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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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vermuthlich als Belohnung jahrelanger Dienste. Manchmal gewährte der Patron
dem Clienten freie Wohnung. Auch Unterstützungen durch Darlehne. Bürg-
schaft, Rechtsbeistand und sonstigen Schutz scheinen noch in der Regel erwartet
und gewährt worden zu sein. Im Ganzen aber war der Erwerb der Clienten
ein sehr spärlicher. Manche wurden fast ganz und gar mit Hoffnungen gespeist,
und "kaum zwei oder drei," sagt Martial. "hat der Besuch vornehmer Bor¬
zimmer wirklich ernährt, die Menge der Uebrigen ist vor Hunger blaß."

Der Dienst der Clienten war ziemlich beschwerlich. Er bestand zunächst
darin, daß sie ihrem "Herrn" oder "König" täglich in der ersten Frühe ihre
Aufwartung zu machen hatten, da ein wohlgcfülltes Atrium zu den noth"
wendigsten Erfordernissen eines angesehenen Hauses gehörte. Da aber die
Clienten pünktlich da sein mußten und infolge dessen lieber auf Einlaß warteten
als zu spät kamen, auch oft sehr weite Wege hatten, so mußten sie gewöhnlich
schon vor Tagesanbruch ihre Wanderung antreten und hatten häusig nicht
Zeit auszuschlafen. Eine fernere Unbequemlichkeit war, daß der Client vor
seinem Patron nicht anders als in der Toga, dem Staats- und Feierkleide, er¬
scheinen durfte, einem heißen schweren Mantel, der seit dem Anfang der Mon¬
archie in Rom immer seltener und bald für die Clienten eine auszeichnende
Tracht wurde. In dieser vielverwünschten Toga traten sie, wie bemerkt, in der
Regel schon vor Sonnenaufgang ihre Wanderungen an. Kein Wetter durfte
sie zurückhalten, weder der pfeifende Nordwind, noch selbst Schneefall, der doch
sonst einen genügenden Entschuldigungsgrund abgab, wenn man einer Einladung
nicht folgte. Dazu kam dann noch der Straßenschmutz, und die ungeheuren
Entfernungen, die sich um so mehr geltend machten, als die meisten Clienten
täglich zu mehren Besuchen verpflichtet waren. Denn die Morgenvisite war nur
die wichtigste ihrer Obliegenheiten, die Mehrzahl war durch ihren Dienst einen
großen Theil des Tages in Anspruch genommen. Sie mußten, wenn ihr Herr
öffentlich erschien, seinem Tragsessel oder seiner Sänfte vorausschreiten oder
folgen und seine sämmtlichen Besuche mitmachen. Ging er aufs Land oder auf
Reisen, so hatten sie sich bereit zu halten, einen leeren Platz in seinem Wagen
einzunehmen. Las er seine Gedichte vor, so wirkten sie als Claqueurs. Redete
er vor Gericht, so brüllte "der Haufe in der Toga" Bravo. Alles, was er
redete oder that, wurde von ihnen, den stets unterthänigsten Dienern, als vor¬
trefflich gepriesen.

Nicht nur von seinem Patron, sondern auch von dessen Bedienten hatte
der bedauernswerthe Client die größten Demüthigungen zu ertragen. Häusig
ließ man ihn lungernd nach Gelegenheit, seine gehorsamste Frage nach dem
Befinden des Gebieters anzubringen, vor der Thür stehen. Hatte er ein drin¬
gendes Anliegen, und wollte er nicht unter den gewöhnlichen Vorwänden, der
Herr sei nicht zu Hause, lasse sich rastren, beschäftige sich mit Wichtigerem, z. B.


Grenzboten II. 18KY. 22

vermuthlich als Belohnung jahrelanger Dienste. Manchmal gewährte der Patron
dem Clienten freie Wohnung. Auch Unterstützungen durch Darlehne. Bürg-
schaft, Rechtsbeistand und sonstigen Schutz scheinen noch in der Regel erwartet
und gewährt worden zu sein. Im Ganzen aber war der Erwerb der Clienten
ein sehr spärlicher. Manche wurden fast ganz und gar mit Hoffnungen gespeist,
und „kaum zwei oder drei," sagt Martial. „hat der Besuch vornehmer Bor¬
zimmer wirklich ernährt, die Menge der Uebrigen ist vor Hunger blaß."

Der Dienst der Clienten war ziemlich beschwerlich. Er bestand zunächst
darin, daß sie ihrem „Herrn" oder „König" täglich in der ersten Frühe ihre
Aufwartung zu machen hatten, da ein wohlgcfülltes Atrium zu den noth«
wendigsten Erfordernissen eines angesehenen Hauses gehörte. Da aber die
Clienten pünktlich da sein mußten und infolge dessen lieber auf Einlaß warteten
als zu spät kamen, auch oft sehr weite Wege hatten, so mußten sie gewöhnlich
schon vor Tagesanbruch ihre Wanderung antreten und hatten häusig nicht
Zeit auszuschlafen. Eine fernere Unbequemlichkeit war, daß der Client vor
seinem Patron nicht anders als in der Toga, dem Staats- und Feierkleide, er¬
scheinen durfte, einem heißen schweren Mantel, der seit dem Anfang der Mon¬
archie in Rom immer seltener und bald für die Clienten eine auszeichnende
Tracht wurde. In dieser vielverwünschten Toga traten sie, wie bemerkt, in der
Regel schon vor Sonnenaufgang ihre Wanderungen an. Kein Wetter durfte
sie zurückhalten, weder der pfeifende Nordwind, noch selbst Schneefall, der doch
sonst einen genügenden Entschuldigungsgrund abgab, wenn man einer Einladung
nicht folgte. Dazu kam dann noch der Straßenschmutz, und die ungeheuren
Entfernungen, die sich um so mehr geltend machten, als die meisten Clienten
täglich zu mehren Besuchen verpflichtet waren. Denn die Morgenvisite war nur
die wichtigste ihrer Obliegenheiten, die Mehrzahl war durch ihren Dienst einen
großen Theil des Tages in Anspruch genommen. Sie mußten, wenn ihr Herr
öffentlich erschien, seinem Tragsessel oder seiner Sänfte vorausschreiten oder
folgen und seine sämmtlichen Besuche mitmachen. Ging er aufs Land oder auf
Reisen, so hatten sie sich bereit zu halten, einen leeren Platz in seinem Wagen
einzunehmen. Las er seine Gedichte vor, so wirkten sie als Claqueurs. Redete
er vor Gericht, so brüllte „der Haufe in der Toga" Bravo. Alles, was er
redete oder that, wurde von ihnen, den stets unterthänigsten Dienern, als vor¬
trefflich gepriesen.

Nicht nur von seinem Patron, sondern auch von dessen Bedienten hatte
der bedauernswerthe Client die größten Demüthigungen zu ertragen. Häusig
ließ man ihn lungernd nach Gelegenheit, seine gehorsamste Frage nach dem
Befinden des Gebieters anzubringen, vor der Thür stehen. Hatte er ein drin¬
gendes Anliegen, und wollte er nicht unter den gewöhnlichen Vorwänden, der
Herr sei nicht zu Hause, lasse sich rastren, beschäftige sich mit Wichtigerem, z. B.


Grenzboten II. 18KY. 22
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/183>, abgerufen am 26.06.2024.