Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.mit der feierlichen Aufbewahrung des zum ersten Mal abgeschornen Haares Noch schmählicher wurde der Client behandelt, wenn er einmal zur Tafel So in der Zeit Martials und Juvenals. Später erweiterte sich der Ab¬ mit der feierlichen Aufbewahrung des zum ersten Mal abgeschornen Haares Noch schmählicher wurde der Client behandelt, wenn er einmal zur Tafel So in der Zeit Martials und Juvenals. Später erweiterte sich der Ab¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282981"/> <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605"> mit der feierlichen Aufbewahrung des zum ersten Mal abgeschornen Haares<lb/> eines Lieblingssklaven, so mußten sie ihren sauern Erwerb daran wenden, die<lb/> Thürsteher zu bestechen. Und war es ihnen endlich gelungen, durch die halb¬<lb/> geöffnete Pforte hineinzuschlüpfen, so hatten sie im Innern des Hauses den<lb/> Uebermuth des vornehmeren Bedientenvolkes zu überwinden und neue An¬<lb/> strengungen zu machen, um endlich vorgelassen zu werden. Gewöhnlich ließ<lb/> sich der Hausherr nur herbei, den Morgengruß des „Haufens" in vorher be¬<lb/> stimmter Reihenfolge entgegenzunehmen, und öffnete nicht einmal den Mund<lb/> zum Gegengruß. Ja es galt schon für Herablassung, wenn er sich des Namens<lb/> seines demüthigen „Freundes" zu erinnern geruhte. Der Client dagegen surfte<lb/> nicht wagen, ihm anders als mit der größten Ehrerbietung zu begegnen, wenn<lb/> er nicht in Ungnade fallen und der gehofften Belohnung verlustig gehen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_607"> Noch schmählicher wurde der Client behandelt, wenn er einmal zur Tafel<lb/> des Patrons gezogen wurde. In vielen Häusern wurde er. wie andere Tisch¬<lb/> genossen, namentlich Freigelassene, in jeder Beziehung anders bewirthet, als<lb/> der Herr und die ihm an Rang gleichstehenden Gäste. Dieser trinkt aus kost¬<lb/> baren Gefäßen, der Client aus einem irdenen Topf. Dem Hausherrn wartet<lb/> die Blüthe der Jugend Kleinasiens auf, dem geringen Gaste ein Mohr mit<lb/> knöchernen Fäusten, dem man bei Nacht nicht auf der Landstraße begegnen<lb/> möchte. Die Sklaven lassen sich vergebens rufen und reichen ihm steinhartes<lb/> verschimmeltes Brod, während der Herr mit zartem weißen Weizenbrod bedient<lb/> wird. Dem Herrn wird ein Prachtfisch mit Riesenspargeln und das feinste<lb/> Oel gereicht, dem Clienten ein gemeiner Tiberfisch und Oel, das nach der<lb/> Lampe riecht. Er darf sich nicht unterstehen, dem gnädigen Herrn zuzutrinken,<lb/> und öffnet er unaufgefordert den Mund zum Reden, so läuft er Gefahr hin¬<lb/> ausgeworfen zu werden. Dagegen mußte er sich gefallen lassen, als Zielscheibe<lb/> für die schlechten Witze des Hausherrn und seiner vornehmern Gäste zu dienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_608"> So in der Zeit Martials und Juvenals. Später erweiterte sich der Ab¬<lb/> stand zwischen Patron und Clienten noch mehr, und zwar theils infolge des<lb/> Zudrangs zu diesem Erwerbszweig, theils und vorzüglich durch die seit dem<lb/> zweiten Jahrhundert zunehmenden Einflüsse orientalischer Anschauungen. Mar-<lb/> quardt meint, bei dem sinkenden Einfluß des Adels am Ende des ersten Jahr¬<lb/> hunderts sei das Institut der Clientel in Verfall gerathen. Friedländer kann<lb/> dies nicht einsehen. Er sagt: „Wenn auch die altadeligen Familien immer<lb/> mehr abnahmen, so traten fortwährend neue an deren Stelle, und ich glaube<lb/> nicht, daß wir zu der Annahme berechtigt sind, die Zahl der großen, reichen<lb/> und vornehmen Familien in Rom sei im zweiten und dritten Jahrhundert<lb/> geringer gewesen als im ersten. Da nun unzweifelhaft Senatoren von jungem<lb/> oder gar keinem Adel durch Vermögen, Rang und Einfluß ganz dieselben Vor¬<lb/> theile gewähren konnten, als altadelige, so konnte es ihnen auch in den späteren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
mit der feierlichen Aufbewahrung des zum ersten Mal abgeschornen Haares
eines Lieblingssklaven, so mußten sie ihren sauern Erwerb daran wenden, die
Thürsteher zu bestechen. Und war es ihnen endlich gelungen, durch die halb¬
geöffnete Pforte hineinzuschlüpfen, so hatten sie im Innern des Hauses den
Uebermuth des vornehmeren Bedientenvolkes zu überwinden und neue An¬
strengungen zu machen, um endlich vorgelassen zu werden. Gewöhnlich ließ
sich der Hausherr nur herbei, den Morgengruß des „Haufens" in vorher be¬
stimmter Reihenfolge entgegenzunehmen, und öffnete nicht einmal den Mund
zum Gegengruß. Ja es galt schon für Herablassung, wenn er sich des Namens
seines demüthigen „Freundes" zu erinnern geruhte. Der Client dagegen surfte
nicht wagen, ihm anders als mit der größten Ehrerbietung zu begegnen, wenn
er nicht in Ungnade fallen und der gehofften Belohnung verlustig gehen wollte.
Noch schmählicher wurde der Client behandelt, wenn er einmal zur Tafel
des Patrons gezogen wurde. In vielen Häusern wurde er. wie andere Tisch¬
genossen, namentlich Freigelassene, in jeder Beziehung anders bewirthet, als
der Herr und die ihm an Rang gleichstehenden Gäste. Dieser trinkt aus kost¬
baren Gefäßen, der Client aus einem irdenen Topf. Dem Hausherrn wartet
die Blüthe der Jugend Kleinasiens auf, dem geringen Gaste ein Mohr mit
knöchernen Fäusten, dem man bei Nacht nicht auf der Landstraße begegnen
möchte. Die Sklaven lassen sich vergebens rufen und reichen ihm steinhartes
verschimmeltes Brod, während der Herr mit zartem weißen Weizenbrod bedient
wird. Dem Herrn wird ein Prachtfisch mit Riesenspargeln und das feinste
Oel gereicht, dem Clienten ein gemeiner Tiberfisch und Oel, das nach der
Lampe riecht. Er darf sich nicht unterstehen, dem gnädigen Herrn zuzutrinken,
und öffnet er unaufgefordert den Mund zum Reden, so läuft er Gefahr hin¬
ausgeworfen zu werden. Dagegen mußte er sich gefallen lassen, als Zielscheibe
für die schlechten Witze des Hausherrn und seiner vornehmern Gäste zu dienen.
So in der Zeit Martials und Juvenals. Später erweiterte sich der Ab¬
stand zwischen Patron und Clienten noch mehr, und zwar theils infolge des
Zudrangs zu diesem Erwerbszweig, theils und vorzüglich durch die seit dem
zweiten Jahrhundert zunehmenden Einflüsse orientalischer Anschauungen. Mar-
quardt meint, bei dem sinkenden Einfluß des Adels am Ende des ersten Jahr¬
hunderts sei das Institut der Clientel in Verfall gerathen. Friedländer kann
dies nicht einsehen. Er sagt: „Wenn auch die altadeligen Familien immer
mehr abnahmen, so traten fortwährend neue an deren Stelle, und ich glaube
nicht, daß wir zu der Annahme berechtigt sind, die Zahl der großen, reichen
und vornehmen Familien in Rom sei im zweiten und dritten Jahrhundert
geringer gewesen als im ersten. Da nun unzweifelhaft Senatoren von jungem
oder gar keinem Adel durch Vermögen, Rang und Einfluß ganz dieselben Vor¬
theile gewähren konnten, als altadelige, so konnte es ihnen auch in den späteren
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