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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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sam angeborne Unverschämtheit an den Tag zu legen; er schlägt dem Gärtner
sofort mit seinem Nebstock den Kopf blutig und wirft ihn von seinem Esel
herunter. Der Gärtner entschuldigt sich demüthig. Darauf will ihm jener den
Esel gewaltsam entreißen. Der Gärtner legt steh erst aufs Bitten, worauf der
Soldat mit brutalen Drohungen antwortet, dann aber wird jener von seinem
Verdruß übermannt, packt den frechen Burschen, wirft ihn zu Boden und be¬
arbeitet ihn so lange mit Faustschlägen, bis er sich todt stellt. Dann entreißt
er ihm seine Waffen und flieht nach der nächsten Stadt, wo er sich bei einem
Freunde versteckt. Der Soldat begiebt sich ebendahin und fordert seine Kameraden
zur Rache auf. Diese klagen den Gärtner bei der Behörde an, sich diebischer
Weise ein Silbergcfäß des Statthalters angeeignet zu haben, er wird entdeckt
und ins Gefängniß geworfen, um mit dem Tode zu büßen.

Der Eintritt in die am meisten bevorzugte Garde wurde natürlich am
meisten gesucht, war aber auch am schwersten zu erlangen. Vermuthlich wurden
hierzu nur die größten und stärksten Leute genommen und keinem der Eintritt
erlaubt, der nicht wenigstens S Fuß 10 Zoll maß. Die ganze Besatzung Roms
wurde anfänglich ausschließlich aus Italienern gebildet. Später ergänzte man
sie immer nur aus solchen Provinzen, deren Bewohner in ihrer äußern Er¬
scheinung und ihren Sitten nicht sehr beträchtlich von den Römern abstachen,
z. B. aus Spanien, Macedonien und Noricum. Erst Sever führte zum höchsten
Aerger seiner Römer die Neuerung ein, die Veteranen aus den Legionen aller
Provinzen in die Leibgarde ausrücken zu lassen, wodurch die Hauptstadt mit
einer Menge von Kriegsvolk aus allen Gegenden des Reichs, Burschen von
wildem Aussehen, rohen Gewohnheiten und furchtvar klingender Rede gefüllt
wurde. Die junge Mannschaft Italiens aber, die sich durch diese Anordnung
aus dem bisher vorzugsweise ihr zugänglichen Kriegsdienst in der Stadt ver¬
drängt sah, wandte sich, wie Dio erzählt, jetzt dem Gladiatoren- und Banditen¬
handwerk zu.

Wer vom Gemeinen auf diente, beschloß gewöhnlich seine militärische Lauf¬
bahn mit dem Grade eines Centurio, doch brachten es Einzelne auch bis zum
Legionstribun oder zum Präfecten einer Reiterschwadron. Hiermit aber hörte
die Beförderung dieser Classe von Militärs auf. Indeß konnten Angehörige
des dritten Standes auf Grund von Gunst und Empfehlung zuweilen sogleich
als Centurionen eintreten, und das war schon eine ansehnliche und deshalb
vielbegehrte Stellung. Von hier aus konnte man sich durch Glück, Verdienst
oder das Wohlwollen hochgestellter Gönner selbst bis zum Senatorenstande
aufschwingen oder doch die Ritterwürde und mit dieser Aussicht auf die hohen
Posten erlangen, die dieser Classe offen standen. Beispiele dafür berichtet
Fnedländer mehre. Justus Catonius, im Jahre 14 Obercenturiv in einer
harmonischen Legion, starb im Jahre 43 als Militärgouverneur von Rom. Der


sam angeborne Unverschämtheit an den Tag zu legen; er schlägt dem Gärtner
sofort mit seinem Nebstock den Kopf blutig und wirft ihn von seinem Esel
herunter. Der Gärtner entschuldigt sich demüthig. Darauf will ihm jener den
Esel gewaltsam entreißen. Der Gärtner legt steh erst aufs Bitten, worauf der
Soldat mit brutalen Drohungen antwortet, dann aber wird jener von seinem
Verdruß übermannt, packt den frechen Burschen, wirft ihn zu Boden und be¬
arbeitet ihn so lange mit Faustschlägen, bis er sich todt stellt. Dann entreißt
er ihm seine Waffen und flieht nach der nächsten Stadt, wo er sich bei einem
Freunde versteckt. Der Soldat begiebt sich ebendahin und fordert seine Kameraden
zur Rache auf. Diese klagen den Gärtner bei der Behörde an, sich diebischer
Weise ein Silbergcfäß des Statthalters angeeignet zu haben, er wird entdeckt
und ins Gefängniß geworfen, um mit dem Tode zu büßen.

Der Eintritt in die am meisten bevorzugte Garde wurde natürlich am
meisten gesucht, war aber auch am schwersten zu erlangen. Vermuthlich wurden
hierzu nur die größten und stärksten Leute genommen und keinem der Eintritt
erlaubt, der nicht wenigstens S Fuß 10 Zoll maß. Die ganze Besatzung Roms
wurde anfänglich ausschließlich aus Italienern gebildet. Später ergänzte man
sie immer nur aus solchen Provinzen, deren Bewohner in ihrer äußern Er¬
scheinung und ihren Sitten nicht sehr beträchtlich von den Römern abstachen,
z. B. aus Spanien, Macedonien und Noricum. Erst Sever führte zum höchsten
Aerger seiner Römer die Neuerung ein, die Veteranen aus den Legionen aller
Provinzen in die Leibgarde ausrücken zu lassen, wodurch die Hauptstadt mit
einer Menge von Kriegsvolk aus allen Gegenden des Reichs, Burschen von
wildem Aussehen, rohen Gewohnheiten und furchtvar klingender Rede gefüllt
wurde. Die junge Mannschaft Italiens aber, die sich durch diese Anordnung
aus dem bisher vorzugsweise ihr zugänglichen Kriegsdienst in der Stadt ver¬
drängt sah, wandte sich, wie Dio erzählt, jetzt dem Gladiatoren- und Banditen¬
handwerk zu.

Wer vom Gemeinen auf diente, beschloß gewöhnlich seine militärische Lauf¬
bahn mit dem Grade eines Centurio, doch brachten es Einzelne auch bis zum
Legionstribun oder zum Präfecten einer Reiterschwadron. Hiermit aber hörte
die Beförderung dieser Classe von Militärs auf. Indeß konnten Angehörige
des dritten Standes auf Grund von Gunst und Empfehlung zuweilen sogleich
als Centurionen eintreten, und das war schon eine ansehnliche und deshalb
vielbegehrte Stellung. Von hier aus konnte man sich durch Glück, Verdienst
oder das Wohlwollen hochgestellter Gönner selbst bis zum Senatorenstande
aufschwingen oder doch die Ritterwürde und mit dieser Aussicht auf die hohen
Posten erlangen, die dieser Classe offen standen. Beispiele dafür berichtet
Fnedländer mehre. Justus Catonius, im Jahre 14 Obercenturiv in einer
harmonischen Legion, starb im Jahre 43 als Militärgouverneur von Rom. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/181>, abgerufen am 26.06.2024.