daß
er im Vertrauen auf sie zaudernd zu Grunde ging.

In Mecklenburg verstand es der Herzog durch seine umsichtig organisirte.
aber seinen Zeitgenossen ungewohnte und daher drückende Finanzverwaltung sich
Geld zu verschaffen. Die Stadt Güstrow mußte dem Herzog jährlich 14.000
Reichsthaler, Rostock 64,000 Reichsthaler für das Bierbrauen zahlen. Nach
einer vom Res. vorgefundenen Bekanntmachung, die der Herzog eigenhändig
unterzeichnet hatte, zahlte jeder beladene Wagen-*) in Güstrow 3 Reichsthaler
Ausfuhrzoll, waren Seidenwaren darin, 6 Reichsthaler. Für jede in Güstrow
geschlachtete Henne erhielt er einen Schilling, für jede Gans 2 Schillinge, für
einen Hammel 3 Schillinge, und die Fleischer der Stadt mußten alle 14 Tage
eidlich den Werth des geschlachteten Viehs angeben und von jedem Thaler




') "Endlich faßte er sich und sagte: Gott regiert im Himmel, ich aber regiere auf
Erden."
-) Es sind wohl im Allgemeinen "mit Handelswaaren beladene" Wagen zu verstehen.
Einen specialisirenden Tarif gab es noch nicht.

und beutelustigen Soldateska des Herzogs, durch welche die Territorien der zum
Theil mit dem Kaiser verbundenen Reichsfürsten zu Grunde gerichtet wurden.
Einmal kommt eine bemerkenswerthe Aeußerung über Tilly vor, wohl zu merken
Vor der Magdeburger Katastrophe, die ihm nach Klopps Meinung erst durch
schwedische Intriguen einen Übeln Leumund verschafft haben soll. Ganz ernst¬
haft wird aus Hamburg 1629 in der jener Zeit eigenen mythischen Einkleidung
das Urtheil der öffentlichen Meinung berichtet, daß ein feuerspeiender Rabe
dem General Tilly von Ort zu Ort folge. „Dies sind seltsame Sachen." setzt
der Correspondent hinzu, „aber Gottes Gerichte kann niemand entflieh»." Es
ist bemerkenswert!), daß von Wallenstein niemals etwas ähnliches erzählt wird,
obgleich er viel despotischer war, als Tilly, seine Soldaten es viel ärger trieben
als die tillyschen. Die katholische Härte des von Charakter ehrenwertheren
Tilly war es, weswegen ihn der Volksmund vom Bösen verfolgen ließ.

Einer der Berichte erzählt vom Herzog von Friedland Folgendes. Als er
im November 1629 Von Schwerin nach seiner Residenz Güstrow zurückgehn
wollte, wurde er auf ein über dem schweriner Schlosse sichtbares Wunder¬
lichen an der Sonne aufmerksam gemacht. Es scheinen Nebensonnen mit
Regenbogenfarben gewesen zu sein, in denen man mit der zeichengläubigen
Phantasie jener Zeit sofort eine schlimme Vorbedeutung sah. Auch der Herzog
war davon sichtlich betroffen. „Doch." setzt der Briefschreiber hinzu, „seposiw
tanäkiri terrors olixit: vsus röZvÄt irr ooelis, nos in tsrris",*) eine Aeußerung,
die uns den Herzog, wie er leibt und lebt, vor Augen stellt. Bei solcher Sinnes¬
art konnten ihm die Dämonen des Glaubens seiner Zeit freilich lange Zeit
nichts anhaben. bis sie endlich doch den trotzigen Selbstling so umstrickten, daß
er im Vertrauen auf sie zaudernd zu Grunde ging.

In Mecklenburg verstand es der Herzog durch seine umsichtig organisirte.
aber seinen Zeitgenossen ungewohnte und daher drückende Finanzverwaltung sich
Geld zu verschaffen. Die Stadt Güstrow mußte dem Herzog jährlich 14.000
Reichsthaler, Rostock 64,000 Reichsthaler für das Bierbrauen zahlen. Nach
einer vom Res. vorgefundenen Bekanntmachung, die der Herzog eigenhändig
unterzeichnet hatte, zahlte jeder beladene Wagen-*) in Güstrow 3 Reichsthaler
Ausfuhrzoll, waren Seidenwaren darin, 6 Reichsthaler. Für jede in Güstrow
geschlachtete Henne erhielt er einen Schilling, für jede Gans 2 Schillinge, für
einen Hammel 3 Schillinge, und die Fleischer der Stadt mußten alle 14 Tage
eidlich den Werth des geschlachteten Viehs angeben und von jedem Thaler




') „Endlich faßte er sich und sagte: Gott regiert im Himmel, ich aber regiere auf
Erden."
-) Es sind wohl im Allgemeinen „mit Handelswaaren beladene" Wagen zu verstehen.
Einen specialisirenden Tarif gab es noch nicht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/189>, abgerufen am 26.06.2024.