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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Kaisers Vorfahren, sonderlich sein seliger Vater werde dadurch erfrischt werden.
Auch brauche der .Kaiser den zugesagten Frieden nicht zu halten -, denn auch
Petrus habe den Herrn nicht zu verläugnen versprochen und ihn doch verläugnet,
und es wäre doch sein Stuhl erhoben worden, welchen Se. päpstl. Heiligkeit
noch besitzt." Damals wurde auch der Sohn des Kaisers von den Jesuiten
beim Vater angeklagt, daß er nicht gut eifrig katholisch sei und nicht sxeeialiter
beichte. Auf ernstes Vorhalten des Kaisers soll sich der Sohn sehr energisch
vertheidigt haben, daß ihn die Jesuiten in der Beichte nach Regimentssachen
befragt, die ihn nichts angingen, und bei einer Procession ging er bald darauf
an dem Altar der neuen Jesuitenkirche vorüber, ohne ihn zu beachten. Bei der
Erbitterung, welche das unverschämte Treiben der Pfaffen erregen mußte, ist
es nicht wunderbar, wenn auch in den Erbländern des Kaisers, wie in Böhmen,
wo seit langer Zeit mit aller Gewalt reformirt worden war, immer noch Viel¬
fach Widerstand vorkam. Als in Prag ein Kapuziner behauptete, daß ein
katholischer Priester über dem Herrn Christus stehe, spuckten Hunderte, die es
hörten, während der Predigt unmuthig aus, und in Eger ließ man Esel das
Weihwasser in der Kirche aussaufen. Der Korrespondent fügt seine Verwun¬
derung bei, daß man die Esel nicht gehängt habe.

Liest man die jammervollen Berichte über die Executionen zur Durchführung
des Rcstitutionsedicts selbst in Reichsstädten, wie schwäbisch-Hall und Augs¬
burg,*) wo das Edict rechtlich gar nicht geltend gemacht werden konnte, so be¬
greift man, wie man sich in allen protestantischen Kreisen nach Erlösung sehnen
mußte, mochte sie herkommen, von wo sie wollte. Denn die, welche im Vater-
lande helfen sollten, konnten oder wollten nicht helfen. Wie vergeblich waren
alle Vorstellungen des Kurfürsten von Sachsen gegen die Mißhandlungen der
Augsburger. "Die vertröstete Hilfe bleibt zu lang außen," wird im September
1629 nach Dresden geschrieben, "es ist auch der Sachen mit Jutercedieren,
Erinnern, Klagen und Suppliciercn nicht zu helfen: es muß öl et armatg,
msiru geschehn; außerdem ist alles umsonst. Der Teufel will nit mehr be¬
schworen, sondern mit Gewalt ausgetrieben sein. Wir werden zu grausam
bedrängt, ärger als unter den Türken."

In den Briefen jener Zeit aus Norddeutschland sind es weniger Klagen
über Verfolgung der Protestanten, welche als solche von dem übermächtigen
Herzog von Friedland aus Politik geschont wurden, als vielmehr Jammerberichte
über die Brutalität, mit der Wallenstein als politischer Herr in den von seinen
Truppen besetzten Ländern auftrat, und über die Excche der schlecht bezahlten



') Ueber die Reaction in Augsburg hat der Verfasser aus früher aufgefundenen Briefen
in seiner Schrift: "Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg"
S. 100 ff. berichtet.

Kaisers Vorfahren, sonderlich sein seliger Vater werde dadurch erfrischt werden.
Auch brauche der .Kaiser den zugesagten Frieden nicht zu halten -, denn auch
Petrus habe den Herrn nicht zu verläugnen versprochen und ihn doch verläugnet,
und es wäre doch sein Stuhl erhoben worden, welchen Se. päpstl. Heiligkeit
noch besitzt." Damals wurde auch der Sohn des Kaisers von den Jesuiten
beim Vater angeklagt, daß er nicht gut eifrig katholisch sei und nicht sxeeialiter
beichte. Auf ernstes Vorhalten des Kaisers soll sich der Sohn sehr energisch
vertheidigt haben, daß ihn die Jesuiten in der Beichte nach Regimentssachen
befragt, die ihn nichts angingen, und bei einer Procession ging er bald darauf
an dem Altar der neuen Jesuitenkirche vorüber, ohne ihn zu beachten. Bei der
Erbitterung, welche das unverschämte Treiben der Pfaffen erregen mußte, ist
es nicht wunderbar, wenn auch in den Erbländern des Kaisers, wie in Böhmen,
wo seit langer Zeit mit aller Gewalt reformirt worden war, immer noch Viel¬
fach Widerstand vorkam. Als in Prag ein Kapuziner behauptete, daß ein
katholischer Priester über dem Herrn Christus stehe, spuckten Hunderte, die es
hörten, während der Predigt unmuthig aus, und in Eger ließ man Esel das
Weihwasser in der Kirche aussaufen. Der Korrespondent fügt seine Verwun¬
derung bei, daß man die Esel nicht gehängt habe.

Liest man die jammervollen Berichte über die Executionen zur Durchführung
des Rcstitutionsedicts selbst in Reichsstädten, wie schwäbisch-Hall und Augs¬
burg,*) wo das Edict rechtlich gar nicht geltend gemacht werden konnte, so be¬
greift man, wie man sich in allen protestantischen Kreisen nach Erlösung sehnen
mußte, mochte sie herkommen, von wo sie wollte. Denn die, welche im Vater-
lande helfen sollten, konnten oder wollten nicht helfen. Wie vergeblich waren
alle Vorstellungen des Kurfürsten von Sachsen gegen die Mißhandlungen der
Augsburger. „Die vertröstete Hilfe bleibt zu lang außen," wird im September
1629 nach Dresden geschrieben, „es ist auch der Sachen mit Jutercedieren,
Erinnern, Klagen und Suppliciercn nicht zu helfen: es muß öl et armatg,
msiru geschehn; außerdem ist alles umsonst. Der Teufel will nit mehr be¬
schworen, sondern mit Gewalt ausgetrieben sein. Wir werden zu grausam
bedrängt, ärger als unter den Türken."

In den Briefen jener Zeit aus Norddeutschland sind es weniger Klagen
über Verfolgung der Protestanten, welche als solche von dem übermächtigen
Herzog von Friedland aus Politik geschont wurden, als vielmehr Jammerberichte
über die Brutalität, mit der Wallenstein als politischer Herr in den von seinen
Truppen besetzten Ländern auftrat, und über die Excche der schlecht bezahlten



') Ueber die Reaction in Augsburg hat der Verfasser aus früher aufgefundenen Briefen
in seiner Schrift: „Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg"
S. 100 ff. berichtet.
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[0188] Kaisers Vorfahren, sonderlich sein seliger Vater werde dadurch erfrischt werden. Auch brauche der .Kaiser den zugesagten Frieden nicht zu halten -, denn auch Petrus habe den Herrn nicht zu verläugnen versprochen und ihn doch verläugnet, und es wäre doch sein Stuhl erhoben worden, welchen Se. päpstl. Heiligkeit noch besitzt." Damals wurde auch der Sohn des Kaisers von den Jesuiten beim Vater angeklagt, daß er nicht gut eifrig katholisch sei und nicht sxeeialiter beichte. Auf ernstes Vorhalten des Kaisers soll sich der Sohn sehr energisch vertheidigt haben, daß ihn die Jesuiten in der Beichte nach Regimentssachen befragt, die ihn nichts angingen, und bei einer Procession ging er bald darauf an dem Altar der neuen Jesuitenkirche vorüber, ohne ihn zu beachten. Bei der Erbitterung, welche das unverschämte Treiben der Pfaffen erregen mußte, ist es nicht wunderbar, wenn auch in den Erbländern des Kaisers, wie in Böhmen, wo seit langer Zeit mit aller Gewalt reformirt worden war, immer noch Viel¬ fach Widerstand vorkam. Als in Prag ein Kapuziner behauptete, daß ein katholischer Priester über dem Herrn Christus stehe, spuckten Hunderte, die es hörten, während der Predigt unmuthig aus, und in Eger ließ man Esel das Weihwasser in der Kirche aussaufen. Der Korrespondent fügt seine Verwun¬ derung bei, daß man die Esel nicht gehängt habe. Liest man die jammervollen Berichte über die Executionen zur Durchführung des Rcstitutionsedicts selbst in Reichsstädten, wie schwäbisch-Hall und Augs¬ burg,*) wo das Edict rechtlich gar nicht geltend gemacht werden konnte, so be¬ greift man, wie man sich in allen protestantischen Kreisen nach Erlösung sehnen mußte, mochte sie herkommen, von wo sie wollte. Denn die, welche im Vater- lande helfen sollten, konnten oder wollten nicht helfen. Wie vergeblich waren alle Vorstellungen des Kurfürsten von Sachsen gegen die Mißhandlungen der Augsburger. „Die vertröstete Hilfe bleibt zu lang außen," wird im September 1629 nach Dresden geschrieben, „es ist auch der Sachen mit Jutercedieren, Erinnern, Klagen und Suppliciercn nicht zu helfen: es muß öl et armatg, msiru geschehn; außerdem ist alles umsonst. Der Teufel will nit mehr be¬ schworen, sondern mit Gewalt ausgetrieben sein. Wir werden zu grausam bedrängt, ärger als unter den Türken." In den Briefen jener Zeit aus Norddeutschland sind es weniger Klagen über Verfolgung der Protestanten, welche als solche von dem übermächtigen Herzog von Friedland aus Politik geschont wurden, als vielmehr Jammerberichte über die Brutalität, mit der Wallenstein als politischer Herr in den von seinen Truppen besetzten Ländern auftrat, und über die Excche der schlecht bezahlten ') Ueber die Reaction in Augsburg hat der Verfasser aus früher aufgefundenen Briefen in seiner Schrift: „Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg" S. 100 ff. berichtet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/188>, abgerufen am 26.06.2024.