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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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und Orientalen sich unentbehrlich, beliebt oder gefürchtet zu machen verstanden,
theils durch kaufmännische Geschäfte erworben hatten, die vielfach in den Händen
dieser rührigen und betriebsamen Söhne des Ostens waren. Der Reichthum
des Freigelassnen war schon zu Anfang der Kaiserzeit sprichwörtlich, ebenso
aber auch seine Prahlerei, seine Prunksucht und sein widerwärtiger Dünkel.
Die Spiegel, vor denen die Töchter dieser Glückspilze sich schmückten, kosteten
mehr, als in der alten guten Zeit die Töchter verdienter Männer vom Staat
zur Mitgift erhalten hatten. Sie wetteiferten mit der Aristokratie in sybaritischen
Luxus, trugen psundschwere Fingerringe, wechselten während der Mahlzeit fast
ein dutzend Mal die Toilette, schwelgten in den edelsten Weinen und den aus¬
gesuchtesten Speisen, während sie ihren Gästen gemeine Kost und gemeinen
Krätzer vorsetzten. Sie, vie ehemals die Peitsche gefürchtet hatten, die wohl gar
die Spuren früherer Brandmarkung unter Schönpflästerchen verstecken oder von
verschwiegenen Aerzten aus der Haut tilgen lassen mußten, blähten sich jetzt
in dem Genuß, Bessere ihr Geldprotzenbewußtsein empfinden zu lassen.

Indeß neben diesem Hochmuth, den der reichgewordene ehemalige Sklave
zur Schau trug, und neben jener hündischen Clientendemuth fehlte es auch
nicht ganz an Aeußerungen edlen Selbstgefühls, welches der niedrig geborne,
aber tüchtige und seiner Kraft sich bewußte Freie gegenüber dem verkommenen
Adel empfand. "Unzüchtige spanische Tänze und Gesänge," sagt Juvenal,
"passen nicht in ein bescheidenes Haus, sondern in die prächtigen Paläste der
Reichen. Würfelspiel und Ehebruch ist für Geringe schändlich; thun jene dasselbe,
so werden sie munter und artig genannt." "Im niedrigsten Volke," heißt es
bei demselben Dichter, "wirst du Männer von Beredsamkeit finden, welche die
Processe der unwissenden Adeligen führen; aus dem Volke kommen sie, welche
die Knoten des Rechts und die Räthsel der Gesetze entwirren; seine Jugend,
im Wasserwerk geübt, zieht nach dem Euphrat und zu den Adlern, die über
die gebändigten Bataver wachen, während jene, die keinen Vorzug aufzuweisen
haben, als ihre unermeßliche Ahnenreihe, armlosen Hermenbildern gleichen --
in hoher Lebensstellung ist gesunder Sinn selten."

Wie aber diese kräftigen Elemente aus dem dritten Stande der Bevölkerung
Roms fort und. fort in die Höhe stiegen, während die schwachen und unfähigen
aus den obern allmälig auf den Grund sanken, wie die drei Stände in stetem
Wechsel und unaufhörlichen Uebergängen bis zu einem gewissen Grade ihren
Inhalt gegen einander austauschten, das kann freilich aus so vereinzelten That¬
sachen und Andeutungen, wie sie für die Schilderung des Verfassers vorlagen,
nur in sehr unvollkommner Weise erkannt werden.




und Orientalen sich unentbehrlich, beliebt oder gefürchtet zu machen verstanden,
theils durch kaufmännische Geschäfte erworben hatten, die vielfach in den Händen
dieser rührigen und betriebsamen Söhne des Ostens waren. Der Reichthum
des Freigelassnen war schon zu Anfang der Kaiserzeit sprichwörtlich, ebenso
aber auch seine Prahlerei, seine Prunksucht und sein widerwärtiger Dünkel.
Die Spiegel, vor denen die Töchter dieser Glückspilze sich schmückten, kosteten
mehr, als in der alten guten Zeit die Töchter verdienter Männer vom Staat
zur Mitgift erhalten hatten. Sie wetteiferten mit der Aristokratie in sybaritischen
Luxus, trugen psundschwere Fingerringe, wechselten während der Mahlzeit fast
ein dutzend Mal die Toilette, schwelgten in den edelsten Weinen und den aus¬
gesuchtesten Speisen, während sie ihren Gästen gemeine Kost und gemeinen
Krätzer vorsetzten. Sie, vie ehemals die Peitsche gefürchtet hatten, die wohl gar
die Spuren früherer Brandmarkung unter Schönpflästerchen verstecken oder von
verschwiegenen Aerzten aus der Haut tilgen lassen mußten, blähten sich jetzt
in dem Genuß, Bessere ihr Geldprotzenbewußtsein empfinden zu lassen.

Indeß neben diesem Hochmuth, den der reichgewordene ehemalige Sklave
zur Schau trug, und neben jener hündischen Clientendemuth fehlte es auch
nicht ganz an Aeußerungen edlen Selbstgefühls, welches der niedrig geborne,
aber tüchtige und seiner Kraft sich bewußte Freie gegenüber dem verkommenen
Adel empfand. „Unzüchtige spanische Tänze und Gesänge," sagt Juvenal,
„passen nicht in ein bescheidenes Haus, sondern in die prächtigen Paläste der
Reichen. Würfelspiel und Ehebruch ist für Geringe schändlich; thun jene dasselbe,
so werden sie munter und artig genannt." „Im niedrigsten Volke," heißt es
bei demselben Dichter, „wirst du Männer von Beredsamkeit finden, welche die
Processe der unwissenden Adeligen führen; aus dem Volke kommen sie, welche
die Knoten des Rechts und die Räthsel der Gesetze entwirren; seine Jugend,
im Wasserwerk geübt, zieht nach dem Euphrat und zu den Adlern, die über
die gebändigten Bataver wachen, während jene, die keinen Vorzug aufzuweisen
haben, als ihre unermeßliche Ahnenreihe, armlosen Hermenbildern gleichen —
in hoher Lebensstellung ist gesunder Sinn selten."

Wie aber diese kräftigen Elemente aus dem dritten Stande der Bevölkerung
Roms fort und. fort in die Höhe stiegen, während die schwachen und unfähigen
aus den obern allmälig auf den Grund sanken, wie die drei Stände in stetem
Wechsel und unaufhörlichen Uebergängen bis zu einem gewissen Grade ihren
Inhalt gegen einander austauschten, das kann freilich aus so vereinzelten That¬
sachen und Andeutungen, wie sie für die Schilderung des Verfassers vorlagen,
nur in sehr unvollkommner Weise erkannt werden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/186>, abgerufen am 26.06.2024.