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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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spätere Kaiser Pertinax erhielt durch den Consularen Lollius Avitus das Cen-
turionat und stieg, nachdem er sich in einem Feldzug gegen die Parther aus¬
gezeichnet, schnell zu immer bedeutenderen ritterlichen Aemtern in Heer, Flotte
und Verwaltung und schließlich zur senatorischen Würde und zum Consulat
empor. Auch Nassaus Rufus, der in der Zeit der Antonine niedrig geboren
und ohne Erziehung aufgewachsen war, begann seine Laufbahn als Centuno,
wurde dann Tribun der römischen Feuerwache und, nachdem er bis zum
Tribunat einer Kohorte Garden aufgerückt war, nacheinander kaiserlicher Pro¬
kurator in Spanien, Noricum, Belgien und Germanien. Hierauf wurde er
Chef der kaiserlichen Finanzverwaltung. Getreideprcifect, Vicekönig von Aegyp-
ten, endlich Militärgvuvcrneur von Rom und erhielt die consularischen Ehren¬
zeichen.

Endlich muß in Rom die Zahl derjenigen vom dritten Stande sehr groß
gewesen sein, die von sogenannten Clientendiensten entweder ganz und
gar oder doch theilweise lebten. Von der ursprünglichen Clientel hatte dieses
Verhältniß kaum mehr als den Namen. Jene war ein Pietäts-, dieses ein
Miethsverhältniß. Der Client der älteren Republik war ein treuer Anhänger und
Vertrauter seines "Patrons", von diesem berathen und geschützt, der Client
der Kaiserzeit dagegen ein bloßer Figurant in dem Troß seines "Herrn", von
diesem karg belohnt und verächtlich, behandelt. Der persönliche Antheil des
Patrons am Geschick des Clienten hörte schon in der letzten Zeit der Republik
allmälig auf, je zahlreicher die Clienten des einzelnen Hauses wurden, desto
äußerlicher mußten die Beziehungen zwischen ihnen und dem Patron werden.
Mehr und mehr bildete sich die Sitte aus, daß der angesehene Mann sich mit
einem Gefolge niederer Leute umgab, dessen Größe sich nach seinem Stande
und Vermögen richtete und hierauf wieder zurückschließen ließ, sein Auftreten
so glänzend als möglich machte. Da diese Mode mit der Zeit selbst wenig
begüterte Geschäftsleute um ihres Credits willen eine Anzahl von Clienten zu
halten nöthigte, so wurde der Zudrang zu dieser Stellung bei der Abneigung
der Römer vor dem kleinen ehrlichen Erwerb immer stärker und eine große
Menge dürftiger Menschen stand für geringen Lohn dem Reichen zur Bildung
seines Hofstaats zu Gebote. Die Entschädigung, die ihnen gewährt wurde,
war sehr unbedeutend, und wurde durch die zunehmende Concurrenz noch mehr
herabgedrückt. Außer dem regelmäßigen Tagelohn -- zu Martials Zeit zehn
Sesterzen -- pflegten den Clienten noch gelegentlich andere Entschädigungen
zuzufließen. Dazu gehörten Einladungen an die Tafel des Herrn, wenn dieser
sich einmal seines lange vernachlässigten demüthigen "Freundes" erinnerte und
gerade ein Platz leer war. Ferner warf es bisweilen ein Geschenk ab, etwa
einen abgetragenen Mantel, eine drei oder vier Mal gewaschene Toga, mitunter
wohl auch ein paar Tausend Sesterzen oder ein kleines Landgütchen -- letzteres


spätere Kaiser Pertinax erhielt durch den Consularen Lollius Avitus das Cen-
turionat und stieg, nachdem er sich in einem Feldzug gegen die Parther aus¬
gezeichnet, schnell zu immer bedeutenderen ritterlichen Aemtern in Heer, Flotte
und Verwaltung und schließlich zur senatorischen Würde und zum Consulat
empor. Auch Nassaus Rufus, der in der Zeit der Antonine niedrig geboren
und ohne Erziehung aufgewachsen war, begann seine Laufbahn als Centuno,
wurde dann Tribun der römischen Feuerwache und, nachdem er bis zum
Tribunat einer Kohorte Garden aufgerückt war, nacheinander kaiserlicher Pro¬
kurator in Spanien, Noricum, Belgien und Germanien. Hierauf wurde er
Chef der kaiserlichen Finanzverwaltung. Getreideprcifect, Vicekönig von Aegyp-
ten, endlich Militärgvuvcrneur von Rom und erhielt die consularischen Ehren¬
zeichen.

Endlich muß in Rom die Zahl derjenigen vom dritten Stande sehr groß
gewesen sein, die von sogenannten Clientendiensten entweder ganz und
gar oder doch theilweise lebten. Von der ursprünglichen Clientel hatte dieses
Verhältniß kaum mehr als den Namen. Jene war ein Pietäts-, dieses ein
Miethsverhältniß. Der Client der älteren Republik war ein treuer Anhänger und
Vertrauter seines „Patrons", von diesem berathen und geschützt, der Client
der Kaiserzeit dagegen ein bloßer Figurant in dem Troß seines „Herrn", von
diesem karg belohnt und verächtlich, behandelt. Der persönliche Antheil des
Patrons am Geschick des Clienten hörte schon in der letzten Zeit der Republik
allmälig auf, je zahlreicher die Clienten des einzelnen Hauses wurden, desto
äußerlicher mußten die Beziehungen zwischen ihnen und dem Patron werden.
Mehr und mehr bildete sich die Sitte aus, daß der angesehene Mann sich mit
einem Gefolge niederer Leute umgab, dessen Größe sich nach seinem Stande
und Vermögen richtete und hierauf wieder zurückschließen ließ, sein Auftreten
so glänzend als möglich machte. Da diese Mode mit der Zeit selbst wenig
begüterte Geschäftsleute um ihres Credits willen eine Anzahl von Clienten zu
halten nöthigte, so wurde der Zudrang zu dieser Stellung bei der Abneigung
der Römer vor dem kleinen ehrlichen Erwerb immer stärker und eine große
Menge dürftiger Menschen stand für geringen Lohn dem Reichen zur Bildung
seines Hofstaats zu Gebote. Die Entschädigung, die ihnen gewährt wurde,
war sehr unbedeutend, und wurde durch die zunehmende Concurrenz noch mehr
herabgedrückt. Außer dem regelmäßigen Tagelohn — zu Martials Zeit zehn
Sesterzen — pflegten den Clienten noch gelegentlich andere Entschädigungen
zuzufließen. Dazu gehörten Einladungen an die Tafel des Herrn, wenn dieser
sich einmal seines lange vernachlässigten demüthigen „Freundes" erinnerte und
gerade ein Platz leer war. Ferner warf es bisweilen ein Geschenk ab, etwa
einen abgetragenen Mantel, eine drei oder vier Mal gewaschene Toga, mitunter
wohl auch ein paar Tausend Sesterzen oder ein kleines Landgütchen — letzteres


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[0182] spätere Kaiser Pertinax erhielt durch den Consularen Lollius Avitus das Cen- turionat und stieg, nachdem er sich in einem Feldzug gegen die Parther aus¬ gezeichnet, schnell zu immer bedeutenderen ritterlichen Aemtern in Heer, Flotte und Verwaltung und schließlich zur senatorischen Würde und zum Consulat empor. Auch Nassaus Rufus, der in der Zeit der Antonine niedrig geboren und ohne Erziehung aufgewachsen war, begann seine Laufbahn als Centuno, wurde dann Tribun der römischen Feuerwache und, nachdem er bis zum Tribunat einer Kohorte Garden aufgerückt war, nacheinander kaiserlicher Pro¬ kurator in Spanien, Noricum, Belgien und Germanien. Hierauf wurde er Chef der kaiserlichen Finanzverwaltung. Getreideprcifect, Vicekönig von Aegyp- ten, endlich Militärgvuvcrneur von Rom und erhielt die consularischen Ehren¬ zeichen. Endlich muß in Rom die Zahl derjenigen vom dritten Stande sehr groß gewesen sein, die von sogenannten Clientendiensten entweder ganz und gar oder doch theilweise lebten. Von der ursprünglichen Clientel hatte dieses Verhältniß kaum mehr als den Namen. Jene war ein Pietäts-, dieses ein Miethsverhältniß. Der Client der älteren Republik war ein treuer Anhänger und Vertrauter seines „Patrons", von diesem berathen und geschützt, der Client der Kaiserzeit dagegen ein bloßer Figurant in dem Troß seines „Herrn", von diesem karg belohnt und verächtlich, behandelt. Der persönliche Antheil des Patrons am Geschick des Clienten hörte schon in der letzten Zeit der Republik allmälig auf, je zahlreicher die Clienten des einzelnen Hauses wurden, desto äußerlicher mußten die Beziehungen zwischen ihnen und dem Patron werden. Mehr und mehr bildete sich die Sitte aus, daß der angesehene Mann sich mit einem Gefolge niederer Leute umgab, dessen Größe sich nach seinem Stande und Vermögen richtete und hierauf wieder zurückschließen ließ, sein Auftreten so glänzend als möglich machte. Da diese Mode mit der Zeit selbst wenig begüterte Geschäftsleute um ihres Credits willen eine Anzahl von Clienten zu halten nöthigte, so wurde der Zudrang zu dieser Stellung bei der Abneigung der Römer vor dem kleinen ehrlichen Erwerb immer stärker und eine große Menge dürftiger Menschen stand für geringen Lohn dem Reichen zur Bildung seines Hofstaats zu Gebote. Die Entschädigung, die ihnen gewährt wurde, war sehr unbedeutend, und wurde durch die zunehmende Concurrenz noch mehr herabgedrückt. Außer dem regelmäßigen Tagelohn — zu Martials Zeit zehn Sesterzen — pflegten den Clienten noch gelegentlich andere Entschädigungen zuzufließen. Dazu gehörten Einladungen an die Tafel des Herrn, wenn dieser sich einmal seines lange vernachlässigten demüthigen „Freundes" erinnerte und gerade ein Platz leer war. Ferner warf es bisweilen ein Geschenk ab, etwa einen abgetragenen Mantel, eine drei oder vier Mal gewaschene Toga, mitunter wohl auch ein paar Tausend Sesterzen oder ein kleines Landgütchen — letzteres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/182>, abgerufen am 26.06.2024.