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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Jahrhunderten ebenso wenig an Clienten fehlen, als es ihnen im ersten daran
gefehlt hat."

Immer allgemeiner wurde sklavische Demuth der Geringeren den Höheren
gegenüber. Schon bei Epictet kommt es vor. daß römische Große sich von
Bittstellern die Hand küssen lassen. Andere neue Züge enthalten die Schilderungen
Lucians. Die Clienten müssen es ertragen, wenn sie von den Sklaven des
Gebieters Hunde und Schmarotzer gescholten werden. Die Patrone prangen
in Purpurgewändern, spreizen die Finger, um ihre Ringe sehen zu lassen und
tragen überhaupt einen überladenen Prunk zur Schau. Die ihnen Nahenden
müssen zufrieden sein, wenn sie stumm angeblickt und statt von dem Herrn von
einem aus dem Gefolge angeredet werden. Besonders hochmüthige Patrone
lassen sich sogar Fußfälle thun, "nicht viel anders als es bei den Persern Sitte
ist; schon im Herankommen muß man sich bücken und die Seele erniedrigen
und ihren Zustand durch eine entsprechende Körperhaltung ausdrücken. Dann
muß man ihnen die Brust oder die rechte Hand küssen, wobei man von denen
beneidet wird, welche dieser Ehre nicht theilhaftig geworden sind." Als Lohn
folgte eine klägliche Bewirthung, wobei die Gäste oft gegen ihren Willen ge¬
nöthigt wurden, sich zu betrinken.

Die Meisten, die sich zu dieser unwürdigen Dienstbarkeit hergaben, waren
allerdings von niederem Stande, "Leute mit durchlöcherten Mänteln", Lumpen-
Volk also. Allein auch Manche, die aus bessern Verhältnissen herabgekommen
waren, fristeten so ihr Leben, und selbst Männer von Bildung konnte Dürftig¬
keit nöthigen, sich unter den rohen Haufen zu mischen, der in vornehmen
Häusern das Clientengewerbe betrieb. Martial und der Verfasser des Lob¬
gedichts auf Piso sind Beispiele, Das Haus des letzteren, wo man keinen
Gefallen an plumpen Clienten fand, die nichts verstanden, als dem Herrn vor¬
anzugehen und ihm Platz im Volksgedränge zu schaffen, und wo man den
gebildeten Freund geringeren Standes nicht hochmüthig verschmähte und mit
Füßen trat, wird jedoch zu den Ausnahmen gehört haben.

Zum Schlüsse ist daran zu erinnern, daß die Bevölkerung Roms in der
Kaiserzeit, vorzüglich infolge der unaufhörlichen Einführung von Sklaven aus
allen Provinzen des Reichs, von denen jährlich Hunderte die Freiheit erhielten
und in den dritten Stand eintraten, im höchsten Grade aus allen Völker¬
schaften gemischt war. Dazu kam jene fortwährende Masseneinwanderung von
Freien aus den verschiedensten Gegenden, die Rom überfluthete und es im
zweiten Jahrhundert zu einer "griechischen Stadt" machte, obwohl der geringste
Theil der griechisch redenden Eindringlinge wirklich aus Hellas stammte, die
Mehrzahl vielmehr aus Kleinasien und Syrien hergekommen war.

Gerade die freigelassnen Ausländer waren häufig im Besitz großer Reich¬
thümer, die sie> theils im Dienste vornehmer Häuser, wo namentlich Griechen


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Jahrhunderten ebenso wenig an Clienten fehlen, als es ihnen im ersten daran
gefehlt hat.«

Immer allgemeiner wurde sklavische Demuth der Geringeren den Höheren
gegenüber. Schon bei Epictet kommt es vor. daß römische Große sich von
Bittstellern die Hand küssen lassen. Andere neue Züge enthalten die Schilderungen
Lucians. Die Clienten müssen es ertragen, wenn sie von den Sklaven des
Gebieters Hunde und Schmarotzer gescholten werden. Die Patrone prangen
in Purpurgewändern, spreizen die Finger, um ihre Ringe sehen zu lassen und
tragen überhaupt einen überladenen Prunk zur Schau. Die ihnen Nahenden
müssen zufrieden sein, wenn sie stumm angeblickt und statt von dem Herrn von
einem aus dem Gefolge angeredet werden. Besonders hochmüthige Patrone
lassen sich sogar Fußfälle thun, „nicht viel anders als es bei den Persern Sitte
ist; schon im Herankommen muß man sich bücken und die Seele erniedrigen
und ihren Zustand durch eine entsprechende Körperhaltung ausdrücken. Dann
muß man ihnen die Brust oder die rechte Hand küssen, wobei man von denen
beneidet wird, welche dieser Ehre nicht theilhaftig geworden sind." Als Lohn
folgte eine klägliche Bewirthung, wobei die Gäste oft gegen ihren Willen ge¬
nöthigt wurden, sich zu betrinken.

Die Meisten, die sich zu dieser unwürdigen Dienstbarkeit hergaben, waren
allerdings von niederem Stande, „Leute mit durchlöcherten Mänteln", Lumpen-
Volk also. Allein auch Manche, die aus bessern Verhältnissen herabgekommen
waren, fristeten so ihr Leben, und selbst Männer von Bildung konnte Dürftig¬
keit nöthigen, sich unter den rohen Haufen zu mischen, der in vornehmen
Häusern das Clientengewerbe betrieb. Martial und der Verfasser des Lob¬
gedichts auf Piso sind Beispiele, Das Haus des letzteren, wo man keinen
Gefallen an plumpen Clienten fand, die nichts verstanden, als dem Herrn vor¬
anzugehen und ihm Platz im Volksgedränge zu schaffen, und wo man den
gebildeten Freund geringeren Standes nicht hochmüthig verschmähte und mit
Füßen trat, wird jedoch zu den Ausnahmen gehört haben.

Zum Schlüsse ist daran zu erinnern, daß die Bevölkerung Roms in der
Kaiserzeit, vorzüglich infolge der unaufhörlichen Einführung von Sklaven aus
allen Provinzen des Reichs, von denen jährlich Hunderte die Freiheit erhielten
und in den dritten Stand eintraten, im höchsten Grade aus allen Völker¬
schaften gemischt war. Dazu kam jene fortwährende Masseneinwanderung von
Freien aus den verschiedensten Gegenden, die Rom überfluthete und es im
zweiten Jahrhundert zu einer „griechischen Stadt" machte, obwohl der geringste
Theil der griechisch redenden Eindringlinge wirklich aus Hellas stammte, die
Mehrzahl vielmehr aus Kleinasien und Syrien hergekommen war.

Gerade die freigelassnen Ausländer waren häufig im Besitz großer Reich¬
thümer, die sie> theils im Dienste vornehmer Häuser, wo namentlich Griechen


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[0185] Jahrhunderten ebenso wenig an Clienten fehlen, als es ihnen im ersten daran gefehlt hat.« Immer allgemeiner wurde sklavische Demuth der Geringeren den Höheren gegenüber. Schon bei Epictet kommt es vor. daß römische Große sich von Bittstellern die Hand küssen lassen. Andere neue Züge enthalten die Schilderungen Lucians. Die Clienten müssen es ertragen, wenn sie von den Sklaven des Gebieters Hunde und Schmarotzer gescholten werden. Die Patrone prangen in Purpurgewändern, spreizen die Finger, um ihre Ringe sehen zu lassen und tragen überhaupt einen überladenen Prunk zur Schau. Die ihnen Nahenden müssen zufrieden sein, wenn sie stumm angeblickt und statt von dem Herrn von einem aus dem Gefolge angeredet werden. Besonders hochmüthige Patrone lassen sich sogar Fußfälle thun, „nicht viel anders als es bei den Persern Sitte ist; schon im Herankommen muß man sich bücken und die Seele erniedrigen und ihren Zustand durch eine entsprechende Körperhaltung ausdrücken. Dann muß man ihnen die Brust oder die rechte Hand küssen, wobei man von denen beneidet wird, welche dieser Ehre nicht theilhaftig geworden sind." Als Lohn folgte eine klägliche Bewirthung, wobei die Gäste oft gegen ihren Willen ge¬ nöthigt wurden, sich zu betrinken. Die Meisten, die sich zu dieser unwürdigen Dienstbarkeit hergaben, waren allerdings von niederem Stande, „Leute mit durchlöcherten Mänteln", Lumpen- Volk also. Allein auch Manche, die aus bessern Verhältnissen herabgekommen waren, fristeten so ihr Leben, und selbst Männer von Bildung konnte Dürftig¬ keit nöthigen, sich unter den rohen Haufen zu mischen, der in vornehmen Häusern das Clientengewerbe betrieb. Martial und der Verfasser des Lob¬ gedichts auf Piso sind Beispiele, Das Haus des letzteren, wo man keinen Gefallen an plumpen Clienten fand, die nichts verstanden, als dem Herrn vor¬ anzugehen und ihm Platz im Volksgedränge zu schaffen, und wo man den gebildeten Freund geringeren Standes nicht hochmüthig verschmähte und mit Füßen trat, wird jedoch zu den Ausnahmen gehört haben. Zum Schlüsse ist daran zu erinnern, daß die Bevölkerung Roms in der Kaiserzeit, vorzüglich infolge der unaufhörlichen Einführung von Sklaven aus allen Provinzen des Reichs, von denen jährlich Hunderte die Freiheit erhielten und in den dritten Stand eintraten, im höchsten Grade aus allen Völker¬ schaften gemischt war. Dazu kam jene fortwährende Masseneinwanderung von Freien aus den verschiedensten Gegenden, die Rom überfluthete und es im zweiten Jahrhundert zu einer „griechischen Stadt" machte, obwohl der geringste Theil der griechisch redenden Eindringlinge wirklich aus Hellas stammte, die Mehrzahl vielmehr aus Kleinasien und Syrien hergekommen war. Gerade die freigelassnen Ausländer waren häufig im Besitz großer Reich¬ thümer, die sie> theils im Dienste vornehmer Häuser, wo namentlich Griechen 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/185>, abgerufen am 26.06.2024.